"Wir buddeln im Himmel"
Mit Ende 20 entdeckte Anna Frebel den ältesten Stern des Universums: 13,2 Milliarden Jahre alt, offiziell " HE1523-0901" genannt, einfacher: der "Frebel-Stern". Über ihre Arbeit hat die Astrophysikerin ein Buch geschrieben - und zeigt, dass auch wir letztlich Sternenstaub sind.
Ulrike Timm: In den nächsten Minuten lassen wir alles, was uns an zeitlichen und räumlichen Dimensionen bislang so geläufig ist, beherzt hinter uns und tauchen ab in die Tiefen des Alls und des Universums. 13 Milliarden Jahre zurück und Lichtjahre von uns entfernt findet sich, was eine ganz junge Frau begeistert: die Anfänge des Universums, die ältesten Sterne überhaupt! Die Astrophysikerin Anna Frebel ist gerade 30 und schon eine erfolgreiche ausgewiesene Wissenschaftlerin. Sie lehrt als Professorin im Cambridge im amerikanischen Massachusetts und sie hat den ältesten Stern der Welt entdeckt. Ihre genaue Berufsbezeichnung: stellare Archäologin. Frau Frebel, ich grüße Sie!
Anna Frebel: Ja, hallo!
Timm: Frau Frebel, Archäologen buddeln nach verschollenen Zeitaltern auf der Erde. Was machen denn stellare Archäologen?
Frebel: Na, wir buddeln im Himmel! Das ist natürlich nicht ganz so dreckig, also keine Erde und nichts. Aber wir versuchen, die alten Fossilien am Himmel auszugraben, die Uraltsterne, indem wir riesige Durchmusterungen starten, die den Himmel großflächig abdecken, um dann letztendlich die Nadel im Heuhaufen zu finden.
Timm: Sie suchen mit dem Teleskop? Oder was ist eine Durchmusterung?
Frebel: Genau, also, wir benutzen verschiedene Teleskope, da gibt es sehr viele verschiedene, und wir brauchen auch mehrere Schritte. Man fängt damit an, den Himmel großflächig mit Bildern abzumustern, um erste Ideen zu den Objekten zu bekommen, erste Eindrücke und erste Zahlen auch dazu. Und dann wird aussortiert, und zwar ordentlich!
Timm: Und Sie haben sich schon als Teenager diesem Thema verschrieben, der stellaren Archäologie, den ältesten Sternen, den Anfängen des Universums. Was fasziniert Sie so daran?
Frebel: Ja, also, als Teenager war ich eigentlich eher so den Sternen generell hinterher. Dass es nun die ältesten Sterne geworden sind, das kam dann erst mit der Zeit, aber es war trotzdem toll. Ja, einfach die Anfänge des Universums sich mal ein bisschen genauer anzugucken und dafür Sterne zu benutzen, ist halt schon echt spannend! Wir fragen immer, wo komme ich her, als Menschen, man möchte seine eigene Geschichte erforschen. Und das möchte ich natürlich auch, aber gleichzeitig interessiert mich halt auch die größere Frage, was die Geschichte des Universums ist.
Timm: Beginnen wir mal mit einer ganz großen: Sie haben gerade ein Buch veröffentlicht, "Auf der Suche nach den ältesten Sternen" der Welt. Da fand ich ein Zitat, das mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist:
"Wenn du einen Apfelkuchen von Grund auf selbst backen möchtest, musst du zunächst das Universum erfinden. Was meint das?"
Frebel: Das ist gar nicht mal mein Zitat, das ist von Carl Sagan, einem sehr bekannten US-Astronomen aus den 60ern. Das bedeutet letztendlich, dass wir alle Sternenstaub sind und dass wir alle mit dem Universum sehr eng verbunden sind. Die Elemente, das ganze Material, aus dem wir bestehen, die Elemente, die chemischen Elemente, der Kohlenstoff, aus dem wir Menschen gemacht sind, das ist ja alles Material, was erst in Sternen und Supernova-Explosionen überhaupt erst mal synthetisiert werden musste, bevor es überhaupt in die Erde gekommen ist und dann irgendwann im Menschen geendet ist.
Timm: Das heißt, im Apfelkuchen findet sich dann das, was vor Milliarden Jahren im Weltall entstanden ist, die Atome, die, ja, die chemischen Stoffe, die Metalle?
Frebel: Genau. Wir essen ein klein bisschen Sternenstaub mit jedem Bissen!
Timm: Wir haben jetzt im Team den ältesten Stern der Welt entdeckt. Wie findet man den und woher weiß man, dass es der älteste ist?
Frebel: Ja, das sind die Tricks der Astronomie. Erst mal braucht man dazu große Teleskope, dann nimmt man nicht Bilder von den Sternen auf, sondern man nimmt Spektren auf. Das heißt, wir machen Spektroskopie mit Sternenlicht, das heißt, das Sternenlicht wird in die Regenbogenfarben aufgespaltet. Und so kann man dann die chemischen Häufigkeiten in dem Stern bestimmen. Das heißt, wir brauchen da gar nicht hinfliegen, wir können uns die Spektroskopie zunutze machen. Und mithilfe der chemischen Elemente können wir dann über die Natur des Sterns lernen und unter anderem können wir auch herausfinden, dass in solchen alten Sternen aus dem frühen Universum es einige spezielle gibt, die radioaktive Elemente haben. Und mithilfe von radioaktiven Elementen kann man immer Alter bestimmen, genau so wie mit der Radiokohlenstoffmethode bei archäologischen Funden auf der Erde, das wird sehr häufig verwendet.
Timm: Und Sie wissen, in Ihrem Stern gibt es wenig Metall und deshalb muss er uralt sein?
Frebel: Ja, und wir haben halt die radioaktiven Elemente, die uns unabhängig davon sagen, dass der Stern 13,2 Milliarden Jahre alt ist.
Timm: Also, der Stern stellt offenbar genug Fragen. Denn eigentlich dachte ich mir, na gut, Sie haben ihn entdeckt, tolle Leistung! Aber als Archäologin kommen Sie da ja nie hin, wie forschen Sie denn da jetzt weiter?
Frebel: Dass der Stern so alt ist, ist eigentlich nur quasi ein toller Nebeneffekt. Denn wir interessieren uns sehr für die ersten und frühen Nukleosyntheseprozesse, die also alle diese Elemente synthetisiert haben, wie das genau ablief.
Timm: Da müssen Sie mir helfen: Welche Fragen stellt der Stern, die Sie beantworten möchten?
Frebel: Der Stern stellt eigentlich keine Fragen, der Stern hilft uns, die Fragen zu beantworten. Und die Fragen sind halt: Was ist der Ursprung der Elemente, warum sieht das Periodensystem aus so, wie es ist? Da kann uns die Nuklear-, die Kernphysik weiterhelfen, aber die schwersten Elemente und im unteren Bereich des Periodensystems, die kann man zum Beispiel auf der Erde gar nicht selber synthetisieren im Labor. Dazu müssen wir dann die Sterne heranziehen, weil die in ihrem Inneren halt die nötigen Energien haben, um diese Elemente zu synthetisieren. Das heißt, wir benutzen sie als kosmisches Labor.
Timm: Sie haben als stellare Archäologin eigentlich einen undankbaren Beruf. Sie sagen, Sie buddeln im Weltall, Sie kommen da aber nie hin. Ärgert Sie das?
Frebel: Manchmal schon, ja. Aber das gehört zum Beruf dazu!
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Wir sprechen mit der Astrophysikerin und stellaren Archäologin Anna Frebel, die sich den Anfängen des Kosmos verschrieben hat. Frau Frebel, wenn man täglich gedanklich zum Beginn des Kosmos surft, kommen da auch Gedanken wie: Was war noch davor, was war vor dem Urknall, womöglich spirituelle Gedanken?
Frebel: Klar denkt man da mal drüber nach, aber eigentlich denkt man dann eher darüber nach, dass man lieber nicht darüber nachdenken sollte, weil, sonst platzt einem schnell der Kopf! Ich kann mir, was vor dem Urknall war, nicht vorstellen. Ich glaube, das geht vielen so!
Timm: Aber Sie sagen mit großer Souveränität, der Urknall ist so was wie 13,7 Milliarden Jahre her?
Frebel: Ja, das ist gemessen worden mit einer Weltraumsonde.
Timm: Und wie passt man mit solch einer Gedankenwelt, mit solchen Zahlen, mit solchen Bereichen in die ganz moderne Welt? Stürzt man da jeden Tag neu zwischen zwei Welten hin und her?
Frebel: Ach, eigentlich nicht. Man gewöhnt sich ein bisschen daran, mit großen Zahlen umzugehen. Also, für mich ist das eigentlich kein Problem.
Timm: Sie bezeichnen Sterne auch als Diamanten am Himmel. Und zu Beginn sprachen wir über den Apfelkuchen, in dem der ganze Kosmos steckt. Wie nah sind sich eigentlich die Wissenschaftler, die Philosophen und die Dichter?
Frebel: Wahrscheinlich nicht so nah, wie sie sein sollten! Es ist ja oft so, dass jede Berufsgruppe eher unter sich bleibt und dass es da oft nicht so viel Cross-Talk gibt. Also, Astronomie taucht oft auf in der Literatur, in der Musik, in der Gesellschaft, das ist eigentlich auch ganz schön. Inwieweit da jetzt direkter Austausch ist, das weiß ich nicht genau.
Timm: Sind das für Sie zwei Seiten einer Medaille, die Schönheit des Kosmos und das Wissen des Kosmos?
Frebel: Ja, in gewisser Weise schon. Also, wenn es um die hübschen Bilder vom Hubble-Weltraumteleskop geht, die produziere ich ja nicht selber. An denen erfreue ich mich genau so wie jeder andere. Das ist die eine Seite der Astronomie. Ich möchte es dann halt oft noch genauer wissen und deswegen habe ich die Astronomie zu meinem Beruf gemacht.
Timm: Anna Frebel, kann man Ihren Stern eigentlich von der Erde aus sehen ohne große Teleskope?
Frebel: Leider nicht direkt mit den Augen selber, aber mit einem kleinen Amateurteleskop kann man also den ältesten Stern, diesen 13,2 Milliarden Jahre alten Stern durchaus sehen!
Timm: Heißt der eigentlich nach Ihnen?
Frebel: Nein, er hat schon einen Namen, der älteste Stern heißt HE1523-0901 ...
Timm: ... oh!
Frebel: Das ist eine Abkürzung für die Hamburg/ESO Survey, das war eine Hamburger Durchmusterung Ende der 70er-Jahre und die Zahlenkombination steht für einen alten Satz von Koordinaten. Aber auf Konferenzen und auch so im Sprachgebrauch sagen die Leute oft Frebel-Stern oder Annas Stern, weil sie sich die Zahlen auch nicht merken können.
Timm: Wenn man mit Ende 20 – so alt waren Sie, als sie ihn entdeckten –, wenn man mit Ende 20 eine große wissenschaftliche Leistung vollbracht hat, einen solchen Treffer, die Entdeckung des ältesten Sterns des Universums, wie macht man denn dann weiter? Das ist doch nicht zu toppen?
Frebel: Na ja, es gibt immer viel zu lernen! Und wenn man mal einen Stern gefunden hat, dann möchten man natürlich gerne noch mehr finden! Und das ist auch das Ziel von mir und von vielen, meinen Kollegen. Weil, ein oder zwei Sterne, da wissen wir jetzt, dass die ganzen Suchmethoden und das alles klappt, und das ist auch gut, und ja, jetzt arbeite ich an einer neuen Durchmusterung, um noch weitere von diesen Sternen zu finden. Inzwischen habe ich auch einige sehr chemisch primitive Sterne in den Zwerggalaxien gefunden, die die Milchstraße umkreisen, auch da haben wir einige Rekorde schon aufgestellt. Es gibt so viele verschiedene Sachen, spannende Sachen im Universum zu erforschen, also, für mich geht's immer noch weiter!
Timm: Anna Frebel, stellare Archäologin, "Auf der Suche nach den ältesten Sternen" der Welt, so heißt ihr Buch, das den Urknall sehr plausibel als Limonadengebräu erklärt und in dem man beim Lesen aus dem Staunen nicht herauskommt. Es ist bei Fischer erschienen. Frau Frebel, ganz herzlichen Dank und alles Gute!
Frebel: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Anna Frebel: Ja, hallo!
Timm: Frau Frebel, Archäologen buddeln nach verschollenen Zeitaltern auf der Erde. Was machen denn stellare Archäologen?
Frebel: Na, wir buddeln im Himmel! Das ist natürlich nicht ganz so dreckig, also keine Erde und nichts. Aber wir versuchen, die alten Fossilien am Himmel auszugraben, die Uraltsterne, indem wir riesige Durchmusterungen starten, die den Himmel großflächig abdecken, um dann letztendlich die Nadel im Heuhaufen zu finden.
Timm: Sie suchen mit dem Teleskop? Oder was ist eine Durchmusterung?
Frebel: Genau, also, wir benutzen verschiedene Teleskope, da gibt es sehr viele verschiedene, und wir brauchen auch mehrere Schritte. Man fängt damit an, den Himmel großflächig mit Bildern abzumustern, um erste Ideen zu den Objekten zu bekommen, erste Eindrücke und erste Zahlen auch dazu. Und dann wird aussortiert, und zwar ordentlich!
Timm: Und Sie haben sich schon als Teenager diesem Thema verschrieben, der stellaren Archäologie, den ältesten Sternen, den Anfängen des Universums. Was fasziniert Sie so daran?
Frebel: Ja, also, als Teenager war ich eigentlich eher so den Sternen generell hinterher. Dass es nun die ältesten Sterne geworden sind, das kam dann erst mit der Zeit, aber es war trotzdem toll. Ja, einfach die Anfänge des Universums sich mal ein bisschen genauer anzugucken und dafür Sterne zu benutzen, ist halt schon echt spannend! Wir fragen immer, wo komme ich her, als Menschen, man möchte seine eigene Geschichte erforschen. Und das möchte ich natürlich auch, aber gleichzeitig interessiert mich halt auch die größere Frage, was die Geschichte des Universums ist.
Timm: Beginnen wir mal mit einer ganz großen: Sie haben gerade ein Buch veröffentlicht, "Auf der Suche nach den ältesten Sternen" der Welt. Da fand ich ein Zitat, das mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist:
"Wenn du einen Apfelkuchen von Grund auf selbst backen möchtest, musst du zunächst das Universum erfinden. Was meint das?"
Frebel: Das ist gar nicht mal mein Zitat, das ist von Carl Sagan, einem sehr bekannten US-Astronomen aus den 60ern. Das bedeutet letztendlich, dass wir alle Sternenstaub sind und dass wir alle mit dem Universum sehr eng verbunden sind. Die Elemente, das ganze Material, aus dem wir bestehen, die Elemente, die chemischen Elemente, der Kohlenstoff, aus dem wir Menschen gemacht sind, das ist ja alles Material, was erst in Sternen und Supernova-Explosionen überhaupt erst mal synthetisiert werden musste, bevor es überhaupt in die Erde gekommen ist und dann irgendwann im Menschen geendet ist.
Timm: Das heißt, im Apfelkuchen findet sich dann das, was vor Milliarden Jahren im Weltall entstanden ist, die Atome, die, ja, die chemischen Stoffe, die Metalle?
Frebel: Genau. Wir essen ein klein bisschen Sternenstaub mit jedem Bissen!
Timm: Wir haben jetzt im Team den ältesten Stern der Welt entdeckt. Wie findet man den und woher weiß man, dass es der älteste ist?
Frebel: Ja, das sind die Tricks der Astronomie. Erst mal braucht man dazu große Teleskope, dann nimmt man nicht Bilder von den Sternen auf, sondern man nimmt Spektren auf. Das heißt, wir machen Spektroskopie mit Sternenlicht, das heißt, das Sternenlicht wird in die Regenbogenfarben aufgespaltet. Und so kann man dann die chemischen Häufigkeiten in dem Stern bestimmen. Das heißt, wir brauchen da gar nicht hinfliegen, wir können uns die Spektroskopie zunutze machen. Und mithilfe der chemischen Elemente können wir dann über die Natur des Sterns lernen und unter anderem können wir auch herausfinden, dass in solchen alten Sternen aus dem frühen Universum es einige spezielle gibt, die radioaktive Elemente haben. Und mithilfe von radioaktiven Elementen kann man immer Alter bestimmen, genau so wie mit der Radiokohlenstoffmethode bei archäologischen Funden auf der Erde, das wird sehr häufig verwendet.
Timm: Und Sie wissen, in Ihrem Stern gibt es wenig Metall und deshalb muss er uralt sein?
Frebel: Ja, und wir haben halt die radioaktiven Elemente, die uns unabhängig davon sagen, dass der Stern 13,2 Milliarden Jahre alt ist.
Timm: Also, der Stern stellt offenbar genug Fragen. Denn eigentlich dachte ich mir, na gut, Sie haben ihn entdeckt, tolle Leistung! Aber als Archäologin kommen Sie da ja nie hin, wie forschen Sie denn da jetzt weiter?
Frebel: Dass der Stern so alt ist, ist eigentlich nur quasi ein toller Nebeneffekt. Denn wir interessieren uns sehr für die ersten und frühen Nukleosyntheseprozesse, die also alle diese Elemente synthetisiert haben, wie das genau ablief.
Timm: Da müssen Sie mir helfen: Welche Fragen stellt der Stern, die Sie beantworten möchten?
Frebel: Der Stern stellt eigentlich keine Fragen, der Stern hilft uns, die Fragen zu beantworten. Und die Fragen sind halt: Was ist der Ursprung der Elemente, warum sieht das Periodensystem aus so, wie es ist? Da kann uns die Nuklear-, die Kernphysik weiterhelfen, aber die schwersten Elemente und im unteren Bereich des Periodensystems, die kann man zum Beispiel auf der Erde gar nicht selber synthetisieren im Labor. Dazu müssen wir dann die Sterne heranziehen, weil die in ihrem Inneren halt die nötigen Energien haben, um diese Elemente zu synthetisieren. Das heißt, wir benutzen sie als kosmisches Labor.
Timm: Sie haben als stellare Archäologin eigentlich einen undankbaren Beruf. Sie sagen, Sie buddeln im Weltall, Sie kommen da aber nie hin. Ärgert Sie das?
Frebel: Manchmal schon, ja. Aber das gehört zum Beruf dazu!
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Wir sprechen mit der Astrophysikerin und stellaren Archäologin Anna Frebel, die sich den Anfängen des Kosmos verschrieben hat. Frau Frebel, wenn man täglich gedanklich zum Beginn des Kosmos surft, kommen da auch Gedanken wie: Was war noch davor, was war vor dem Urknall, womöglich spirituelle Gedanken?
Frebel: Klar denkt man da mal drüber nach, aber eigentlich denkt man dann eher darüber nach, dass man lieber nicht darüber nachdenken sollte, weil, sonst platzt einem schnell der Kopf! Ich kann mir, was vor dem Urknall war, nicht vorstellen. Ich glaube, das geht vielen so!
Timm: Aber Sie sagen mit großer Souveränität, der Urknall ist so was wie 13,7 Milliarden Jahre her?
Frebel: Ja, das ist gemessen worden mit einer Weltraumsonde.
Timm: Und wie passt man mit solch einer Gedankenwelt, mit solchen Zahlen, mit solchen Bereichen in die ganz moderne Welt? Stürzt man da jeden Tag neu zwischen zwei Welten hin und her?
Frebel: Ach, eigentlich nicht. Man gewöhnt sich ein bisschen daran, mit großen Zahlen umzugehen. Also, für mich ist das eigentlich kein Problem.
Timm: Sie bezeichnen Sterne auch als Diamanten am Himmel. Und zu Beginn sprachen wir über den Apfelkuchen, in dem der ganze Kosmos steckt. Wie nah sind sich eigentlich die Wissenschaftler, die Philosophen und die Dichter?
Frebel: Wahrscheinlich nicht so nah, wie sie sein sollten! Es ist ja oft so, dass jede Berufsgruppe eher unter sich bleibt und dass es da oft nicht so viel Cross-Talk gibt. Also, Astronomie taucht oft auf in der Literatur, in der Musik, in der Gesellschaft, das ist eigentlich auch ganz schön. Inwieweit da jetzt direkter Austausch ist, das weiß ich nicht genau.
Timm: Sind das für Sie zwei Seiten einer Medaille, die Schönheit des Kosmos und das Wissen des Kosmos?
Frebel: Ja, in gewisser Weise schon. Also, wenn es um die hübschen Bilder vom Hubble-Weltraumteleskop geht, die produziere ich ja nicht selber. An denen erfreue ich mich genau so wie jeder andere. Das ist die eine Seite der Astronomie. Ich möchte es dann halt oft noch genauer wissen und deswegen habe ich die Astronomie zu meinem Beruf gemacht.
Timm: Anna Frebel, kann man Ihren Stern eigentlich von der Erde aus sehen ohne große Teleskope?
Frebel: Leider nicht direkt mit den Augen selber, aber mit einem kleinen Amateurteleskop kann man also den ältesten Stern, diesen 13,2 Milliarden Jahre alten Stern durchaus sehen!
Timm: Heißt der eigentlich nach Ihnen?
Frebel: Nein, er hat schon einen Namen, der älteste Stern heißt HE1523-0901 ...
Timm: ... oh!
Frebel: Das ist eine Abkürzung für die Hamburg/ESO Survey, das war eine Hamburger Durchmusterung Ende der 70er-Jahre und die Zahlenkombination steht für einen alten Satz von Koordinaten. Aber auf Konferenzen und auch so im Sprachgebrauch sagen die Leute oft Frebel-Stern oder Annas Stern, weil sie sich die Zahlen auch nicht merken können.
Timm: Wenn man mit Ende 20 – so alt waren Sie, als sie ihn entdeckten –, wenn man mit Ende 20 eine große wissenschaftliche Leistung vollbracht hat, einen solchen Treffer, die Entdeckung des ältesten Sterns des Universums, wie macht man denn dann weiter? Das ist doch nicht zu toppen?
Frebel: Na ja, es gibt immer viel zu lernen! Und wenn man mal einen Stern gefunden hat, dann möchten man natürlich gerne noch mehr finden! Und das ist auch das Ziel von mir und von vielen, meinen Kollegen. Weil, ein oder zwei Sterne, da wissen wir jetzt, dass die ganzen Suchmethoden und das alles klappt, und das ist auch gut, und ja, jetzt arbeite ich an einer neuen Durchmusterung, um noch weitere von diesen Sternen zu finden. Inzwischen habe ich auch einige sehr chemisch primitive Sterne in den Zwerggalaxien gefunden, die die Milchstraße umkreisen, auch da haben wir einige Rekorde schon aufgestellt. Es gibt so viele verschiedene Sachen, spannende Sachen im Universum zu erforschen, also, für mich geht's immer noch weiter!
Timm: Anna Frebel, stellare Archäologin, "Auf der Suche nach den ältesten Sternen" der Welt, so heißt ihr Buch, das den Urknall sehr plausibel als Limonadengebräu erklärt und in dem man beim Lesen aus dem Staunen nicht herauskommt. Es ist bei Fischer erschienen. Frau Frebel, ganz herzlichen Dank und alles Gute!
Frebel: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.