"Wir haben Angst um unser Leben"
Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen - Anfang der 90er-Jahre kam es in Deutschland zu einer Reihe ausländerfeindlicher Übergriffe. Die Welt blickte verstört auf das gerade wiedervereinigte Deutschland, das seine Gastarbeier und Asylbewerber offenbar nur mühsam vor rechtsradikalen Gewalttätern schützen konnte. Die erste Welle der Gewalt überrollte vor 20 Jahren Hoyerswerda.
Es beginnt mit einer Pöbelei. Am Abend des 17. September 1991 marodieren Skinheads durch die sächsische Stadt Hoyerswerda. Sie beschimpfen vietnamesische Händler, grölen Parolen, schubsen. Als die Polizei die jungen Männer vertreibt, ziehen sie zu einem Wohnheim für Gastarbeiter weiter. Dort werfen die Rechtsextremen Flaschen und Steine. Die erste Fensterscheibe geht zu Bruch. Unter den Gastarbeitern wächst die Angst. Sie waren noch zu DDR-Zeiten nach Hoyerswerda gekommen, ihre Verträge sind inzwischen ausgelaufen.
"Die wissen ganz genau, bald sind wir weg hier. Im November fliegen wir alle nach Hause. Ich sehe keinen Grund, dass die uns angreifen. Die meisten sind Kinder. 15-Jährige, die kommen von der Schule. Die wissen überhaupt nicht, wo es langgeht. Aber sie greifen uns an. Wir haben Angst um unser Leben."
Vor dem Gastarbeiterheim versammeln sich immer mehr Neonazis und ihre Sympathisanten. Die Polizei ist mit der Situation völlig überfordert. Erst nach drei Tagen kann sie das Haus sichern. Die Meute zieht nun zum Asylbewerberheim weiter. Dort kommt es am vierten Abend zu den schwersten rechtsextremen Krawallen in Deutschland seit 1945. Es fliegen Brandsätze. Rund dreißig Menschen werden verletzt. Und viele Hoyerswerdaer schauen zu, applaudieren.
"Solange, bis sie alle weg sind."
"Ich frag mich auch, was die Neger hier wollen und so. Die haben hier gar nichts zu suchen. Und fertig."
"Die sollen raus hier. Hier sind ein Haufen Arbeitslose. Und da wollen sie den Ausländern noch Arbeit geben, irgendwo. Was soll das?"
Nur wenige Anwohner versuchen, die Menschen zu beruhigen. Vergeblich. Fünf Tage nach den ersten Randalen kapituliert die Politik. Die sächsische Landesregierung lässt die Ausländer aus Hoyerswerda wegbringen - unter Polizeischutz. Einige Schaulustige raunen, Hoyerswerda sei nun "ausländerfrei".
"Hoy Woy, dir sind wir treu.
Du blasse Blume auf Sand.
Heiß, laut, staubig, dicht und verbaut.
Du schönste Stadt hier im Land."
"Hoy Woy" - fast zärtlich hat der Liedermacher Gerhard Gundermann seine Heimat in den 80er-Jahren besungen. In der DDR war Hoyerswerda Schlafstadt für die Arbeiter des Gaskombinats Schwarze Pumpe. Von 1950 bis 1980 verzehnfachte sich die Einwohnerzahl auf 70.000. Doch viele Neubauviertel blieben trist, ohne Cafés oder Theater. In der Trostlosigkeit sehen manche Sozialwissenschaftler die Ursache für die Krawalle. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf machte auch die Folgen der Wiedervereinigung verantwortlich.
"Das fängt an mit der enormen Arbeitslosigkeit, den enormen sozialen Verwerfungen in dieser Stadt. Ich habe immer damit gerechnet, dass im Zuge einer solchen Verwerfung, einer solchen Umwälzung soziale Unruhen auftreten könnten. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass sie sich gegen Ausländer richten."
Die Ausschreitungen in Hoyerswerda sind damals nur der Auftakt für eine Serie rechter Gewalt. Allein 1992 zählt die Polizei in ganz Deutschland 2600 Übergriffe gegen Ausländer. Im August belagert ein rechter Mob das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen. Drei Monate später sterben bei einem Brandanschlag in Mölln drei türkische Frauen. Die Bundesregierung verurteilt die Gewalt, stellt zugleich aber das Grundrecht auf Asyl infrage. Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister, macht sich für eine Grundgesetzänderung stark.
"Ja, wir machen doch überhaupt keine Angst. Wir sagen seit Jahr und Tag, dass es auf Dauer nicht hinzunehmen sein wird, dass das Grundrecht auf Asyl bei politischer Verfolgung immer mehr zum Tor wird, bei dem die Politik der notwendigen Zuzugsbegrenzung in der Bundesrepublik Deutschland unterlaufen wird. Und wer den Menschen eine Antwort auf ihre Sorge verweigert, macht sich genauso schuldig wie derjenige, der in seinem Reden die Folgen seines Redens nicht bedenkt."
Im Dezember 1992 beschließt die schwarz-gelbe Regierung mit den Stimmen der SPD, das Asylrecht einzuschränken. Wer über sichere Drittstaaten deutschen Boden betritt, hat keinen Anspruch auf Asyl mehr. In Hoyerswerda leben heute wieder einige Hundert Ausländer. Die Stadt bemüht sich seit den Ausschreitungen mit vielen Projekten um ein weltoffenes Image. Doch die Bilder vom September 1991 haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben.
"Die wissen ganz genau, bald sind wir weg hier. Im November fliegen wir alle nach Hause. Ich sehe keinen Grund, dass die uns angreifen. Die meisten sind Kinder. 15-Jährige, die kommen von der Schule. Die wissen überhaupt nicht, wo es langgeht. Aber sie greifen uns an. Wir haben Angst um unser Leben."
Vor dem Gastarbeiterheim versammeln sich immer mehr Neonazis und ihre Sympathisanten. Die Polizei ist mit der Situation völlig überfordert. Erst nach drei Tagen kann sie das Haus sichern. Die Meute zieht nun zum Asylbewerberheim weiter. Dort kommt es am vierten Abend zu den schwersten rechtsextremen Krawallen in Deutschland seit 1945. Es fliegen Brandsätze. Rund dreißig Menschen werden verletzt. Und viele Hoyerswerdaer schauen zu, applaudieren.
"Solange, bis sie alle weg sind."
"Ich frag mich auch, was die Neger hier wollen und so. Die haben hier gar nichts zu suchen. Und fertig."
"Die sollen raus hier. Hier sind ein Haufen Arbeitslose. Und da wollen sie den Ausländern noch Arbeit geben, irgendwo. Was soll das?"
Nur wenige Anwohner versuchen, die Menschen zu beruhigen. Vergeblich. Fünf Tage nach den ersten Randalen kapituliert die Politik. Die sächsische Landesregierung lässt die Ausländer aus Hoyerswerda wegbringen - unter Polizeischutz. Einige Schaulustige raunen, Hoyerswerda sei nun "ausländerfrei".
"Hoy Woy, dir sind wir treu.
Du blasse Blume auf Sand.
Heiß, laut, staubig, dicht und verbaut.
Du schönste Stadt hier im Land."
"Hoy Woy" - fast zärtlich hat der Liedermacher Gerhard Gundermann seine Heimat in den 80er-Jahren besungen. In der DDR war Hoyerswerda Schlafstadt für die Arbeiter des Gaskombinats Schwarze Pumpe. Von 1950 bis 1980 verzehnfachte sich die Einwohnerzahl auf 70.000. Doch viele Neubauviertel blieben trist, ohne Cafés oder Theater. In der Trostlosigkeit sehen manche Sozialwissenschaftler die Ursache für die Krawalle. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf machte auch die Folgen der Wiedervereinigung verantwortlich.
"Das fängt an mit der enormen Arbeitslosigkeit, den enormen sozialen Verwerfungen in dieser Stadt. Ich habe immer damit gerechnet, dass im Zuge einer solchen Verwerfung, einer solchen Umwälzung soziale Unruhen auftreten könnten. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass sie sich gegen Ausländer richten."
Die Ausschreitungen in Hoyerswerda sind damals nur der Auftakt für eine Serie rechter Gewalt. Allein 1992 zählt die Polizei in ganz Deutschland 2600 Übergriffe gegen Ausländer. Im August belagert ein rechter Mob das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen. Drei Monate später sterben bei einem Brandanschlag in Mölln drei türkische Frauen. Die Bundesregierung verurteilt die Gewalt, stellt zugleich aber das Grundrecht auf Asyl infrage. Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister, macht sich für eine Grundgesetzänderung stark.
"Ja, wir machen doch überhaupt keine Angst. Wir sagen seit Jahr und Tag, dass es auf Dauer nicht hinzunehmen sein wird, dass das Grundrecht auf Asyl bei politischer Verfolgung immer mehr zum Tor wird, bei dem die Politik der notwendigen Zuzugsbegrenzung in der Bundesrepublik Deutschland unterlaufen wird. Und wer den Menschen eine Antwort auf ihre Sorge verweigert, macht sich genauso schuldig wie derjenige, der in seinem Reden die Folgen seines Redens nicht bedenkt."
Im Dezember 1992 beschließt die schwarz-gelbe Regierung mit den Stimmen der SPD, das Asylrecht einzuschränken. Wer über sichere Drittstaaten deutschen Boden betritt, hat keinen Anspruch auf Asyl mehr. In Hoyerswerda leben heute wieder einige Hundert Ausländer. Die Stadt bemüht sich seit den Ausschreitungen mit vielen Projekten um ein weltoffenes Image. Doch die Bilder vom September 1991 haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben.