"Wir haben einfach mehr Individualität"
Immer mehr Deutsche kaufen ihre Bücher im Internet, die Zahl der Buchhandlungen sinkt. Doch eine Gruppe kleiner Buchhändler will sich nicht unterkriegen lassen - und hat das Projekt "Buy local" gegründet. Was sich dahinter verbirgt, erklärt der Initiator Michael Riethmüller.
Klaus Pokatzky: Der deutsche Buchmarkt ist immer noch einer der stabilsten weltweit. Das hat gestern zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse Gottfried Honnefelder gesagt, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Gottfried Honnefelder hat aber auch gesagt, dass unser Buchhandel heftig unter Druck ist. Die Zahl der Buchhandlungen, die im Börsenverein des Deutschen Buchhandels vereint sind, ist in den vergangenen zehn Jahren von gut 4600 auf rund 3500 gesunken. "Buy Local" heißt eine Kampagne von Buchhändlern, die sich nicht unterkriegen lassen wollen. Heute Nachmittag präsentiert sie sich auf der Frankfurter Buchmesse. Und ihr Initiator ist Michael Riethmüller, Inhaber der Buchhandlung RavensBuch mit Standorten in den schwäbischen Städten Ravensburg und Friedrichshafen. Guten Tag, Herr Riethmüller im Studio auf der Frankfurter Buchmesse!
Michael Riethmüller: Ja, ebenfalls guten Tag!
Pokatzky: Wie viele Mitstreiter haben Sie denn schon, wer ist dabei?
Riethmüller: Wir haben inzwischen knapp über 40 Mitstreiter, das ändert sich aber täglich. Ich denke, das wird noch ziemlich zunehmen. Es ist ja auch so, dass wir diese Initiative nicht nur auf den Buchhandel beschränken wollen, sondern auch nach der Buchmesse dem inhabergeführten Einzelhandel öffnen wollen.
Pokatzky: Weil, Sie haben so die eigentliche Gründung auch ohnehin erst in diesem Sommer gemacht. Die schon mitmachen, wo kommen die denn so her? Aus ganz Deutschland?
Riethmüller: Die kommen aus ganz Deutschland, aus Berlin, Köln, Ravensburg, aus Stuttgart, aus ganz vielen Städten.
Pokatzky: Mal zwei positive Fakten: Wir in Deutschland haben pro 17.000 Einwohner im Schnitt eine Buchhandlung. In den USA gibt es Städte mit einer halben Million Einwohnern ohne eine einzige Buchhandlung. Das ist das eine Positive. Und das Zweite: Unsere Buchverlage machen nun acht Jahre hintereinander ein Umsatzplus. Was genau will nun Ihre Buchhändler-Initiative "Buy Local" machen, um auf diesen positiven Elementen aufzubauen?
Riethmüller: Ja, wir wollen dem Kunden klarmachen, dass sie mit verantwortlich sind für das Aussehen ihrer Innenstädte. Wenn Sie vorstellen, dass doch inzwischen 15 Prozent der Bücher im Internet eingekauft werden, nicht bei den Buchhändlern auf der Website, sondern meistens bei Amazon, dann muss man einfach sagen: Wenn die Leute, die Konsumenten, wollen, dass ihre Buchhandlungen vor Ort sind, dass sie attraktiv bleiben, dann sollten sie halt auch die Bücher in den Buchhandlungen einkaufen. Attraktive Buchhandlungen kann es eben auch nur geben mit dem Kulturangebot und ihrer Vernetzung in der Stadt, wenn tatsächlich auch dort die Bücher gekauft werden.
Pokatzky: Was meinen Sie mit Kulturangebot genau? Ist das nur die klassische Lesung, die es ja immer in Buchhandlungen gegeben hat, wo Autoren vorbeigekommen sind und das besonders interessierte Publikum ihnen zu Füßen gesessen hat, oder geht das noch darüber hinaus?
Riethmüller: Allein die Tatsache, dass wir Buchläden haben mit ausgebildeten Buchhändlern, die auch was über ihre Bücher erzählen können. Ich finde das ganz wichtig. Es ist sehr trostlos, wenn Sie nur am Bildschirm sitzen und da rumklicken.
Pokatzky: Ja, jetzt gehen wir mal zum Bildschirm, jetzt gehen wir mal zum Internet: Sie haben angesprochen die 15 Prozent, die heute bei den Großbuchhandlungen oder den Versandhändlern im Internet bestellt werden. Wie nutzen Sie denn mit Ihren beiden Buchhandlungen die digitalen Möglichkeiten? Haben Sie einen wirklich ordentlichen Internetauftritt?
Riethmüller: Wir haben, glaube ich, einen sehr guten Internetauftritt. Wir kommunizieren über Newsletter unsere Veranstaltungen, wir haben einen Buchkatalog hinterlegt, da können Sie wirklich alle lieferbaren Bücher von heute auf morgen bekommen, mit Ausnahme derjenigen, die man beim Verlag bestellen muss. Aber es sind ganz wenige. Wir haben Buchtipps, wir haben unseren neuen Katalog, den wir selbst gestaltet haben, dort hinterlegt, man kann wirklich viel bei uns finden.
Und was ganz wichtig ist und was man wirklich auch mal sagen muss: Wir zeigen auch an, welche Bücher wir vorrätig haben. Also, wenn Sie drauf klicken und einen bestimmten Titel suchen, dann stellen Sie fest, aha, der ist fünf Mal in Ravensburg, drei Mal in Friedrichshafen, ich kann den eigentlich direkt dort abholen oder reservieren lassen und am nächsten Tag abholen.
Pokatzky: Die Unternehmensberaterin Ellen Braun hat auf einer der Buchhändlerseiten im Internet mal geschrieben: Auf den Internetseiten – und sie meint damit die der Buchhändler – fehlten oft die Einzigartigkeit und das Besondere, das Gesicht, das mich zum Kauf verleitet. Wenn man das macht, was alle machen, ist man als kleiner Händler verloren. Glauben Sie, dass wirklich all Ihre Kollegen da auch schon auf dem Stand der Zeit sind?
Riethmüller: Sicher nicht. Also, gerade im technischen Bereich ist es auch manchmal etwas schwierig mitzuhalten. Dafür haben wir einfach mehr Individualität. Natürlich gibt es auch die austauschbaren Buch-Shops, das ist keine Frage, aber das ist bei unseren Mitgliedern nicht die Regel.
Pokatzky: Aber wenn ich jetzt selber einfach mal so durchs Internet gehe und ich gucke mir die diversen Internetauftritte von Buchhandlungen an: Die sind teilweise so fantasielos, so unerträglich stinkend langweilig, ich muss das mal ganz deutlich sagen. Müsste da nicht zum Beispiel der Börsenverein als die Repräsentanz des deutschen Buchhandels vielleicht auch ein bisschen mehr in die Weiterbildung investieren? Oder muss da vielleicht sogar an der Ausbildung der Buchhändler was geändert werden?
Riethmüller: Also, ich glaube nicht, dass an der Ausbildung der Buchhändler was geändert werden muss, die ist sehr zeitgemäß. Es muss halt auch ankommen. Und Sie dürfen nicht ganz vergessen: So ein Internetauftritt kostet natürlich auch richtig viel Geld. Für kleine Buchhändler ist es momentan noch etwas schwierig. Es gibt inzwischen doch einige Angebote, aber Sie haben recht, da muss noch nachgerüstet werden. Aber es ist zum Beispiel auch Bestandteil unserer Statuten, dass die Buchhandlungen, die bei uns mitmachen, einen ordentlichen Webshop haben.
Pokatzky: Was gehört denn noch zu den Statuten der Buchhändler-Initiative "Buy Local", die uns im Deutschlandradio Kultur der Initiator Michael Riethmüller präsentiert? Herr Riethmüller, was gehört alles noch dazu?
Riethmüller: Ja, Sie müssen sich am kulturellen und sozialen Leben der Stadt beteiligen, das ist auch eine wichtige Sache. Wir machen sehr viele Veranstaltungen.
Pokatzky: Was haben Sie genau jetzt in Ravensburg und Friedenshafen, also, Entschuldigung, im Schwabenland, über die ganz normalen Lesungen hinaus gemacht an kulturellen Veranstaltungen? Wie haben Sie beigetragen zum kulturellen Leben in den Innenstädten dieser beiden Städte, die so zwischen 50.000 und 60.000 Einwohner haben?
Riethmüller: Ja, also, ich glaube, dass unsere Lesungen ganz wichtig und sehr gut besucht sind. Das ist nicht so nebenher, das ist ein ganz wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in der Stadt. Das sind ...
Pokatzky: Mit welchen Vereinen arbeiten Sie zusammen?
Riethmüller: Es gibt zum Beispiel einen Verein, der für andere Gelder einsammelt und die an diese verteilt. Das nennt sich Sozial-Sponsoring, Frauenhaus et cetera, et cetera, die ansonsten nicht so leicht an Spenden herankommen. Da zahlen wir jedes Jahr einen festen Beitrag. Wir sponsern die ganzen Schülerzeitungen, also, wir sorgen wirklich dafür, dass etwas in der Stadt passiert. Wir machen bei "Ravensburg spielt" als Sponsor mit ...
Pokatzky: Was ist das, "Ravensburg spielt"?
Riethmüller: "Ravensburg spielt" ist ein großes Spielefest einmal im Jahr, da ist die ganze Stadt unterwegs. Es sind Gesellschaftsspiele, das sind Sportspiele, da ist einfach alles, was mit spielen zusammenhängt, wird da angeboten, und da sind wir selbstverständlich dabei.
Pokatzky: Waren Sie schon mal so im Fußballverein oder in irgendeinem Sportverein? Vielleicht mit einem Menschen, der ein Buch über Fußball geschrieben hat, und haben da lesen lassen?
Riethmüller: Das noch nicht, aber wir haben zum Beispiel schon mal im Landgericht lesen lassen. Klar, das meiste machen wir doch bei uns in der Buchhandlung, wir wollen natürlich auch unsere Buchhandlung als Ort der Begegnung darstellen, und da bietet es sich natürlich an, dass man es in der Buchhandlung macht. Wir machen sehr viel mit Kindern, Kindergärten, Schulen kommen zu uns in die Buchhandlung, wir machen morgens, was sehr beliebt ist, immer wieder um 7:45 Uhr Lesungen in der Buchhandlung für Schüler. Das ist für die Kinder und Jugendlichen sehr attraktiv.
Pokatzky: Und wer tritt da auf?
Riethmüller: Jugendbuchautoren!
Pokatzky: Sagen Sie mal Namen, bitte!
Riethmüller: Zum Beispiel Morton Rhue war, haben wir kürzlich als Autor bei uns gehabt.
Pokatzky: Ist dieses Gütesiegel dann so was wie so ein Bio-Aufkleber bei mir im Lebensmittelladen?
Riethmüller: Ja, es geht in diese Richtung. Also, wir haben dieses Siegel entwickeln lassen und werden auch dieses Siegel auf eine Urkunde, die in der Buchhandlung hängt oder in dem Einzelhandelsgeschäft hängt, da sind die Statuten drauf, die vom Inhaber auch unterschrieben sind, sodass eigentlich Kunde und Mitarbeiter tatsächlich gucken kann: Sind die auch wirklich so gut, halten die das auch ein, wie sind die Arbeitsbedingungen, strengen die sich wirklich an, geht der fair mit seinen Mitarbeitern um?
Pokatzky: Und wer kontrolliert das dann?
Riethmüller: Das kontrolliert der Kunde, weil er es im Laden sieht. Es steht zum Beispiel auch drin, dass ein fairer Umgang mit den Kunden stattfindet. Wenn ich den Kunden bescheiße oder nicht ordentlich mit ihm umgehe, sagt er: Herr Riethmüller, was steht da eigentlich drauf, Sie haben es unterschrieben, und wie gehen Sie mit mir um? Also, wir werden selbstverpflichtet durch dieses Statut, und das finde ich ganz wichtig.
Pokatzky: Ja, aber wenn der Kunde jetzt irgendwie sich beschwert dann, dann müssen Sie doch erst mal untersuchen, ob wirklich die Buchhandlung, über die der Kunde sich jetzt beschwert, ob die tatsächlich dann sich so missverhalten hat?
Riethmüller: Gut, es ist erst mal eine Selbstverpflichtung, die im Laden stattfindet. Und die Kontrolle dieser Buchhandlung oder angeschlossenen Firmen, die muss dann über den Vorstand erfolgen. Das ist dann eine ganz andere Geschichte. Ich bin eigentlich ein Optimist und ich gehe davon aus, dass, wenn man diese Selbstverpflichtung auch aushängt, dass man sich daran hält.
Pokatzky: Sie haben jetzt 40 Mitstreiter. Was, Herr Riethmüller, glauben Sie, wie viele Mitstreiter haben Sie in einem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse?
Riethmüller: Ich denke, auf jeden Fall eine dreistellige Anzahl. Und ich gehe davon aus, dass dann auch andere inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte dabei sind. Das ist die Absicht, wir haben ja auch viele Anfragen. Ich werde zum Beispiel am 22. Oktober in Ravensburg dieses Thema vorstellen, andere Kollegen werden das in ihren Städten machen und wir werden dann die ansprechen, die in der Stadt als sogenannte Leuchttürme, als inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte gut reinpassen. Wir wollen einfach, dass unsere Regionen lebensfähig, interessant bleiben, und dazu müssen eben auch die Kunden beitragen. Die Konsumenten entscheiden eigentlich mit ihrem Kauf, wie ihre Umgebung, wie ihre Region aussehen wird. Ich kann nicht Kindergartenplätze, Kultur et cetera, et cetera fordern und dann aber mein Geld nach außen fließen lassen. Das geht irgendwo nicht.
Pokatzky: Michael Riethmüller war das von der Buchhändler-Initiative "Buy Local". Im Internet zu sehen unter buylocal.de. Vielen Dank, Herr Riethmüller, und viel Spaß noch auf der Frankfurter Buchmesse!
Riethmüller: Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Riethmüller: Ja, ebenfalls guten Tag!
Pokatzky: Wie viele Mitstreiter haben Sie denn schon, wer ist dabei?
Riethmüller: Wir haben inzwischen knapp über 40 Mitstreiter, das ändert sich aber täglich. Ich denke, das wird noch ziemlich zunehmen. Es ist ja auch so, dass wir diese Initiative nicht nur auf den Buchhandel beschränken wollen, sondern auch nach der Buchmesse dem inhabergeführten Einzelhandel öffnen wollen.
Pokatzky: Weil, Sie haben so die eigentliche Gründung auch ohnehin erst in diesem Sommer gemacht. Die schon mitmachen, wo kommen die denn so her? Aus ganz Deutschland?
Riethmüller: Die kommen aus ganz Deutschland, aus Berlin, Köln, Ravensburg, aus Stuttgart, aus ganz vielen Städten.
Pokatzky: Mal zwei positive Fakten: Wir in Deutschland haben pro 17.000 Einwohner im Schnitt eine Buchhandlung. In den USA gibt es Städte mit einer halben Million Einwohnern ohne eine einzige Buchhandlung. Das ist das eine Positive. Und das Zweite: Unsere Buchverlage machen nun acht Jahre hintereinander ein Umsatzplus. Was genau will nun Ihre Buchhändler-Initiative "Buy Local" machen, um auf diesen positiven Elementen aufzubauen?
Riethmüller: Ja, wir wollen dem Kunden klarmachen, dass sie mit verantwortlich sind für das Aussehen ihrer Innenstädte. Wenn Sie vorstellen, dass doch inzwischen 15 Prozent der Bücher im Internet eingekauft werden, nicht bei den Buchhändlern auf der Website, sondern meistens bei Amazon, dann muss man einfach sagen: Wenn die Leute, die Konsumenten, wollen, dass ihre Buchhandlungen vor Ort sind, dass sie attraktiv bleiben, dann sollten sie halt auch die Bücher in den Buchhandlungen einkaufen. Attraktive Buchhandlungen kann es eben auch nur geben mit dem Kulturangebot und ihrer Vernetzung in der Stadt, wenn tatsächlich auch dort die Bücher gekauft werden.
Pokatzky: Was meinen Sie mit Kulturangebot genau? Ist das nur die klassische Lesung, die es ja immer in Buchhandlungen gegeben hat, wo Autoren vorbeigekommen sind und das besonders interessierte Publikum ihnen zu Füßen gesessen hat, oder geht das noch darüber hinaus?
Riethmüller: Allein die Tatsache, dass wir Buchläden haben mit ausgebildeten Buchhändlern, die auch was über ihre Bücher erzählen können. Ich finde das ganz wichtig. Es ist sehr trostlos, wenn Sie nur am Bildschirm sitzen und da rumklicken.
Pokatzky: Ja, jetzt gehen wir mal zum Bildschirm, jetzt gehen wir mal zum Internet: Sie haben angesprochen die 15 Prozent, die heute bei den Großbuchhandlungen oder den Versandhändlern im Internet bestellt werden. Wie nutzen Sie denn mit Ihren beiden Buchhandlungen die digitalen Möglichkeiten? Haben Sie einen wirklich ordentlichen Internetauftritt?
Riethmüller: Wir haben, glaube ich, einen sehr guten Internetauftritt. Wir kommunizieren über Newsletter unsere Veranstaltungen, wir haben einen Buchkatalog hinterlegt, da können Sie wirklich alle lieferbaren Bücher von heute auf morgen bekommen, mit Ausnahme derjenigen, die man beim Verlag bestellen muss. Aber es sind ganz wenige. Wir haben Buchtipps, wir haben unseren neuen Katalog, den wir selbst gestaltet haben, dort hinterlegt, man kann wirklich viel bei uns finden.
Und was ganz wichtig ist und was man wirklich auch mal sagen muss: Wir zeigen auch an, welche Bücher wir vorrätig haben. Also, wenn Sie drauf klicken und einen bestimmten Titel suchen, dann stellen Sie fest, aha, der ist fünf Mal in Ravensburg, drei Mal in Friedrichshafen, ich kann den eigentlich direkt dort abholen oder reservieren lassen und am nächsten Tag abholen.
Pokatzky: Die Unternehmensberaterin Ellen Braun hat auf einer der Buchhändlerseiten im Internet mal geschrieben: Auf den Internetseiten – und sie meint damit die der Buchhändler – fehlten oft die Einzigartigkeit und das Besondere, das Gesicht, das mich zum Kauf verleitet. Wenn man das macht, was alle machen, ist man als kleiner Händler verloren. Glauben Sie, dass wirklich all Ihre Kollegen da auch schon auf dem Stand der Zeit sind?
Riethmüller: Sicher nicht. Also, gerade im technischen Bereich ist es auch manchmal etwas schwierig mitzuhalten. Dafür haben wir einfach mehr Individualität. Natürlich gibt es auch die austauschbaren Buch-Shops, das ist keine Frage, aber das ist bei unseren Mitgliedern nicht die Regel.
Pokatzky: Aber wenn ich jetzt selber einfach mal so durchs Internet gehe und ich gucke mir die diversen Internetauftritte von Buchhandlungen an: Die sind teilweise so fantasielos, so unerträglich stinkend langweilig, ich muss das mal ganz deutlich sagen. Müsste da nicht zum Beispiel der Börsenverein als die Repräsentanz des deutschen Buchhandels vielleicht auch ein bisschen mehr in die Weiterbildung investieren? Oder muss da vielleicht sogar an der Ausbildung der Buchhändler was geändert werden?
Riethmüller: Also, ich glaube nicht, dass an der Ausbildung der Buchhändler was geändert werden muss, die ist sehr zeitgemäß. Es muss halt auch ankommen. Und Sie dürfen nicht ganz vergessen: So ein Internetauftritt kostet natürlich auch richtig viel Geld. Für kleine Buchhändler ist es momentan noch etwas schwierig. Es gibt inzwischen doch einige Angebote, aber Sie haben recht, da muss noch nachgerüstet werden. Aber es ist zum Beispiel auch Bestandteil unserer Statuten, dass die Buchhandlungen, die bei uns mitmachen, einen ordentlichen Webshop haben.
Pokatzky: Was gehört denn noch zu den Statuten der Buchhändler-Initiative "Buy Local", die uns im Deutschlandradio Kultur der Initiator Michael Riethmüller präsentiert? Herr Riethmüller, was gehört alles noch dazu?
Riethmüller: Ja, Sie müssen sich am kulturellen und sozialen Leben der Stadt beteiligen, das ist auch eine wichtige Sache. Wir machen sehr viele Veranstaltungen.
Pokatzky: Was haben Sie genau jetzt in Ravensburg und Friedenshafen, also, Entschuldigung, im Schwabenland, über die ganz normalen Lesungen hinaus gemacht an kulturellen Veranstaltungen? Wie haben Sie beigetragen zum kulturellen Leben in den Innenstädten dieser beiden Städte, die so zwischen 50.000 und 60.000 Einwohner haben?
Riethmüller: Ja, also, ich glaube, dass unsere Lesungen ganz wichtig und sehr gut besucht sind. Das ist nicht so nebenher, das ist ein ganz wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in der Stadt. Das sind ...
Pokatzky: Mit welchen Vereinen arbeiten Sie zusammen?
Riethmüller: Es gibt zum Beispiel einen Verein, der für andere Gelder einsammelt und die an diese verteilt. Das nennt sich Sozial-Sponsoring, Frauenhaus et cetera, et cetera, die ansonsten nicht so leicht an Spenden herankommen. Da zahlen wir jedes Jahr einen festen Beitrag. Wir sponsern die ganzen Schülerzeitungen, also, wir sorgen wirklich dafür, dass etwas in der Stadt passiert. Wir machen bei "Ravensburg spielt" als Sponsor mit ...
Pokatzky: Was ist das, "Ravensburg spielt"?
Riethmüller: "Ravensburg spielt" ist ein großes Spielefest einmal im Jahr, da ist die ganze Stadt unterwegs. Es sind Gesellschaftsspiele, das sind Sportspiele, da ist einfach alles, was mit spielen zusammenhängt, wird da angeboten, und da sind wir selbstverständlich dabei.
Pokatzky: Waren Sie schon mal so im Fußballverein oder in irgendeinem Sportverein? Vielleicht mit einem Menschen, der ein Buch über Fußball geschrieben hat, und haben da lesen lassen?
Riethmüller: Das noch nicht, aber wir haben zum Beispiel schon mal im Landgericht lesen lassen. Klar, das meiste machen wir doch bei uns in der Buchhandlung, wir wollen natürlich auch unsere Buchhandlung als Ort der Begegnung darstellen, und da bietet es sich natürlich an, dass man es in der Buchhandlung macht. Wir machen sehr viel mit Kindern, Kindergärten, Schulen kommen zu uns in die Buchhandlung, wir machen morgens, was sehr beliebt ist, immer wieder um 7:45 Uhr Lesungen in der Buchhandlung für Schüler. Das ist für die Kinder und Jugendlichen sehr attraktiv.
Pokatzky: Und wer tritt da auf?
Riethmüller: Jugendbuchautoren!
Pokatzky: Sagen Sie mal Namen, bitte!
Riethmüller: Zum Beispiel Morton Rhue war, haben wir kürzlich als Autor bei uns gehabt.
Pokatzky: Ist dieses Gütesiegel dann so was wie so ein Bio-Aufkleber bei mir im Lebensmittelladen?
Riethmüller: Ja, es geht in diese Richtung. Also, wir haben dieses Siegel entwickeln lassen und werden auch dieses Siegel auf eine Urkunde, die in der Buchhandlung hängt oder in dem Einzelhandelsgeschäft hängt, da sind die Statuten drauf, die vom Inhaber auch unterschrieben sind, sodass eigentlich Kunde und Mitarbeiter tatsächlich gucken kann: Sind die auch wirklich so gut, halten die das auch ein, wie sind die Arbeitsbedingungen, strengen die sich wirklich an, geht der fair mit seinen Mitarbeitern um?
Pokatzky: Und wer kontrolliert das dann?
Riethmüller: Das kontrolliert der Kunde, weil er es im Laden sieht. Es steht zum Beispiel auch drin, dass ein fairer Umgang mit den Kunden stattfindet. Wenn ich den Kunden bescheiße oder nicht ordentlich mit ihm umgehe, sagt er: Herr Riethmüller, was steht da eigentlich drauf, Sie haben es unterschrieben, und wie gehen Sie mit mir um? Also, wir werden selbstverpflichtet durch dieses Statut, und das finde ich ganz wichtig.
Pokatzky: Ja, aber wenn der Kunde jetzt irgendwie sich beschwert dann, dann müssen Sie doch erst mal untersuchen, ob wirklich die Buchhandlung, über die der Kunde sich jetzt beschwert, ob die tatsächlich dann sich so missverhalten hat?
Riethmüller: Gut, es ist erst mal eine Selbstverpflichtung, die im Laden stattfindet. Und die Kontrolle dieser Buchhandlung oder angeschlossenen Firmen, die muss dann über den Vorstand erfolgen. Das ist dann eine ganz andere Geschichte. Ich bin eigentlich ein Optimist und ich gehe davon aus, dass, wenn man diese Selbstverpflichtung auch aushängt, dass man sich daran hält.
Pokatzky: Sie haben jetzt 40 Mitstreiter. Was, Herr Riethmüller, glauben Sie, wie viele Mitstreiter haben Sie in einem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse?
Riethmüller: Ich denke, auf jeden Fall eine dreistellige Anzahl. Und ich gehe davon aus, dass dann auch andere inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte dabei sind. Das ist die Absicht, wir haben ja auch viele Anfragen. Ich werde zum Beispiel am 22. Oktober in Ravensburg dieses Thema vorstellen, andere Kollegen werden das in ihren Städten machen und wir werden dann die ansprechen, die in der Stadt als sogenannte Leuchttürme, als inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte gut reinpassen. Wir wollen einfach, dass unsere Regionen lebensfähig, interessant bleiben, und dazu müssen eben auch die Kunden beitragen. Die Konsumenten entscheiden eigentlich mit ihrem Kauf, wie ihre Umgebung, wie ihre Region aussehen wird. Ich kann nicht Kindergartenplätze, Kultur et cetera, et cetera fordern und dann aber mein Geld nach außen fließen lassen. Das geht irgendwo nicht.
Pokatzky: Michael Riethmüller war das von der Buchhändler-Initiative "Buy Local". Im Internet zu sehen unter buylocal.de. Vielen Dank, Herr Riethmüller, und viel Spaß noch auf der Frankfurter Buchmesse!
Riethmüller: Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.