"Wir müssen uns der Frage nach Lohnuntergrenzen öffnen"
Der ehemalige schleswig-holsteinische Arbeitsminister Heiner Garg (FDP) hat sich im Ringen um das beste Konzept gegen Altersarmut für eine aus Steuern finanzierte Grundrente ausgesprochen. Zugleich legte er den Freien Demokraten nahe, sich endlich für einen staatlichen Mindestlohn einzusetzen.
Nana Brink: Ein bisschen wundern darf man sich schon: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die seit Wochen für die beitragsfinanzierte Zuschussrente wirbt, hat den Schulterschluss mit der SPD versucht nach dem Motto: Rente ist immer in einem gesellschaftlichen Konsens bearbeitet worden, und das werden wir diesmal auch so halten.
Die SPD, zumindest in Gestalt von Parteichef Sigmar Gabriel, hat sich vorsichtshalber skeptisch geäußert, also Zuschussrente ja, aber wenn, dann aus Steuermitteln, die Hand aber mal vorsichtshalber nicht ganz weggezogen. Das ist natürlich der FDP nicht entgangen, die als eigentlicher Koalitionspartner sich ungewöhnlich heftig zu Wort meldet, sodass man sich fragen muss: Hat der Wahlkampf schon begonnen?
Am Telefon begrüße ich jetzt den FDP-Politiker Heiner Garg. Er war bis Juni diesen Jahres Arbeitsminister in Schleswig-Holstein. Schönen guten Morgen, Herr Garg!
Heiner Garg: Einen wunderschönen guten Morgen!
Brink: "Der Vorschlag der Bundesarbeitsministerin ist eher eine PR-Nummer in eigener Sache als ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Altersarmut" – Ihre Worte, gut gebrüllt –, was heißt PR-Nummer in eigener Sache?
Garg: Ja, Frau von der Leyen hat ja fast in klassischer Oppositionsmanier ein Thema aufgerissen und hat eine Lösung gesucht, die aus meiner Sicht völlig untauglich ist, Altersarmut wirklich zu bekämpfen, in dem Frau von der Leyen eine Lösung nur innerhalb des umlagefinanzierten Systems der gesetzlichen Rentenversicherung sich ausgedacht hat. Das heißt, alle Beitragszahler finanzieren auch gleichzeitig die aus meiner Sicht gesamtgesellschaftlich zu finanzierende Aufgabe einer Mindestsicherung im Alter. Und deswegen diskutieren wir jetzt einen aus meiner Sicht komplett untauglichen Vorschlag der Bundesarbeitsministerin, …
Brink: Aber immerhin diskutieren wir ihn. Und das ist auch eigentlich die Aufgabe der Arbeitsministerin, das aufs Tapet zu bringen.
Garg: Nein, ich finde, die Aufgabe der Arbeitsministerin ist eigentlich das, was die SPD jetzt vorgelegt hat, nämlich einen wirklich diskutablen Vorschlag, wie wir Altersarmut in Zukunft verhindern. Und da gehören aus meiner Sicht drei entscheidende Säulen dazu: Erstens, wir müssen uns der Frage nach Lohnuntergrenzen, und zwar verbindlichen Lohnuntergrenzen, öffnen, auch als FDP. Zweitens müssen wir, wenn wir – was ich richtig finde – als zweites Standbein private Vorsorge proklamieren, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen auch tatsächlich private Vorsorge betreiben können, das können nämlich viele Menschen mit kleinen und geringem Einkommen nicht zurzeit. Und drittens finde ich den Vorschlag einer steuerfinanzierten Grundrente, egal wie man das Kind dann am Ende nennt, genau den richtigen Vorschlag, der jetzt weiter zu diskutieren ist, und da hätte ich mir von der Bundesarbeitsministerin schon mehr gewünscht, als dass sie nur für sich in Anspruch nimmt, sie hätte eine Diskussion in Gang gesetzt.
Brink: Das ist aber jetzt clever, Herr Garg: Erst kritisieren Sie von der Leyen, und jetzt robben Sie sich an die SPD ran?
Garg: Nein, ich robbe mich gar nicht an die SPD an, sondern ich wiederhole zum ich weiß nicht wievielten Mal Vorschläge, die ich auch in meiner Zeit als Arbeits- und Sozialminister immer wieder unterbreitet habe, weil ich der Auffassung bin, dass das Thema Armut im Alter neben dem Thema "Wie versorgen wir pflegebedürftige Menschen?" eines der herausragenden Probleme sein wird, die wir im Zukunft aufgrund der demografischen Entwicklung haben werden, und die wir jetzt lösen sollten.
Und vor diesem Hintergrund halte ich viel von dem Appell, das gemeinschaftlich zu tun, aber gerne auch im demokratischen Streit um die beste Idee, und da hat die beste Idee öffentlich wirksam nun mal im Moment die SPD vorgelegt, und mitnichten die Bundesarbeitsministerin.
Brink: Und dann wollen Sie also mit ihr zusammengehen und das dann befördern, dieses Konzept?
Garg: ja, also ich …
Brink: Fallen Sie ihrem Koalitionspartner damit nicht in den Rücken?
Garg: Also zunächst mal findet ja seit wenigen Tagen eine ziemlich absurde Diskussion auf Berliner Ebene statt über Koalitionstreue und ähnliches. Ich glaube, dass das möglicherweise der Nervosität der bevorstehenden Haushaltsberatung in Berlin geschuldet sein mag. Ich bin dafür, dass man jetzt die beiden Vorschläge, die auf dem Tisch liegen – ich habe sie bewertet aus meiner Sicht –, dass man nun versucht, ob man hier den Gesprächsfaden mit allen vernünftigen demokratischen Kräften sucht, weil ich glaube, dass die Menschen es satt haben, dass nur solche Scheingefechte oder Hahnenkämpfe über die Medien ausgetragen werden. Es gibt dieses Problem, das uns bevorsteht, der Altersarmut. Politiker sind dazu da, Entscheidungen zu treffen …
Brink: Aber da muss ich doch mal einhaken, da muss ich doch mal einhaken: Ist es dann nicht – weil Sie sagen, der Bürger ist ja irgendwie etwas ungehalten, zu Recht – ist es denn zu viel verlangt, dass sich eine Koalition – und Sie befinden sich ja in einer Koalition mit der CDU, der Union – gemeinsam Gedanken macht, bevor sie sich öffentlich streitet?
Garg: Also wie der Streit ausgebrochen ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß auch gar nicht, ob es ein Streit ist oder ob da nur einige etwas verwundert auf die Äußerung der Ministerin von der Leyen reagiert haben, aber ich bin schon der Auffassung, dass die Koalition jetzt die Stärke beweisen sollte mit eigenen Vorschlägen …, - und ich hoffe, ich habe letzte Woche mit dem Dreiklang noch mal dazu beigetragen, dass darüber diskutiert wird -, an den Markt der Meinung tritt und dann versucht, einen gesellschaftlichen Konsens bei dieser Frage herzustellen. Das ist die Aufgabe von Politik. Die Aufgabe von Politik ist nicht, zuallererst sich selbst darzustellen.
Brink: Wird das Thema weiter im Wahlkampf eine Rolle spielen? So, wie Sie klingen, ja.
Garg: Also ich gehe davon aus, ich finde das auch gar nicht schlecht, dass man im Wahlkampf Konzepte präsentiert und ganz klar sagt, wo es langgeht, denn die Leute haben ja kein Interesse daran, was ist in der Vergangenheit passiert, sondern die Leute wollen vor allem wissen, was habe ich davon, wenn ich einer Partei A, B oder C die Stimme gebe, wie sehen die Zukunftskonzepte aus. Und die Frage, wie sichere ich Einkommen im Alter, ist mit Sicherheit eine der ganz zentralen Zukunftsfragen.
Deswegen, ich habe nichts gegen das beste Rentenkonzept, auch im Wahlkampf. Aber es schadet ja auch nichts, wenn man vorher versucht, jedenfalls sich auf eine Grundlinie zu verständigen, und zu der Grundlinie gehört eben mehr als nur eine einzige Idee zu haben, die sich innerhalb des bestehenden Systems bewegt.
Brink: Sagt der FDP-Politiker Heiner Garg, ehemaliger Arbeitsminister in Schleswig-Holstein. Herr Garg, schönen Dank für das Gespräch!
Garg: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die SPD, zumindest in Gestalt von Parteichef Sigmar Gabriel, hat sich vorsichtshalber skeptisch geäußert, also Zuschussrente ja, aber wenn, dann aus Steuermitteln, die Hand aber mal vorsichtshalber nicht ganz weggezogen. Das ist natürlich der FDP nicht entgangen, die als eigentlicher Koalitionspartner sich ungewöhnlich heftig zu Wort meldet, sodass man sich fragen muss: Hat der Wahlkampf schon begonnen?
Am Telefon begrüße ich jetzt den FDP-Politiker Heiner Garg. Er war bis Juni diesen Jahres Arbeitsminister in Schleswig-Holstein. Schönen guten Morgen, Herr Garg!
Heiner Garg: Einen wunderschönen guten Morgen!
Brink: "Der Vorschlag der Bundesarbeitsministerin ist eher eine PR-Nummer in eigener Sache als ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Altersarmut" – Ihre Worte, gut gebrüllt –, was heißt PR-Nummer in eigener Sache?
Garg: Ja, Frau von der Leyen hat ja fast in klassischer Oppositionsmanier ein Thema aufgerissen und hat eine Lösung gesucht, die aus meiner Sicht völlig untauglich ist, Altersarmut wirklich zu bekämpfen, in dem Frau von der Leyen eine Lösung nur innerhalb des umlagefinanzierten Systems der gesetzlichen Rentenversicherung sich ausgedacht hat. Das heißt, alle Beitragszahler finanzieren auch gleichzeitig die aus meiner Sicht gesamtgesellschaftlich zu finanzierende Aufgabe einer Mindestsicherung im Alter. Und deswegen diskutieren wir jetzt einen aus meiner Sicht komplett untauglichen Vorschlag der Bundesarbeitsministerin, …
Brink: Aber immerhin diskutieren wir ihn. Und das ist auch eigentlich die Aufgabe der Arbeitsministerin, das aufs Tapet zu bringen.
Garg: Nein, ich finde, die Aufgabe der Arbeitsministerin ist eigentlich das, was die SPD jetzt vorgelegt hat, nämlich einen wirklich diskutablen Vorschlag, wie wir Altersarmut in Zukunft verhindern. Und da gehören aus meiner Sicht drei entscheidende Säulen dazu: Erstens, wir müssen uns der Frage nach Lohnuntergrenzen, und zwar verbindlichen Lohnuntergrenzen, öffnen, auch als FDP. Zweitens müssen wir, wenn wir – was ich richtig finde – als zweites Standbein private Vorsorge proklamieren, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen auch tatsächlich private Vorsorge betreiben können, das können nämlich viele Menschen mit kleinen und geringem Einkommen nicht zurzeit. Und drittens finde ich den Vorschlag einer steuerfinanzierten Grundrente, egal wie man das Kind dann am Ende nennt, genau den richtigen Vorschlag, der jetzt weiter zu diskutieren ist, und da hätte ich mir von der Bundesarbeitsministerin schon mehr gewünscht, als dass sie nur für sich in Anspruch nimmt, sie hätte eine Diskussion in Gang gesetzt.
Brink: Das ist aber jetzt clever, Herr Garg: Erst kritisieren Sie von der Leyen, und jetzt robben Sie sich an die SPD ran?
Garg: Nein, ich robbe mich gar nicht an die SPD an, sondern ich wiederhole zum ich weiß nicht wievielten Mal Vorschläge, die ich auch in meiner Zeit als Arbeits- und Sozialminister immer wieder unterbreitet habe, weil ich der Auffassung bin, dass das Thema Armut im Alter neben dem Thema "Wie versorgen wir pflegebedürftige Menschen?" eines der herausragenden Probleme sein wird, die wir im Zukunft aufgrund der demografischen Entwicklung haben werden, und die wir jetzt lösen sollten.
Und vor diesem Hintergrund halte ich viel von dem Appell, das gemeinschaftlich zu tun, aber gerne auch im demokratischen Streit um die beste Idee, und da hat die beste Idee öffentlich wirksam nun mal im Moment die SPD vorgelegt, und mitnichten die Bundesarbeitsministerin.
Brink: Und dann wollen Sie also mit ihr zusammengehen und das dann befördern, dieses Konzept?
Garg: ja, also ich …
Brink: Fallen Sie ihrem Koalitionspartner damit nicht in den Rücken?
Garg: Also zunächst mal findet ja seit wenigen Tagen eine ziemlich absurde Diskussion auf Berliner Ebene statt über Koalitionstreue und ähnliches. Ich glaube, dass das möglicherweise der Nervosität der bevorstehenden Haushaltsberatung in Berlin geschuldet sein mag. Ich bin dafür, dass man jetzt die beiden Vorschläge, die auf dem Tisch liegen – ich habe sie bewertet aus meiner Sicht –, dass man nun versucht, ob man hier den Gesprächsfaden mit allen vernünftigen demokratischen Kräften sucht, weil ich glaube, dass die Menschen es satt haben, dass nur solche Scheingefechte oder Hahnenkämpfe über die Medien ausgetragen werden. Es gibt dieses Problem, das uns bevorsteht, der Altersarmut. Politiker sind dazu da, Entscheidungen zu treffen …
Brink: Aber da muss ich doch mal einhaken, da muss ich doch mal einhaken: Ist es dann nicht – weil Sie sagen, der Bürger ist ja irgendwie etwas ungehalten, zu Recht – ist es denn zu viel verlangt, dass sich eine Koalition – und Sie befinden sich ja in einer Koalition mit der CDU, der Union – gemeinsam Gedanken macht, bevor sie sich öffentlich streitet?
Garg: Also wie der Streit ausgebrochen ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß auch gar nicht, ob es ein Streit ist oder ob da nur einige etwas verwundert auf die Äußerung der Ministerin von der Leyen reagiert haben, aber ich bin schon der Auffassung, dass die Koalition jetzt die Stärke beweisen sollte mit eigenen Vorschlägen …, - und ich hoffe, ich habe letzte Woche mit dem Dreiklang noch mal dazu beigetragen, dass darüber diskutiert wird -, an den Markt der Meinung tritt und dann versucht, einen gesellschaftlichen Konsens bei dieser Frage herzustellen. Das ist die Aufgabe von Politik. Die Aufgabe von Politik ist nicht, zuallererst sich selbst darzustellen.
Brink: Wird das Thema weiter im Wahlkampf eine Rolle spielen? So, wie Sie klingen, ja.
Garg: Also ich gehe davon aus, ich finde das auch gar nicht schlecht, dass man im Wahlkampf Konzepte präsentiert und ganz klar sagt, wo es langgeht, denn die Leute haben ja kein Interesse daran, was ist in der Vergangenheit passiert, sondern die Leute wollen vor allem wissen, was habe ich davon, wenn ich einer Partei A, B oder C die Stimme gebe, wie sehen die Zukunftskonzepte aus. Und die Frage, wie sichere ich Einkommen im Alter, ist mit Sicherheit eine der ganz zentralen Zukunftsfragen.
Deswegen, ich habe nichts gegen das beste Rentenkonzept, auch im Wahlkampf. Aber es schadet ja auch nichts, wenn man vorher versucht, jedenfalls sich auf eine Grundlinie zu verständigen, und zu der Grundlinie gehört eben mehr als nur eine einzige Idee zu haben, die sich innerhalb des bestehenden Systems bewegt.
Brink: Sagt der FDP-Politiker Heiner Garg, ehemaliger Arbeitsminister in Schleswig-Holstein. Herr Garg, schönen Dank für das Gespräch!
Garg: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.