"Wir haben abgeschworen"
Die Zahl der Muslime, die sich vom Islam abwenden, ist in Deutschland höher als allgemein bekannt. Der Abfall vom Glauben, zumal der öffentlich verkündete, gilt im Islam als ein todeswürdiges Verbrechen. Vor einem Jahr gründete sich der "Zentralrat der Ex-Muslime".
Das Schicksal hat es nicht gerade gut gemeint mit ihr. Als junge Studentin tauchte sie vor dem islamischen Regime in den Untergrund ab, ihr Ehemann wurde hingerichtet, sie floh aus Teheran ins iranische Kurdistan, lebte dort zehn Jahre, kam 1990 nach Wien und sechs Jahre später nach Deutschland. Und sucht immer noch die Herausforderung. Vor einem Jahr brach die heute 51-jährige Mina Ahadi mit dem Islam – in aller Öffentlichkeit sagte sie sich los und gründete den Zentralrat der Ex-Muslime.
"Ich habe das gemacht, weil ich habe sehr viel Kritik gehabt gegen Einfluss der islamischen Organisationen. Ich habe gesagt, ich habe abgeschworen, weil ich wollte, oder weil wir wollten, wir haben eine Organisation gegründet, am Anfang waren wir 30, dann 70, jetzt wir sind 100 Menschen, haben schon gesagt, wir machen nicht mit, wir möchten eine andere Politik."
Die Forderungen des Zentralrates der Ex-Muslime lassen an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Sie prangern die religiöse Verherrlichung von Gewalt im Islam an, befürworten das Kopftuchverbot und verurteilen das Schächten der Tiere; sie treten für freie Meinungsäußerung ein und für ein selbstbestimmtes Leben; sie geißeln den Glauben an Allah als Gottesknechtschaft und verurteilen die Intoleranz gegenüber Nicht- und Andersgläubigen. Mohammed, der Prophet, ist ihrer Ansicht nach nicht mehr als ein blutrünstiger Verkünder eines totalitären Rechts- und Glaubenssystems. Die Provokation war gewollt, die Reaktion vorhersehbar.
"Ich wurde bedroht und bekomme ich nach wie vor Briefe per E-Mail oder per Telefon. Alle Briefe, die ich bekomme, sind anonym. Das wird mit Mohammed oder mit anderen arabischen Namen genannt und man bekommt einen Brief, wo drin steht, wie sie mich umbringen – mit einem Unfall oder mit Schuss. Wir Muslime verteidigen uns und ihr Ungläubige könnt schon sehen, was passiert eines Tages und so weiter."
Die Apostasie, der Abfall vom Glauben – zumal öffentlich und in einer Gruppe verkündet – grenzt in der islamischen Welt immer noch an Hochverrat. Jede Religion ist im Wandel und passt sich der Zeit an. Mounir Azzaoui gründete den Arbeitskreis grüne Muslime im Landesverband Nordrhein-Westfalen vom Bündnis 90/Die Grünen. Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie steht für ihn außer Frage, selbst wenn sich viele Muslime noch schwer tun mit dem Bekenntnis zur Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.
"Es gab da verschiedene Auslegungen. Ganz konservative, extremistische Auffassungen sagen, dass ein Abfall vom Glauben mit dem Tod bestraft werden muss. Es gibt andere, die sagen, nein, das ist nicht so. Da gibt es Diskussionen. Ich wünsche mir, dass die Religionsfreiheit, wie wir sie in Deutschland und Europa haben, auch in arabischen Ländern stärker in diese Richtung geht. Ich denke, wir Muslime in Europa können dazu beitragen, dass diese Diskussion noch stärker vorangetrieben wird."
Der Islam müsse es ertragen, dass auch Muslime zu anderen Religionen übertreten oder Atheisten werden, bekräftigt Lale Akgün, Psychotherapeutin und Islam-Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Doch der Gründung eines Zentralrates der Ex-Muslime steht sie skeptisch gegenüber.
"Es ist noch ein Thema, das nicht offen diskutiert wird, leider. Ich selbst habe lange Jahre in Köln als Therapeutin gearbeitet und ich kann Ihnen sagen, ich habe mehr als eine Patientin gehabt, die zu mir kam mit diesem Konflikt. Ich frage mich nur, ob man auch einen Verein der Ausgetretenen da noch gründen muss. Wenn man ausgetreten ist, ist man ausgetreten und muss das nicht noch extra betonen. Wenn man das betonen möchte, ist das auch in Ordnung. Die meisten, die sich abwenden, haken das ab und wenden sich anderen Dinge zu."
Die Zahl der Muslime, die in Deutschland nicht mehr nach den starren Regeln des Korans leben, ist höher als mancher Verbandsfunktionär vermutet. Das streitet Mounir Azzaoui nicht ab, der als Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Zentralrat der Muslime arbeitet. Dass das Religiöse aus dem Alltag verdrängt wurde, bedauert er. Der Glaube könnte den Menschen in einer modernen und globalisierten Welt klare Regeln, feste Werte, Halt und eine starke Identität geben.
"Wir wissen auch nicht, wofür dieser Zentralrat der Ex-Muslime steht, da diese Position doch eher antireligiös sind und eigentlich dazu beitragen will, dass die Religion aus dem öffentlich Raum verschwindet, deshalb kann ich mit dem laizistischen Staatsverständnis wenig anfangen. Ich kann immer noch nicht erkennen, wo da ein sachlicher Beitrag zur Diskussion geleistet worden ist, für mich hat es eher etwas destruktives, etwas PR-haftes. Von daher haben wir von unserer Seite kein Interesse, die Kontakte aufzubauen."
Nach Meinung des Soziologen Ulrich Beck hat jede Religion einen totalitären Kern; vor Gott seien die Menschen aus einer Religionsgemeinschaft zwar gleich, andersgläubige oder atheistische Menschen würden jedoch ausgegrenzt und verteufelt. Dass der Islam reformierbar sei, glauben Mina Ahadi und ihre Gleichgesinnten aus dem Zentralrat der Ex-Muslime indes nicht. Die islamischen Verbände in Deutschland lehnten insgeheim die Grundprinzipien einer säkular-demokratischen Lebenskultur ab. Die Bundesregierung habe einen Fehler gemacht, diese orthodoxen Verbände mit einzubinden in Fragen der Integration und sie hierdurch politisch aufgewertet zu haben. Die Gründung des Zentralrates der Ex-Muslime vor einem Jahr sei da ein längst überfälliges Signal gewesen.
"Es gibt jetzt eine Organisation in Skandinavien, eine in London und auch in Holland. Wir sind vernetzt, wir sind eine Bewegung mit viel Aufmerksamkeit. Ich wurde letztes Jahr zur Säkularist des Jahres gewählt, das ist eine Aufmerksamkeit, die wir weltweit gesehen haben. Das ist schon eine Bilanz, wir haben gesehen dieses Jahr."
Sehr viel Mut verlangt es nach wie vor, sich in aller Öffentlichkeit zum Abfall vom islamischen Glauben zu bekennen. Mina Ahadi scheute sich nicht und ist hierfür von der britischen National Secular Society ausgezeichnet worden. In den tiefgreifend säkularisierten westeuropäischen Gesellschaften steht es jedem offen, aus der Kirche auszutreten und sich zu seiner Konfessionslosigkeit zu bekennen. Dieser nachsichtige und offene Umgang mit den Abtrünnigen steht den islamischen Glaubensorganisationen noch bevor.
"Ich habe das gemacht, weil ich habe sehr viel Kritik gehabt gegen Einfluss der islamischen Organisationen. Ich habe gesagt, ich habe abgeschworen, weil ich wollte, oder weil wir wollten, wir haben eine Organisation gegründet, am Anfang waren wir 30, dann 70, jetzt wir sind 100 Menschen, haben schon gesagt, wir machen nicht mit, wir möchten eine andere Politik."
Die Forderungen des Zentralrates der Ex-Muslime lassen an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Sie prangern die religiöse Verherrlichung von Gewalt im Islam an, befürworten das Kopftuchverbot und verurteilen das Schächten der Tiere; sie treten für freie Meinungsäußerung ein und für ein selbstbestimmtes Leben; sie geißeln den Glauben an Allah als Gottesknechtschaft und verurteilen die Intoleranz gegenüber Nicht- und Andersgläubigen. Mohammed, der Prophet, ist ihrer Ansicht nach nicht mehr als ein blutrünstiger Verkünder eines totalitären Rechts- und Glaubenssystems. Die Provokation war gewollt, die Reaktion vorhersehbar.
"Ich wurde bedroht und bekomme ich nach wie vor Briefe per E-Mail oder per Telefon. Alle Briefe, die ich bekomme, sind anonym. Das wird mit Mohammed oder mit anderen arabischen Namen genannt und man bekommt einen Brief, wo drin steht, wie sie mich umbringen – mit einem Unfall oder mit Schuss. Wir Muslime verteidigen uns und ihr Ungläubige könnt schon sehen, was passiert eines Tages und so weiter."
Die Apostasie, der Abfall vom Glauben – zumal öffentlich und in einer Gruppe verkündet – grenzt in der islamischen Welt immer noch an Hochverrat. Jede Religion ist im Wandel und passt sich der Zeit an. Mounir Azzaoui gründete den Arbeitskreis grüne Muslime im Landesverband Nordrhein-Westfalen vom Bündnis 90/Die Grünen. Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie steht für ihn außer Frage, selbst wenn sich viele Muslime noch schwer tun mit dem Bekenntnis zur Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.
"Es gab da verschiedene Auslegungen. Ganz konservative, extremistische Auffassungen sagen, dass ein Abfall vom Glauben mit dem Tod bestraft werden muss. Es gibt andere, die sagen, nein, das ist nicht so. Da gibt es Diskussionen. Ich wünsche mir, dass die Religionsfreiheit, wie wir sie in Deutschland und Europa haben, auch in arabischen Ländern stärker in diese Richtung geht. Ich denke, wir Muslime in Europa können dazu beitragen, dass diese Diskussion noch stärker vorangetrieben wird."
Der Islam müsse es ertragen, dass auch Muslime zu anderen Religionen übertreten oder Atheisten werden, bekräftigt Lale Akgün, Psychotherapeutin und Islam-Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Doch der Gründung eines Zentralrates der Ex-Muslime steht sie skeptisch gegenüber.
"Es ist noch ein Thema, das nicht offen diskutiert wird, leider. Ich selbst habe lange Jahre in Köln als Therapeutin gearbeitet und ich kann Ihnen sagen, ich habe mehr als eine Patientin gehabt, die zu mir kam mit diesem Konflikt. Ich frage mich nur, ob man auch einen Verein der Ausgetretenen da noch gründen muss. Wenn man ausgetreten ist, ist man ausgetreten und muss das nicht noch extra betonen. Wenn man das betonen möchte, ist das auch in Ordnung. Die meisten, die sich abwenden, haken das ab und wenden sich anderen Dinge zu."
Die Zahl der Muslime, die in Deutschland nicht mehr nach den starren Regeln des Korans leben, ist höher als mancher Verbandsfunktionär vermutet. Das streitet Mounir Azzaoui nicht ab, der als Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Zentralrat der Muslime arbeitet. Dass das Religiöse aus dem Alltag verdrängt wurde, bedauert er. Der Glaube könnte den Menschen in einer modernen und globalisierten Welt klare Regeln, feste Werte, Halt und eine starke Identität geben.
"Wir wissen auch nicht, wofür dieser Zentralrat der Ex-Muslime steht, da diese Position doch eher antireligiös sind und eigentlich dazu beitragen will, dass die Religion aus dem öffentlich Raum verschwindet, deshalb kann ich mit dem laizistischen Staatsverständnis wenig anfangen. Ich kann immer noch nicht erkennen, wo da ein sachlicher Beitrag zur Diskussion geleistet worden ist, für mich hat es eher etwas destruktives, etwas PR-haftes. Von daher haben wir von unserer Seite kein Interesse, die Kontakte aufzubauen."
Nach Meinung des Soziologen Ulrich Beck hat jede Religion einen totalitären Kern; vor Gott seien die Menschen aus einer Religionsgemeinschaft zwar gleich, andersgläubige oder atheistische Menschen würden jedoch ausgegrenzt und verteufelt. Dass der Islam reformierbar sei, glauben Mina Ahadi und ihre Gleichgesinnten aus dem Zentralrat der Ex-Muslime indes nicht. Die islamischen Verbände in Deutschland lehnten insgeheim die Grundprinzipien einer säkular-demokratischen Lebenskultur ab. Die Bundesregierung habe einen Fehler gemacht, diese orthodoxen Verbände mit einzubinden in Fragen der Integration und sie hierdurch politisch aufgewertet zu haben. Die Gründung des Zentralrates der Ex-Muslime vor einem Jahr sei da ein längst überfälliges Signal gewesen.
"Es gibt jetzt eine Organisation in Skandinavien, eine in London und auch in Holland. Wir sind vernetzt, wir sind eine Bewegung mit viel Aufmerksamkeit. Ich wurde letztes Jahr zur Säkularist des Jahres gewählt, das ist eine Aufmerksamkeit, die wir weltweit gesehen haben. Das ist schon eine Bilanz, wir haben gesehen dieses Jahr."
Sehr viel Mut verlangt es nach wie vor, sich in aller Öffentlichkeit zum Abfall vom islamischen Glauben zu bekennen. Mina Ahadi scheute sich nicht und ist hierfür von der britischen National Secular Society ausgezeichnet worden. In den tiefgreifend säkularisierten westeuropäischen Gesellschaften steht es jedem offen, aus der Kirche auszutreten und sich zu seiner Konfessionslosigkeit zu bekennen. Dieser nachsichtige und offene Umgang mit den Abtrünnigen steht den islamischen Glaubensorganisationen noch bevor.