"Wir haben mindestens 250 Guttenbergs jährlich"
Angesichts neuer Plagiatsvorwürfe bei der Erstellung von Doktorarbeiten - diesmal gegen die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin oder die Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten, Veronika Stoiber-Sass - rechnet der Medienwissenschaftler und "Plagiatsjäger" Stefan Weber mit dem Wissenschaftsbetrieb und seinen schlechten Gewohnheiten ab.
Er bemängelte die wachsende Zahl von Promotionen, die den wissenschaftlichen Qualitätsstandards einfach nicht mehr entspreche. Diesen Arbeiten fehle der eigene forschende Ansatz - der "eigene Kontext" und der "eigene Sinnrahmen", wie Weber sagte. Diese Arbeiten erschöpften sich darin, "Dinge zu rezitieren, wie sie im Jahre X waren", ohne dass daraus eigene Schlüsse gezogen würden.
Außerdem werde an den Universitäten oft schlampig gearbeitet. In der Doktorarbeit von Silvana Koch-Mehrin gebe es beispielsweise immer wieder Stellen, die nicht mit Quellen belegt seien - das müsse einem Gutachter einfach sofort als wissenschaftliche Schludrigkeit ins Auge fallen, sagte Weber.
Wörtlich sagte er: "Hier wurden ja Fakten referiert, Jahreszahlen, Mengenangaben, also quantitative Daten oder Daten aus der Geschichte, und die müssten ja belegt werden und die müssten ja auch in einen Kontext eingeordnet werden. Wenn das nicht passiert, ist das ja alles ein zusammengeschustertes Text-Blendwerk. Und insofern würde jeder Riecher hier sofort anschlagen, gerade auch bei der Arbeit von der Frau Koch-Mehrin".
Er könne nur davon ausgehen, dass solche Promotionen auch von den Doktorvätern höchstens kurz überflogen worden seien - sie hätten "sicherlich nie eine Art Tiefenrecherche in diese Arbeiten betrieben", sonst hätten sie die Mängel bemerken müssen.
Weber quantifizierte die Zahl solcher aus fremden Quellen "zusammengeflickten" Doktorarbeiten mit etwa ein Prozent. "Wir haben jährlich mindestens 250 Guttenbergs in Deutschland, mindestens" - bei rund 25.000 eingereichten Doktorarbeiten pro Jahr. "Das sind die Hardcore-Plagiate", so der Medienwissenschaftler. Hinzu komme noch ein einstelliger Prozentsatz von Teilplagiaten, "in denen so inkorrekt zitiert wurde, dass diese Arbeiten eigentlich gar nicht anschlussfähig sind".
Außerdem betonte Weber: "Hinter jedem Plagiat steckt auch ein Ghostwriter-Verdacht." Die "empirische Frage" sei doch - "Kann man sich vorstellen, dass Guttenberg, Koch-Mehrin und Co. hier im stillen Kämmerlein spät abends gestresst sitzen, vom Beruf heimkommen, vom anstrengenden Arbeitstag, und ein bisserl abschreiben und ein bisserl umschreiben? Das ist ja auch ein bisschen eine unwahrscheinliche Vorstellung."
Doktorarbeiten seien zudem einfach zu lang. "Bitte machen wir doch die Arbeiten kürzer, von 400 auf 100 Seiten, und dafür möchte ich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema." Das sei einfach viel vernünftiger, sagte Stefan Weber.
Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 20.9.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Links bei dradio.de:
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"Es ist so einfach, Plagiate zu finden" - Wissenschaftlerin Weber-Wulff plädiert für "organisierten Skeptizismus"
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Außerdem werde an den Universitäten oft schlampig gearbeitet. In der Doktorarbeit von Silvana Koch-Mehrin gebe es beispielsweise immer wieder Stellen, die nicht mit Quellen belegt seien - das müsse einem Gutachter einfach sofort als wissenschaftliche Schludrigkeit ins Auge fallen, sagte Weber.
Wörtlich sagte er: "Hier wurden ja Fakten referiert, Jahreszahlen, Mengenangaben, also quantitative Daten oder Daten aus der Geschichte, und die müssten ja belegt werden und die müssten ja auch in einen Kontext eingeordnet werden. Wenn das nicht passiert, ist das ja alles ein zusammengeschustertes Text-Blendwerk. Und insofern würde jeder Riecher hier sofort anschlagen, gerade auch bei der Arbeit von der Frau Koch-Mehrin".
Er könne nur davon ausgehen, dass solche Promotionen auch von den Doktorvätern höchstens kurz überflogen worden seien - sie hätten "sicherlich nie eine Art Tiefenrecherche in diese Arbeiten betrieben", sonst hätten sie die Mängel bemerken müssen.
Weber quantifizierte die Zahl solcher aus fremden Quellen "zusammengeflickten" Doktorarbeiten mit etwa ein Prozent. "Wir haben jährlich mindestens 250 Guttenbergs in Deutschland, mindestens" - bei rund 25.000 eingereichten Doktorarbeiten pro Jahr. "Das sind die Hardcore-Plagiate", so der Medienwissenschaftler. Hinzu komme noch ein einstelliger Prozentsatz von Teilplagiaten, "in denen so inkorrekt zitiert wurde, dass diese Arbeiten eigentlich gar nicht anschlussfähig sind".
Außerdem betonte Weber: "Hinter jedem Plagiat steckt auch ein Ghostwriter-Verdacht." Die "empirische Frage" sei doch - "Kann man sich vorstellen, dass Guttenberg, Koch-Mehrin und Co. hier im stillen Kämmerlein spät abends gestresst sitzen, vom Beruf heimkommen, vom anstrengenden Arbeitstag, und ein bisserl abschreiben und ein bisserl umschreiben? Das ist ja auch ein bisschen eine unwahrscheinliche Vorstellung."
Doktorarbeiten seien zudem einfach zu lang. "Bitte machen wir doch die Arbeiten kürzer, von 400 auf 100 Seiten, und dafür möchte ich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema." Das sei einfach viel vernünftiger, sagte Stefan Weber.
Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 20.9.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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