"Wir müssen in der Eurozone bleiben"
Evangelos Antonaros, Abgeordneter der liberal-konservativen "Nea Dimokratia" im griechischen Parlament, hat an Europa appelliert, gegenüber dem hoch verschuldeten Griechenland "ein bisschen Geduld" und einen "längeren Atem" aufzubringen.
Marietta Schwarz: Soweit Informationen von Brigitte Scholtes, und am Telefon ist Evangelos Antonaros, Mitglied der liberal-konservativen Partei Nea Dimokratia. Guten Morgen, Herr Antonaros!
Evangelos Antonaros: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Man wird ja das Gefühl nicht los, dass wir uns im Kreise drehen: Lippenbekenntnisse zu Griechenland, aber Kritik am Sparkurs, und dann wieder Szenarien einer drohenden Insolvenz. Herr Antonaros, bewegt sich etwas in Ihrem Land, sehen Sie Fortschritte?
Antonaros: Es bewegt sich in der Tat sehr viel, und man hat sehr viel umstrukturiert in der Zwischenzeit in den letzten anderthalb Jahren. Und jetzt mit der neuen Regierung, die seit November, Mitte November im Amt ist und mit drei Parteien im Parlament mit 255 von insgesamt 300 Stimmen unterstützt wird, da kommt man zügig voran. Ein bisschen Geduld, ein bisschen Ausdauer ist gefragt zurzeit. Ich weiß, das ist angesichts der Marktsituation nicht einfach, aber ein Land wie Griechenland – kein Land, andersrum gesagt, kein Land kann man von heute auf morgen reformieren und umstrukturieren. Die Griechen haben schon sehr viel in Kauf genommen, er hat mehr als 40 Prozent seines Einkommens inzwischen verloren, und deswegen muss man auch abwarten, wie das alles auf das staatliche Leben sich auswirkt. Man hat jetzt schon erste Zeichen, Vorzeichen.
Schwarz: Nämlich welche? Die Gläubigergruppe ist da ja nicht Ihrer Meinung.
Antonaros: Wissen Sie, die Wirtschaft schrumpft, und wenn die Wirtschaft schrumpft, gibt es Nebenwirkungen, Auswirkungen, es gibt Rezession. Die Ziele können nicht von heute auf morgen erreicht werden. Vor allem, weil die Sparmaßnahmen als Einbahnstraße bisher gesehen worden sind, und ich glaube, das ist ein Fehler. Man muss auch auf Wachstum setzen, damit auch die Wirtschaft ein bisschen von diesem Teufelskreis wegkommt. Zwei Beispiele, die zeigen, wie stark die Wirtschaft schrumpft: Zum Beispiel der Verkauf von Neuwagen in Griechenland ist um 31 Prozent im letzten Jahr zurückgegangen, der Benzinverbrauch ist um 15 Prozent zurückgegangen. Das zeigt, die Griechen sparen. Wir sparen auch im privaten Bereich, und oft, weil sie sparen müssen. Heute haben wir zum Beispiel den kältesten Tag in Griechenland, so um die zwei Grad. Ich bin nicht so sicher, ob sich alle meine Landsleute das benötigte Heizöl leisten können. Deswegen muss man, glaube ich, in dieser schwierigen Situation einen etwas längeren Atem haben, um festzustellen, dass sich das Land in der Tat reformiert.
Schwarz: Das heißt, Sie plädieren für mehr Geduld. Sie haben ja als Oppositionsmitglied auch stets den drastischen Sparkurs der Regierung Papandreous kritisiert. Jetzt ist Ihre Partei mit in der Regierung, und man verlangt, noch mehr zu sparen. Also noch mehr sparen, oder geht das nicht?
Antonaros: Es geht darum, gezielt zu sparen. Und das haben wir bisher nicht getan …
Schwarz: Wo kann man denn noch sparen?
Antonaros: Vor allem im öffentlichen Sektor. Ich glaube, da gibt es nach wie vor einen sehr großen Nachholbedarf. Bisher ist fast ausschließlich die Privatwirtschaft zur Kasse gebeten worden mit dem Ziel [gemeint: Ergebnis, Anmerkung der Redaktion], dass etwa eine halbe Millionen neue Arbeitslose innerhalb von 18 Monaten dazugekommen sind. Das wäre so, als ob in Deutschland innerhalb dieser Zeit dreieinhalb Millionen Menschen der Privatwirtschaft ihren Job verloren hätten. Man muss auch zusehen, dass der soziale Zusammenhalt sozusagen in Griechenland erhalten bleibt, sonst profitieren radikale Parteien von solchen Umwälzungen. Und das müssen wir auch abwenden. Deswegen unterstützen wir auch sehr aktiv den Reformkurs der Regierung.
Schwarz: Es steht ja nach wie vor im Raum auch die Idee eines Marshallplans. Was halten Sie davon, vom Investieren zusätzlich zum Sparen?
Antonaros: Ich stehe einer solchen Idee von Anfang an sehr positiv gegenüber, denn ich habe Ihnen schon gesagt, dass die Sparmaßnahmen wie gesagt keine Einbahnstraße sein dürfen. Die Rezession wird dann immer schlimmer, und man sieht jetzt für das laufende Jahr 2012 eine Schrumpfung der Wirtschaft um sieben Prozent vor. Und das im fünften Jahr nacheinander. Das kann sich kein Land leisten. Deswegen geht es darum, gezielt kleinere und mittlere Firmen zu unterstützen, sie vor dem Ruin zu retten. Sonst gibt es eine ganz große Gefahr, dass in den nächsten anderthalb Jahren bis zu 100.000 solcher kleinen Firmen eingehen, und das führt zu einer weiteren Rezessionsspirale, die wir alle abwenden müssen. Deswegen braucht man diese Wachstumsimpulse möglicherweise in der Form eines Marshallplans.
Schwarz: Der tschechische Notenbankchef hat Ihnen ja wieder einmal den Austritt aus der Eurozone nahegelegt. Wird das in Griechenland inzwischen diskutiert?
Antonaros: Es wird von manchen Kreisen diskutiert, das ist in der Tat so. Aber ich glaube, das geht …
Schwarz: Für Sie keine Option?
Antonaros: Für mich ist das überhaupt keine Option. Wir müssen in der Eurozone bleiben, wir müssen uns nach wie vor zusammenreißen, um mithilfe unserer Partner in Europa die Probleme zu bewältigen.
Schwarz: Aus Griechenland war das Evangelos Antonaros, Mitglied der liberal-konservativen Partei Nea Dimokratia. Herr Antonaros, danke für das Gespräch!
Antonaros: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de:
Interview: Banken werden "nahe an die 70 Prozent" ihrer Forderungen an Athen abschreiben - Chefvolkswirt der Deutschen Bank über die Schuldenkrise und die Finanztransaktionssteuer
Sammelportal dradio.de: Euro in der Krise
Evangelos Antonaros: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Man wird ja das Gefühl nicht los, dass wir uns im Kreise drehen: Lippenbekenntnisse zu Griechenland, aber Kritik am Sparkurs, und dann wieder Szenarien einer drohenden Insolvenz. Herr Antonaros, bewegt sich etwas in Ihrem Land, sehen Sie Fortschritte?
Antonaros: Es bewegt sich in der Tat sehr viel, und man hat sehr viel umstrukturiert in der Zwischenzeit in den letzten anderthalb Jahren. Und jetzt mit der neuen Regierung, die seit November, Mitte November im Amt ist und mit drei Parteien im Parlament mit 255 von insgesamt 300 Stimmen unterstützt wird, da kommt man zügig voran. Ein bisschen Geduld, ein bisschen Ausdauer ist gefragt zurzeit. Ich weiß, das ist angesichts der Marktsituation nicht einfach, aber ein Land wie Griechenland – kein Land, andersrum gesagt, kein Land kann man von heute auf morgen reformieren und umstrukturieren. Die Griechen haben schon sehr viel in Kauf genommen, er hat mehr als 40 Prozent seines Einkommens inzwischen verloren, und deswegen muss man auch abwarten, wie das alles auf das staatliche Leben sich auswirkt. Man hat jetzt schon erste Zeichen, Vorzeichen.
Schwarz: Nämlich welche? Die Gläubigergruppe ist da ja nicht Ihrer Meinung.
Antonaros: Wissen Sie, die Wirtschaft schrumpft, und wenn die Wirtschaft schrumpft, gibt es Nebenwirkungen, Auswirkungen, es gibt Rezession. Die Ziele können nicht von heute auf morgen erreicht werden. Vor allem, weil die Sparmaßnahmen als Einbahnstraße bisher gesehen worden sind, und ich glaube, das ist ein Fehler. Man muss auch auf Wachstum setzen, damit auch die Wirtschaft ein bisschen von diesem Teufelskreis wegkommt. Zwei Beispiele, die zeigen, wie stark die Wirtschaft schrumpft: Zum Beispiel der Verkauf von Neuwagen in Griechenland ist um 31 Prozent im letzten Jahr zurückgegangen, der Benzinverbrauch ist um 15 Prozent zurückgegangen. Das zeigt, die Griechen sparen. Wir sparen auch im privaten Bereich, und oft, weil sie sparen müssen. Heute haben wir zum Beispiel den kältesten Tag in Griechenland, so um die zwei Grad. Ich bin nicht so sicher, ob sich alle meine Landsleute das benötigte Heizöl leisten können. Deswegen muss man, glaube ich, in dieser schwierigen Situation einen etwas längeren Atem haben, um festzustellen, dass sich das Land in der Tat reformiert.
Schwarz: Das heißt, Sie plädieren für mehr Geduld. Sie haben ja als Oppositionsmitglied auch stets den drastischen Sparkurs der Regierung Papandreous kritisiert. Jetzt ist Ihre Partei mit in der Regierung, und man verlangt, noch mehr zu sparen. Also noch mehr sparen, oder geht das nicht?
Antonaros: Es geht darum, gezielt zu sparen. Und das haben wir bisher nicht getan …
Schwarz: Wo kann man denn noch sparen?
Antonaros: Vor allem im öffentlichen Sektor. Ich glaube, da gibt es nach wie vor einen sehr großen Nachholbedarf. Bisher ist fast ausschließlich die Privatwirtschaft zur Kasse gebeten worden mit dem Ziel [gemeint: Ergebnis, Anmerkung der Redaktion], dass etwa eine halbe Millionen neue Arbeitslose innerhalb von 18 Monaten dazugekommen sind. Das wäre so, als ob in Deutschland innerhalb dieser Zeit dreieinhalb Millionen Menschen der Privatwirtschaft ihren Job verloren hätten. Man muss auch zusehen, dass der soziale Zusammenhalt sozusagen in Griechenland erhalten bleibt, sonst profitieren radikale Parteien von solchen Umwälzungen. Und das müssen wir auch abwenden. Deswegen unterstützen wir auch sehr aktiv den Reformkurs der Regierung.
Schwarz: Es steht ja nach wie vor im Raum auch die Idee eines Marshallplans. Was halten Sie davon, vom Investieren zusätzlich zum Sparen?
Antonaros: Ich stehe einer solchen Idee von Anfang an sehr positiv gegenüber, denn ich habe Ihnen schon gesagt, dass die Sparmaßnahmen wie gesagt keine Einbahnstraße sein dürfen. Die Rezession wird dann immer schlimmer, und man sieht jetzt für das laufende Jahr 2012 eine Schrumpfung der Wirtschaft um sieben Prozent vor. Und das im fünften Jahr nacheinander. Das kann sich kein Land leisten. Deswegen geht es darum, gezielt kleinere und mittlere Firmen zu unterstützen, sie vor dem Ruin zu retten. Sonst gibt es eine ganz große Gefahr, dass in den nächsten anderthalb Jahren bis zu 100.000 solcher kleinen Firmen eingehen, und das führt zu einer weiteren Rezessionsspirale, die wir alle abwenden müssen. Deswegen braucht man diese Wachstumsimpulse möglicherweise in der Form eines Marshallplans.
Schwarz: Der tschechische Notenbankchef hat Ihnen ja wieder einmal den Austritt aus der Eurozone nahegelegt. Wird das in Griechenland inzwischen diskutiert?
Antonaros: Es wird von manchen Kreisen diskutiert, das ist in der Tat so. Aber ich glaube, das geht …
Schwarz: Für Sie keine Option?
Antonaros: Für mich ist das überhaupt keine Option. Wir müssen in der Eurozone bleiben, wir müssen uns nach wie vor zusammenreißen, um mithilfe unserer Partner in Europa die Probleme zu bewältigen.
Schwarz: Aus Griechenland war das Evangelos Antonaros, Mitglied der liberal-konservativen Partei Nea Dimokratia. Herr Antonaros, danke für das Gespräch!
Antonaros: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de:
Interview: Banken werden "nahe an die 70 Prozent" ihrer Forderungen an Athen abschreiben - Chefvolkswirt der Deutschen Bank über die Schuldenkrise und die Finanztransaktionssteuer
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