"Wir müssen da mehr investieren"
In zehn Jahren wird es in Deutschland 3,4 Millionen pflegebedürftige Menschen geben. Die neue Bundesregierung müsse daher Kommunen, Länder und Krankenversicherungen an einen Tisch bringen, um die Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen zu verbessern, fordert der Pflegeforscher Frank Weidner. Es werde mehr Personal benötigt, aber auch eine angemessene Bezahlung.
Nana Brink: Allein diese Zahl reicht, um zu zeigen, dass wir eigentlich keine Zeit mehr verlieren dürfen: In zehn Jahren wird es in Deutschland 3,4 Millionen pflegebedürftige Menschen geben, das sind eine Million mehr als heute. Diese Zahl war auch der letzten Regierung eigentlich klar und sie hat 2009 im Koalitionsvertrag große Reformen versprochen.
Zum Beispiel sollte da die Altenpflege attraktiver werden oder die Ausbildung reformiert werden. Herausgekommen ist Stückwerk, wie die Familienpflegezeit oder mehr Geld für Demenzkranke. Alles nicht genug, findet Professor Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung.
Einen schönen guten Morgen, Herr Weidner!
Frank Weidner: Ja, einen schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wenn Sie jetzt für die neue Regierung ein 100-Tage-Programm entwerfen müssten, was müsste denn da drin stehen?
Weidner: Ja, da wollen wir mal hoffen, dass 100 Tage dazu ausreichen. Sie haben es ja gesagt, es ist sehr viel zu tun. Aber ganz dringlich ist sicherlich, an die Arbeitsbedingungen heranzugehen, unter denen die in der Pflege Beschäftigten derzeit arbeiten müssen, das ist wirklich auch liegen geblieben.
Und da gibt es ja auch Vorschläge, etwas zu machen. Aber das schaffen die Tarifpartner nicht alleine, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, da muss es wirklich eine konzertierte Aktion geben. Das würde ich auch als Erstes anraten. Das heißt, die Politik, die Bundesregierung, die Länder, die Kommunen, die Versicherungen, Krankenversicherungen an einen Tisch bringen und wirklich schauen, was man machen kann, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern der in der Pflege Beschäftigten.
Das heißt, mehr Personal muss da rein und vor allen Dingen auch leistungsgerechte Vergütung. Das kostet etwas, aber das ist unabdingbar, um da überhaupt wirklich mal die Kurve zu kriegen. Und das Weitere ist, natürlich müssen wir an die Pflegereform rangehen und wir müssen auch die Ausbildungsreform machen, all das, was liegen geblieben ist in der letzten Legislatur.
Brink: Fangen wir mal mit dem Ersten an, was Sie angesprochen haben, Stichwort Pflegeberufe. Tausende Stellen für Krankenpfleger können ja in deutschen Kliniken nicht besetzt werden. Man wundert sich nicht, das Image dieses Berufes ist ja denkbar schlecht, geringe Bezahlung, hohe Belastung, keine Perspektive. Was muss da vonseiten der Politik gemacht werden? Habe ich Sie richtig verstanden, die Politik muss das eigentlich moderieren zwischen den einzelnen Partnern?
Weidner: Ja, grundsätzlich auf jeden Fall. Weil das ist wirklich ein Kernproblem, das sitzt viel tiefer als das, was wir ja allenthalben lesen, immer aus dem Ausland Fachkräfte zu gewinnen. Das ist ja nicht falsch, aber das geht an der eigentlichen Hausaufgabe, die gemacht werden muss, vorbei.
Wir müssen begreifen, dass wir insgesamt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der ja wirklich läuft, mehr Geld in die Hand nehmen müssen, und das muss auch ankommen in der Pflege. Und dann natürlich auch bei den Pflegebedürftigen und bei den Patienten. Insgesamt fängt die Stärkung der Attraktivität auch damit an, dass Arbeitsbedingungen so sind, dass man in diesem Beruf gerne arbeitet, gut seine Aufgaben erledigen kann und auch bis zur Rente sozusagen arbeiten kann. Das sind ja wirklich viele Herausforderungen, die da angegangen werden müssen. Deswegen konzertierte Aktion.
Brink: Also mehr Geld auch, es muss klar sein, wir müssen dafür mehr Geld auch im Haushalt einräumen?
Weidner: Das ist richtig. Wenn Sie das vergleichen mit anderen Ländern, Deutschland hat einen sehr starken demografischen Wandel vor der Brust, viel stärker als andere europäische Länder, gibt aber im Vergleich zu Niederlande, zu Skandinavien, Großbritannien, Frankreich erheblich weniger Geld für die Pflege aus. Da müssen wir einfach verstehen, dass das nicht geht, wir müssen da mehr investieren, um da wirklich voranzukommen.
Brink: Ich habe nur immer den Eindruck, dass dieser Mentalitätswechsel, dieser Wandel auch noch nicht angekommen ist!
Weidner: Ja, das scheint so zu sein. Das heißt, bei den Menschen schon, es sind ja wirklich Millionen von Menschen beschäftigt mit der Frage, den Pflegebedürftigen, Familienangehörigen zu versorgen oder eben dem Pflegeberuf nachzugehen. In der Politik wird dem Thema noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. In der letzten Legislatur ist sogar die Pflege meines Erachtens nach sträflich vernachlässigt worden. Und das muss anders werden, das würde ich der neuen Bundesregierung auf jeden Fall ins Stammbuch schreiben.
Brink: Bleiben wir noch mal bei der Pflegesituation auch, Sie haben ja da das Stichwort geliefert: Familienministerin Schröder, also die letzte, hat ja einen Vorstoß in Richtung Familienpflege gemacht, da kann man jetzt zwei Jahre in Anspruch nehmen, da wird zwar der Lohn herabgesetzt, aber es gibt keinen Rechtsanspruch. Ist das trotzdem ein richtiger Weg?
Weidner: Na ja, die Thematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das ist ja eigentlich das Kernthema, eben nicht nur für die Kinderbetreuung, das ist in der letzten Zeit doch intensiv auch besprochen worden, da gibt es auch einige gute oder schlechte Lösungen. Aber das Gleiche gilt auch für die Pflege, das sollte man anschauen. Deswegen, die Grundüberlegung ist richtig, aber was dann daraus entstanden ist, ist schlichtweg Murks, das muss man einfach mal klar sagen, das kommt bei den Menschen nicht an. Das Gesetz gilt seit Anfang 2012, einige Hundert Menschen haben davon Gebrauch gemacht. Und das ist symptomatisch gewesen.
Brink: Was ist denn da Murks dran?
Weidner: Murks ist daran, weil es eben keinen Rechtsanspruch gibt, weil es eine hohe bürokratische Hürde gibt und weil es nicht passt, zu dem, was die Menschen erleben. Dass man sich zwei Jahre kümmert und dann geht man wieder in den Beruf zurück! Wir haben erheblich längere Zeiten, die man organisieren muss, und insofern geht es an den Bedürfnissen der Menschen einfach vorbei.
Brink: Aber jetzt mal ganz praktisch gefragt: Wie kann man denn Arbeitgeber davon überzeugen, dass jemand freigestellt wird und dann noch einen bestimmten Prozentsatz an Lohn bekommt? Das muss man ja dann auch politisch begleiten, wie kann man das lösen?
Weidner: Das ist richtig, das sind sicherlich besondere Herausforderungen. Aber wenn es keinen Rechtsanspruch gibt, dann ist das natürlich wirklich in die Hände derjenigen vor Ort gelegt. Nein, es ist eben auch nicht nur der Arbeitgeber, es ist sozusagen das gesamte System außen herum. Wenn wir uns das anschauen: Das Pflegegeld kommt bei den Menschen an, auch die ambulante Pflege ist vor Ort, aber alle Leistungen, die außen rum die pflegenden Angehörigen entlasten sollen, kommen auch heute schon nicht wirklich an bei den pflegenden Angehörigen. Und das muss man sich gesamt anschauen und da muss man die Arbeitgeber einbeziehen, und dann muss es auch längere Zeit, müssen auch möglich sein, das aufzuteilen und flexibler zu handhaben, aber mit einem Rechtsanspruch zu verbinden.
Brink: Es muss dann so was wie ein Elterngeld oder auch einen Rechtsanspruch wie auf einen Kindertagesstättenplatz geben, also so was Vergleichbares, damit wir das mal ein bisschen plastisch machen?
Weidner: Selbstverständlich, genau das, was wir diskutieren, Kindertagesstätten, Tagespflege für ältere Menschen nicht weiter als drei Kilometer vom Wohnort entfernt oder eben beim Arbeitgeber angesiedelt. Warum denn nicht, das ist doch ganz klar, dass wir das brauchen!
Brink: Sie arbeiten ja nun wissenschaftlich auch an diesem Phänomen, an diesem ganzen Komplex Pflege und machen sich bestimmt auch Gedanken über die Finanzierung?
Weidner: Ja, natürlich. Die Finanzierung ist eine Kernthematik. Ich sagte ja gerade schon, dass wir insgesamt mehr Geld im System brauchen, da liegen ja auch verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Also, eine breitere Basis zu schaffen, andere Formen, also Bürgerversicherung etwa, und damit mehr Menschen zu beteiligen. So oder so müssen wir mehr Geld ins System bringen, das heißt, die Beiträge werden steigen.
Aber das werden die Menschen - da bin ich mir sicher in vielen Gesprächen, auch aus Studien - auch mitmachen, wenn sie sicher sind, dass es ankommt bei den Pflegebedürftigen, bei ihren Menschen. Denn es geht um eine verbesserte, auch eine menschenwürdigere Versorgungssituation, insbesondere natürlich für die demenzerkrankten Menschen, die bisher von der derzeitigen Pflegeversicherung natürlich noch nicht so erfasst werden.
Brink: Also, Sie denken, eine Anhebung der Pflegesätze ist politisch auch zu vermitteln?
Weidner: Ja, auf jeden Fall, wenn man es als Gesamtkonzept vermittelt. Dann gehen die Menschen mit, das wissen wir aus anderen Ländern auch. Die zahlen Steuern, die Schweden zahlen höhere Steuern und wissen auch, dass sie eine erheblich bessere und verlässlichere Pflegesituation da haben als das, was wir momentan häufig gerade in ländlichen Regionen bei uns haben.
Brink: Professor Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung. Schönen Dank, Herr Weidner, dass Sie mit uns gesprochen haben!
Weidner: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Zum Beispiel sollte da die Altenpflege attraktiver werden oder die Ausbildung reformiert werden. Herausgekommen ist Stückwerk, wie die Familienpflegezeit oder mehr Geld für Demenzkranke. Alles nicht genug, findet Professor Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung.
Einen schönen guten Morgen, Herr Weidner!
Frank Weidner: Ja, einen schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wenn Sie jetzt für die neue Regierung ein 100-Tage-Programm entwerfen müssten, was müsste denn da drin stehen?
Weidner: Ja, da wollen wir mal hoffen, dass 100 Tage dazu ausreichen. Sie haben es ja gesagt, es ist sehr viel zu tun. Aber ganz dringlich ist sicherlich, an die Arbeitsbedingungen heranzugehen, unter denen die in der Pflege Beschäftigten derzeit arbeiten müssen, das ist wirklich auch liegen geblieben.
Und da gibt es ja auch Vorschläge, etwas zu machen. Aber das schaffen die Tarifpartner nicht alleine, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, da muss es wirklich eine konzertierte Aktion geben. Das würde ich auch als Erstes anraten. Das heißt, die Politik, die Bundesregierung, die Länder, die Kommunen, die Versicherungen, Krankenversicherungen an einen Tisch bringen und wirklich schauen, was man machen kann, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern der in der Pflege Beschäftigten.
Das heißt, mehr Personal muss da rein und vor allen Dingen auch leistungsgerechte Vergütung. Das kostet etwas, aber das ist unabdingbar, um da überhaupt wirklich mal die Kurve zu kriegen. Und das Weitere ist, natürlich müssen wir an die Pflegereform rangehen und wir müssen auch die Ausbildungsreform machen, all das, was liegen geblieben ist in der letzten Legislatur.
Brink: Fangen wir mal mit dem Ersten an, was Sie angesprochen haben, Stichwort Pflegeberufe. Tausende Stellen für Krankenpfleger können ja in deutschen Kliniken nicht besetzt werden. Man wundert sich nicht, das Image dieses Berufes ist ja denkbar schlecht, geringe Bezahlung, hohe Belastung, keine Perspektive. Was muss da vonseiten der Politik gemacht werden? Habe ich Sie richtig verstanden, die Politik muss das eigentlich moderieren zwischen den einzelnen Partnern?
Weidner: Ja, grundsätzlich auf jeden Fall. Weil das ist wirklich ein Kernproblem, das sitzt viel tiefer als das, was wir ja allenthalben lesen, immer aus dem Ausland Fachkräfte zu gewinnen. Das ist ja nicht falsch, aber das geht an der eigentlichen Hausaufgabe, die gemacht werden muss, vorbei.
Wir müssen begreifen, dass wir insgesamt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der ja wirklich läuft, mehr Geld in die Hand nehmen müssen, und das muss auch ankommen in der Pflege. Und dann natürlich auch bei den Pflegebedürftigen und bei den Patienten. Insgesamt fängt die Stärkung der Attraktivität auch damit an, dass Arbeitsbedingungen so sind, dass man in diesem Beruf gerne arbeitet, gut seine Aufgaben erledigen kann und auch bis zur Rente sozusagen arbeiten kann. Das sind ja wirklich viele Herausforderungen, die da angegangen werden müssen. Deswegen konzertierte Aktion.
Brink: Also mehr Geld auch, es muss klar sein, wir müssen dafür mehr Geld auch im Haushalt einräumen?
Weidner: Das ist richtig. Wenn Sie das vergleichen mit anderen Ländern, Deutschland hat einen sehr starken demografischen Wandel vor der Brust, viel stärker als andere europäische Länder, gibt aber im Vergleich zu Niederlande, zu Skandinavien, Großbritannien, Frankreich erheblich weniger Geld für die Pflege aus. Da müssen wir einfach verstehen, dass das nicht geht, wir müssen da mehr investieren, um da wirklich voranzukommen.
Brink: Ich habe nur immer den Eindruck, dass dieser Mentalitätswechsel, dieser Wandel auch noch nicht angekommen ist!
Weidner: Ja, das scheint so zu sein. Das heißt, bei den Menschen schon, es sind ja wirklich Millionen von Menschen beschäftigt mit der Frage, den Pflegebedürftigen, Familienangehörigen zu versorgen oder eben dem Pflegeberuf nachzugehen. In der Politik wird dem Thema noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. In der letzten Legislatur ist sogar die Pflege meines Erachtens nach sträflich vernachlässigt worden. Und das muss anders werden, das würde ich der neuen Bundesregierung auf jeden Fall ins Stammbuch schreiben.
Brink: Bleiben wir noch mal bei der Pflegesituation auch, Sie haben ja da das Stichwort geliefert: Familienministerin Schröder, also die letzte, hat ja einen Vorstoß in Richtung Familienpflege gemacht, da kann man jetzt zwei Jahre in Anspruch nehmen, da wird zwar der Lohn herabgesetzt, aber es gibt keinen Rechtsanspruch. Ist das trotzdem ein richtiger Weg?
Weidner: Na ja, die Thematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das ist ja eigentlich das Kernthema, eben nicht nur für die Kinderbetreuung, das ist in der letzten Zeit doch intensiv auch besprochen worden, da gibt es auch einige gute oder schlechte Lösungen. Aber das Gleiche gilt auch für die Pflege, das sollte man anschauen. Deswegen, die Grundüberlegung ist richtig, aber was dann daraus entstanden ist, ist schlichtweg Murks, das muss man einfach mal klar sagen, das kommt bei den Menschen nicht an. Das Gesetz gilt seit Anfang 2012, einige Hundert Menschen haben davon Gebrauch gemacht. Und das ist symptomatisch gewesen.
Brink: Was ist denn da Murks dran?
Weidner: Murks ist daran, weil es eben keinen Rechtsanspruch gibt, weil es eine hohe bürokratische Hürde gibt und weil es nicht passt, zu dem, was die Menschen erleben. Dass man sich zwei Jahre kümmert und dann geht man wieder in den Beruf zurück! Wir haben erheblich längere Zeiten, die man organisieren muss, und insofern geht es an den Bedürfnissen der Menschen einfach vorbei.
Brink: Aber jetzt mal ganz praktisch gefragt: Wie kann man denn Arbeitgeber davon überzeugen, dass jemand freigestellt wird und dann noch einen bestimmten Prozentsatz an Lohn bekommt? Das muss man ja dann auch politisch begleiten, wie kann man das lösen?
Weidner: Das ist richtig, das sind sicherlich besondere Herausforderungen. Aber wenn es keinen Rechtsanspruch gibt, dann ist das natürlich wirklich in die Hände derjenigen vor Ort gelegt. Nein, es ist eben auch nicht nur der Arbeitgeber, es ist sozusagen das gesamte System außen herum. Wenn wir uns das anschauen: Das Pflegegeld kommt bei den Menschen an, auch die ambulante Pflege ist vor Ort, aber alle Leistungen, die außen rum die pflegenden Angehörigen entlasten sollen, kommen auch heute schon nicht wirklich an bei den pflegenden Angehörigen. Und das muss man sich gesamt anschauen und da muss man die Arbeitgeber einbeziehen, und dann muss es auch längere Zeit, müssen auch möglich sein, das aufzuteilen und flexibler zu handhaben, aber mit einem Rechtsanspruch zu verbinden.
Brink: Es muss dann so was wie ein Elterngeld oder auch einen Rechtsanspruch wie auf einen Kindertagesstättenplatz geben, also so was Vergleichbares, damit wir das mal ein bisschen plastisch machen?
Weidner: Selbstverständlich, genau das, was wir diskutieren, Kindertagesstätten, Tagespflege für ältere Menschen nicht weiter als drei Kilometer vom Wohnort entfernt oder eben beim Arbeitgeber angesiedelt. Warum denn nicht, das ist doch ganz klar, dass wir das brauchen!
Brink: Sie arbeiten ja nun wissenschaftlich auch an diesem Phänomen, an diesem ganzen Komplex Pflege und machen sich bestimmt auch Gedanken über die Finanzierung?
Weidner: Ja, natürlich. Die Finanzierung ist eine Kernthematik. Ich sagte ja gerade schon, dass wir insgesamt mehr Geld im System brauchen, da liegen ja auch verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Also, eine breitere Basis zu schaffen, andere Formen, also Bürgerversicherung etwa, und damit mehr Menschen zu beteiligen. So oder so müssen wir mehr Geld ins System bringen, das heißt, die Beiträge werden steigen.
Aber das werden die Menschen - da bin ich mir sicher in vielen Gesprächen, auch aus Studien - auch mitmachen, wenn sie sicher sind, dass es ankommt bei den Pflegebedürftigen, bei ihren Menschen. Denn es geht um eine verbesserte, auch eine menschenwürdigere Versorgungssituation, insbesondere natürlich für die demenzerkrankten Menschen, die bisher von der derzeitigen Pflegeversicherung natürlich noch nicht so erfasst werden.
Brink: Also, Sie denken, eine Anhebung der Pflegesätze ist politisch auch zu vermitteln?
Weidner: Ja, auf jeden Fall, wenn man es als Gesamtkonzept vermittelt. Dann gehen die Menschen mit, das wissen wir aus anderen Ländern auch. Die zahlen Steuern, die Schweden zahlen höhere Steuern und wissen auch, dass sie eine erheblich bessere und verlässlichere Pflegesituation da haben als das, was wir momentan häufig gerade in ländlichen Regionen bei uns haben.
Brink: Professor Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung. Schönen Dank, Herr Weidner, dass Sie mit uns gesprochen haben!
Weidner: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.