Wir dürfen Herrn Putin keine große Reklame-Show gestatten!

Markus Löning im Gespräch mit Julius Stucke · 12.08.2013
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, FDP, hält einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 für keine geeignete Reaktion auf die homosexuellenfeindliche Politik Russlands. Dennoch seien "klare Ansagen" an Präsident Putin wichtig.
Julius Stucke: Die eine sportliche Großveranstaltung in Russland läuft noch, da redet man schon darüber, ob man die nächste boykottieren sollte. Leichtathletik-WM in Moskau, das ist jetzt, und in einem halben Jahr etwa Winterspiele 2014 im russischen Sotschi. Dann soll die Welt zu Gast in Russland sein, aber wie kann die Welt zu Gast in einem Land sein, dass per Gesetz gegen Homosexuelle vorgeht, dass das Zeigen von Homosexualität in der Öffentlichkeit per Gesetz verbietet.

Grotesk findet das der CDU-Politiker Jens Spahn, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht die Ausgrenzung von Homosexuellen als weiteren Schritt in Richtung lupenreine Diktatur, und ihr FDP-Parteikollege Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung nennt es staatliche Verfolgung. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Löning.

Markus Löning: Guten Morgen.

Stucke: Lupenreine Diktatur, staatliche Verfolgung – lässt das alles nur einen Schluss zu, wir sollten die Winterspiele in Sotschi boykottieren?

Löning: Das lässt zunächst mal den Schluss zu, dass die Sportverbände sich in Zukunft vielleicht besser überlegen müssen, wie und an wen sie solche großen Veranstaltungen vergeben. Da muss mehr nachgedacht werden, da muss überlegt werden, ist das die richtige Umgebung für unsere Sportler? Sind unsere Sportler auch letzten Endes sicher? Aber auch: Was für ein Signal setzen wir damit, dass wir eine solche Sportveranstaltung so vergeben? Ich halte es nicht für richtig, jetzt eine Boykottdiskussion zu führen, sondern ich glaube, dass es wichtig ist, hinzuschauen, zu schauen, wie ist die Situation in Russland? Und die homophobe Gesetzgebung, die es dort jetzt gibt, ist ja nur eine von vielen repressiven Gesetzgebungen. Russland ist insgesamt auf dem Weg in Richtung mehr Repression, mehr Autorität, mehr Diktatur, also die Situation in Russland ist insgesamt schlecht, nicht nur für Homosexuelle, die sich für ihre Rechte einsetzen.

Stucke: Herr Löning, aber wenn nicht boykottieren, was dann, um daran etwas zu ändern?

Löning: Man muss die Situation aus meiner Sicht nutzen, hinzuschauen, dafür zu sorgen, dass nicht Herr Putin das jetzt zu einer großen PR-Show für sich nutzen kann, sondern man muss hinschauen und sagen, was passiert neben den Wettbewerben, was passiert außerhalb der Wettbewerbe? Wie ist die soziale und die reale Situation im Land? Wie wird mit Leuten umgegangen, die sich für demokratische Rechte einsetzen? Wie wird mit Journalisten umgegangen, die berichten wollen über das, was im Land tatsächlich passiert? Und diese gesamte Situation ist schlecht in Russland. Wir erleben deutlich zunehmende Repression, seit Herr Putin wieder Präsident ist. Und ich glaube, das ist, worauf es ankommt: Hinschauen, die Dinge klar und deutlich ansprechen und nicht gestatten, dass Herr Putin da eben eine große Reklame-Show für sich macht.

Stucke: Allerdings macht das die internationale Politik ja jetzt bereits. Sie spricht das Thema an, sie äußert ihren Unmut. Präsident Barack Obama hat auch gesagt, er sei gegen einen Boykott, hat aber gesagt, man solle dann dort Medaillen holen, Schwule und Lesben sollten dort Medaillen holen und damit ein Zeichen setzen. Aber all das zeigt doch, darauf hört Russland nicht, oder?

Löning: Also, nach meiner Erfahrung ist es zum einen ganz wichtige Unterstützung für all die, die engagiert sind, dass man ihnen klar und deutlich von außen eben auch signalisiert, wir sehen die Situation, wir unterstützen euch, wir denken an euch, wir unterstützen euch von außen mit klaren Erklärungen. Es ist für diejenigen, die sich engagieren, eine unglaublich wichtige moralische und politische Unterstützung. Und letzten Endes zeigt auch die Reaktion der Regierung, dass sie sieht und dass sie hört, was von außen kommt an Empörung und an Druck. Also ich bin sehr dafür, diese klaren Ansagen auch weiterhin zu machen, nicht nur im Zusammenhang mit solchen großen Events, sondern sie eben immer zu machen, wenn es nötig ist. Und wir sollten die Wirkung dessen, was wir da tun, sozusagen nicht unterschätzen.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, FDP
Markus Löning© picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
"Diese Botschaften kommen durchaus an"
Stucke: Sie sagen, die Reaktionen der Regierung zeigen, dass man es hört – woran zeigt sich das?

Löning: Ich erlebe bei meiner Arbeit immer wieder, wie versucht wird, genau das, nämlich diese klaren Äußerungen zu umgehen, zu sagen, jetzt sprecht das doch nicht immer an, oder wie wütend reagiert wird darauf, dass solche Dinge klar und deutlich angesprochen werden. Die Botschaften kommen an, auch wenn sich nicht immer sofort die Politik ändert, so kommen doch diese Botschaften durchaus an.

Stucke: Eine Verlegung der Spiele, das haben zum Beispiel der Grüne Volker Beck und Johannes Kahrs von der SPD ins Spiel gebracht. Wäre das vielleicht eine Lösung zwischen Boykott und einfach hinfahren und dann Zeichen setzen?

Löning: Ich denke noch mal auch zu dem Thema Hinfahren: Das muss natürlich jeder Sportler, jeder Besucher, auch jeder Politiker, der hinfährt, muss sich selbst überlegen, will ich da hinfahren, was setze ich damit für ein Zeichen, unterstütze ich da vielleicht jemanden, den ich nicht unterstützen will? Also das ist etwas, was aus meiner Sicht die Leute auch persönlich entscheiden müssen. Ist es richtig, dort hinzufahren?

Stucke: Würden Sie denn hinfahren?

Löning: Ich halte auch diese ganzen Verlegungsdebatten für so ein bisschen eine Hilfsdebatte und eine etwas verlegene Debatte. Ich glaube, wichtiger ist hinschauen, auch hinfahren, vielleicht auch an andere Orte fahren als nur zu den Spielen selber, auch gerade, wenn man Besucher ist, um sich ein eigenes Bild zu machen über dieses Land.

Stucke: Und hinfahren oder nicht, wie entscheiden Sie das für sich?

Löning: Da ich selber kein großer Wintersportler und Wintersportfan bin, stellt sich für mich diese Frage nicht. Ich werde sicher nach Russland fahren in anderem Zusammenhang und dort mich mit Dissidenten treffen, mit Leuten, die sich dort für Demokratie, für ihre Rechte einsetzen, mit homosexuellen Aktivisten. Und wir werden Leute auch nach Deutschland wieder einladen, gerade auch Homosexuellenaktivisten, um ihnen hier zu helfen und sie von hier aus auch zu unterstützen.

Stucke: Ein Olympiaboykott ist nicht die richtige Lösung, meint Markus Löning von der FDP, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Herr Löning, danke fürs Gespräch und Ihnen einen schönen Tag.

Löning: Danke auch.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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