"Wir sind die Juden von Heute"
Rund acht Millionen Menschen aus den Philippinen arbeiten im Ausland, viele Frauen als Hausangestellte oder Pflegekräfte, die Männer oft auf dem Bau oder in der Landwirtschaft. Den Kontakt untereinander und in die Heimat halten sie oft über katholische Gemeinden, in denen sie sich treffen – so auch in Israel.
Klar und hoch hallen die Stimmen vom Deckengewölbe zurück. Unten, auf Holzbänken sitzen 20- bis 60-jährige Frauen. Ihre runden Gesichter werden von dunklen glatten Haaren umrahmt. Mehrere hundert katholische Philippinas singen in der Sechs-Uhr-Messe in der Sankt Antony Kirche in Jaffa, mitten im jüdischen Israel. Vorn steht der einzige Mann im Saal, der Priester:
"Let us pray …"
Vater Arturo spricht von der Treue zwischen Mann und Frau.
"Ihr müsst einander treu bleiben, die Ehe ist ein Zeichen Gottes. So wie Jesus die Kirche liebt und die Kirche Jesus, liebt der Mann seine Frau. Lasst uns beten für unsere Männer und Frauen in den Philippinen."
Mit der Erwähnung der Ehepartner in den Philippinen erinnert Vater Arturo auch an die Rückkehr. Seine Gemeindemitglieder erhalten von den israelischen Behörden eine auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung. Es sind meist Frauen, die vorwiegend im Haushalt und in der Pflege alter Menschen arbeiten. Zu heiraten oder Kinder zu bekommen ist ihnen vom Staat Israel untersagt.
Hier in der Kirche sitzen einige hundert der 45.000 offiziellen und ebenso vielen inoffiziellen philippinischen Gastarbeiterinnen. Und ihnen allen droht die Rückkehr. In den letzten Monaten verschärfte Israel sogar die Auflagen. Das Parlament diskutiert bis heute die Einführung des sogenannten Anti-Infiltrationsgesetzes. Damit soll die sofortige Abschiebung illegaler Einwanderer möglich werden. Und auch die Abschiebung von insgesamt 400 Kindern legaler wie illegaler Arbeitsmigranten wurde diesen Sommer beschlossen. Es sind Gesetze, an die sich die Kirche hält.
Nach dem Gottesdienst setzt sich Vater Arturo auf eine der Holzbänke und knöpft den weißen Talar auf:
"Meistens sag ich ihnen: Das ist nicht euer Land. Und das stimmt. Dies ist ein jüdischer Staat. Ich sage ihnen: Wenn Ihr eine Zukunft aufbauen wollt, geht weg. Das sagt auch die Regierung."
Lilian: "Der Priester sagt, Ihr Pfleger habt Glück, hier in Israel zu sein. Denn Gott ist auch ein Pfleger."
Im Kochtopf brodelt es. Lilian Cuaresna rührt Huhn, Kartoffeln, Lauch und Kürbisstücke um. Die schwarzen Haare hochgesteckt, steht die 54-Jährige mit einer Schürze bekleidet in der kleinen quadratischen Küche einer Bauhauswohnung in Tel Aviv. Seit ihrer Anreise aus den Philippinen vor zehn Jahren hat sie viele israelische Gerichte kochen gelernt. Denn seitdem pflegt sie die heute 98-jährige Rachel Koniak.
"Ich koche für sie, gebe ihr ihre Medizin, wenn sie sich langweilt, unterhalte ich mich mit ihr. Ich gebe ihr zu Trinken und zu Essen, auch wenn ich schlafen sollte."
Dass Gott der Pfleger aller Menschen ist, das glaubt Lilian. Aber, ob sie Glück hat, wie der Priester behauptet? Als Anfang der 90er-Jahre durch die Intifada die palästinensischen Arbeiter ausfielen, begann die israelische Regierung asiatische Ersatzkräfte einzuladen. Heute arbeiten hier neben den Philippinas auch Männer aus Sri Lanka, Nepal, China oder Indien. Sie werden beim Bau oder in der Landwirtschaft eingesetzt.
Nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation Hotline für Migranten sind von den 7,6 Millionen Einwohnern Israels knapp 220.000 Arbeitsmigranten. Sie alle arbeiten für Niedriglöhne, zu undefinierten Arbeitszeiten. Nicht selten ist der Fernseher ihr Fenster zur Welt.
Lilian weiß um ihre schwierige Situation. Die Justiz hat zwar 2006 die Zustände als "moderne Sklaverei" verurteilt. Geändert hat sich jedoch wenig. Mit einer Ausnahmegenehmigung ist Lilian schon länger als fünf Jahre im Lande, aber deswegen ist ihr Aufenthaltsrecht an Rachels Zustand gebunden. Was wird, wenn sie stirbt?
Lilian: "Das ist die 65-Millionen-Dollar-Frage. Ich weiß nicht. Ich hoffe, ich muss nicht gehen."
Mit 900 Dollar pro Monat verdient sie dreimal mehr als in ihrer Profession als Geschichtslehrerin in den Philippinen. Und die jüngste ihrer vier Töchter dort ist noch nicht mit der Ausbildung fertig. Lilian bringt Rachel ihre Suppe. Während die alte Dame Löffel für Löffel gereicht bekommt, erzählt sie ein bisschen auf Jiddisch. Dort, wo sie herkommt, haben die Juden auch unter Arbeitsrestriktionen gelitten.
Rachel: "'Nunu, wo wir gewoint? Polania, polania, es war a bissel schwer.""'
Seit einem Jahr ist Rachel bettlägerig. Die wasserblauen Augen der 98-Jährigen starren meist vernebelt an die Decke. Ihre unregelmäßigen Schlaf- und Wachzeiten bringen Tag und Nacht durcheinander. Lilians Gehalt, die Hälfte dessen, was Israelis bekommen würden, bleibt gleich. Trotzdem, schlimmer als die unregelmäßige, anstrengende Arbeit wäre ihr Ende. Mit einem Lächeln sagt Lilian:
"Ich frage Rachel manchmal: Wie wär es, wenn du noch zwei Jahre lebst?"
20 junge und ältere Frauen in weiß-orange gestreiften Blusen drängen sich in einem der Kellerräume unter der Saint Antony Kirche. Jeden Samstag probt hier der Chor.
Lilian kommt nicht mehr. Und sie ist nicht die einzige, der die Zeit fehlt, erklärt im angrenzenden Gemeindehaus Vater Angelo. Der einzige Philippino-Priester im Land arbeitet seit einer Woche hier.
"Es kommen vielleicht 1,5 Prozent der hier lebenden Philippinos in die Kirche. Viele haben auch samstags nicht frei. Dafür halten wir extra Messen mittwochs oder freitags. Einige Philippinos finden Teilzeitjobs neben ihrer Vollzeitarbeit. Sie brauchen einfach das Geld."
Der Mittfünfzigjährige sagt, über 80 Prozent der Philippinos seien katholisch. Und viele von ihnen würden religiöser in der Diaspora. Jedes Wochenende kämen circa 1200 Philippinos in die Sankt Antony Kirche. In der neuen Kirche beim Busbahnhof im Süden Tel Avivs hält er sogar Gottesdienste auf Philippinisch ab. Hier sei alles auf Englisch, damit auch die Israelis und andere Ausländer kommen könnten, erklärt Vater Angelo. Für ihn wie für seine gut englischsprechenden Gemeindemitglieder sei das kein Problem. Er selbst hat vor 20 Jahren in Israel seine Ausbildung zum Priester begonnen und kennt daher die Schwierigkeiten des Lebens in der Diaspora.
"Viele Frauen werden schwanger. Ein großes Problem. Das kommt von der Einsamkeit, eines der größten Übel der Migration. Die Ehemänner sind auf den Philippinen. Es entstehen Versuchungen. Wir können nur sagen, bleibt Euren Männern treu ...Hier ist eine permanente Krise. Und wir können nichts tun. Wir haben keinen Einfluss in der Politik. Die machen ihre Gesetze. Zum Beispiel die Drehtürpolitik: Im Monat werden 3 bis-40 Menschen abgeschoben und 120 bis 130 kommen her."
Von der sogenannten Drehtürpolitik profitieren israelische Agenturen für Arbeitsmigranten. Lilian hat bei ihnen für die Einreise und das Visum 6000 Dollar Vermittlungsgebühr bezahlt. Die Schulden, die sie dafür bei Verwandten in den Philippinen machte, hat sie ein Jahr lang bei Rachel abgearbeitet.
Die philippinische Gemeinde wächst, aber die Gehälter bleiben niedrig. Der beschränkte Aufenthalt verhindert das Einfordern von Arbeitsrechten. Und für die Rückkehr sorgt der israelische Staat: 2002 wurde die Os-Einheit, die Immigrationspolizei, gegründet. Mehrere tausend illegale Migranten wurden seitdem in Razzien aufgespürt und abgeschoben. Seit einem Jahr patrouilliert eine Armeeeinheit, die bisher nur in den besetzten Gebieten im Einsatz war, im Süden Tel Avivs.
Claudia Liebelt: "Es gibt eine Identifikation mit der jüdischen Diaspora durch die philippinische Diaspora."
Abschiebung, Ausgrenzung, Ausbeutung. Ein direkter Vergleich verbietet sich. Aber die Anthropologin Claudia Liebelt beschreibt, wie die Philippinos Parallelen zwischen ihrer Erfahrung und der biblischen Geschichte der Juden ziehen.
"In dem Widerstand gegen die Abschiebepolitik haben die christlichen Diskurse eine große Rolle gespielt. Es gab immer wieder Pastoren, die Bibelverse zitiert haben. Wie: Eure Bibel sagt, Ihr wart Sklaven in Ägypten. Es gab Appelle an das Mitleid der israelischen Bevölkerung, beispielsweise: 'We are the jews of today'."
"Wir sind die Juden von heute" - ein Moses, der die Philippinos zurück in ihr "gelobtes Land" führen würde, ist jedoch nicht in Sicht. Und die meisten wollen lieber noch bleiben.
Am Altar, mit dem Rücken zur Gemeinde, betet Vater Angelo. Ungefähr zur selben Zeit begibt sich Lilian in ihr Zimmer am Ende des Flurs. Dort stehen auf einer Holzkommode das goldgerahmte Bild der Jungfrau Maria und drei Kerzen. Und drumherum reihen sich Fotos von lächelnden Philippinos. Lilians Kinder.
"Ich bete hier immer. Ich sage dann zu Rachel: Ich geh jetzt in mein Zimmer und bete, dass Gott Dir ein langes Leben gibt. Und sie sagt: Danke."
"Let us pray …"
Vater Arturo spricht von der Treue zwischen Mann und Frau.
"Ihr müsst einander treu bleiben, die Ehe ist ein Zeichen Gottes. So wie Jesus die Kirche liebt und die Kirche Jesus, liebt der Mann seine Frau. Lasst uns beten für unsere Männer und Frauen in den Philippinen."
Mit der Erwähnung der Ehepartner in den Philippinen erinnert Vater Arturo auch an die Rückkehr. Seine Gemeindemitglieder erhalten von den israelischen Behörden eine auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung. Es sind meist Frauen, die vorwiegend im Haushalt und in der Pflege alter Menschen arbeiten. Zu heiraten oder Kinder zu bekommen ist ihnen vom Staat Israel untersagt.
Hier in der Kirche sitzen einige hundert der 45.000 offiziellen und ebenso vielen inoffiziellen philippinischen Gastarbeiterinnen. Und ihnen allen droht die Rückkehr. In den letzten Monaten verschärfte Israel sogar die Auflagen. Das Parlament diskutiert bis heute die Einführung des sogenannten Anti-Infiltrationsgesetzes. Damit soll die sofortige Abschiebung illegaler Einwanderer möglich werden. Und auch die Abschiebung von insgesamt 400 Kindern legaler wie illegaler Arbeitsmigranten wurde diesen Sommer beschlossen. Es sind Gesetze, an die sich die Kirche hält.
Nach dem Gottesdienst setzt sich Vater Arturo auf eine der Holzbänke und knöpft den weißen Talar auf:
"Meistens sag ich ihnen: Das ist nicht euer Land. Und das stimmt. Dies ist ein jüdischer Staat. Ich sage ihnen: Wenn Ihr eine Zukunft aufbauen wollt, geht weg. Das sagt auch die Regierung."
Lilian: "Der Priester sagt, Ihr Pfleger habt Glück, hier in Israel zu sein. Denn Gott ist auch ein Pfleger."
Im Kochtopf brodelt es. Lilian Cuaresna rührt Huhn, Kartoffeln, Lauch und Kürbisstücke um. Die schwarzen Haare hochgesteckt, steht die 54-Jährige mit einer Schürze bekleidet in der kleinen quadratischen Küche einer Bauhauswohnung in Tel Aviv. Seit ihrer Anreise aus den Philippinen vor zehn Jahren hat sie viele israelische Gerichte kochen gelernt. Denn seitdem pflegt sie die heute 98-jährige Rachel Koniak.
"Ich koche für sie, gebe ihr ihre Medizin, wenn sie sich langweilt, unterhalte ich mich mit ihr. Ich gebe ihr zu Trinken und zu Essen, auch wenn ich schlafen sollte."
Dass Gott der Pfleger aller Menschen ist, das glaubt Lilian. Aber, ob sie Glück hat, wie der Priester behauptet? Als Anfang der 90er-Jahre durch die Intifada die palästinensischen Arbeiter ausfielen, begann die israelische Regierung asiatische Ersatzkräfte einzuladen. Heute arbeiten hier neben den Philippinas auch Männer aus Sri Lanka, Nepal, China oder Indien. Sie werden beim Bau oder in der Landwirtschaft eingesetzt.
Nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation Hotline für Migranten sind von den 7,6 Millionen Einwohnern Israels knapp 220.000 Arbeitsmigranten. Sie alle arbeiten für Niedriglöhne, zu undefinierten Arbeitszeiten. Nicht selten ist der Fernseher ihr Fenster zur Welt.
Lilian weiß um ihre schwierige Situation. Die Justiz hat zwar 2006 die Zustände als "moderne Sklaverei" verurteilt. Geändert hat sich jedoch wenig. Mit einer Ausnahmegenehmigung ist Lilian schon länger als fünf Jahre im Lande, aber deswegen ist ihr Aufenthaltsrecht an Rachels Zustand gebunden. Was wird, wenn sie stirbt?
Lilian: "Das ist die 65-Millionen-Dollar-Frage. Ich weiß nicht. Ich hoffe, ich muss nicht gehen."
Mit 900 Dollar pro Monat verdient sie dreimal mehr als in ihrer Profession als Geschichtslehrerin in den Philippinen. Und die jüngste ihrer vier Töchter dort ist noch nicht mit der Ausbildung fertig. Lilian bringt Rachel ihre Suppe. Während die alte Dame Löffel für Löffel gereicht bekommt, erzählt sie ein bisschen auf Jiddisch. Dort, wo sie herkommt, haben die Juden auch unter Arbeitsrestriktionen gelitten.
Rachel: "'Nunu, wo wir gewoint? Polania, polania, es war a bissel schwer.""'
Seit einem Jahr ist Rachel bettlägerig. Die wasserblauen Augen der 98-Jährigen starren meist vernebelt an die Decke. Ihre unregelmäßigen Schlaf- und Wachzeiten bringen Tag und Nacht durcheinander. Lilians Gehalt, die Hälfte dessen, was Israelis bekommen würden, bleibt gleich. Trotzdem, schlimmer als die unregelmäßige, anstrengende Arbeit wäre ihr Ende. Mit einem Lächeln sagt Lilian:
"Ich frage Rachel manchmal: Wie wär es, wenn du noch zwei Jahre lebst?"
20 junge und ältere Frauen in weiß-orange gestreiften Blusen drängen sich in einem der Kellerräume unter der Saint Antony Kirche. Jeden Samstag probt hier der Chor.
Lilian kommt nicht mehr. Und sie ist nicht die einzige, der die Zeit fehlt, erklärt im angrenzenden Gemeindehaus Vater Angelo. Der einzige Philippino-Priester im Land arbeitet seit einer Woche hier.
"Es kommen vielleicht 1,5 Prozent der hier lebenden Philippinos in die Kirche. Viele haben auch samstags nicht frei. Dafür halten wir extra Messen mittwochs oder freitags. Einige Philippinos finden Teilzeitjobs neben ihrer Vollzeitarbeit. Sie brauchen einfach das Geld."
Der Mittfünfzigjährige sagt, über 80 Prozent der Philippinos seien katholisch. Und viele von ihnen würden religiöser in der Diaspora. Jedes Wochenende kämen circa 1200 Philippinos in die Sankt Antony Kirche. In der neuen Kirche beim Busbahnhof im Süden Tel Avivs hält er sogar Gottesdienste auf Philippinisch ab. Hier sei alles auf Englisch, damit auch die Israelis und andere Ausländer kommen könnten, erklärt Vater Angelo. Für ihn wie für seine gut englischsprechenden Gemeindemitglieder sei das kein Problem. Er selbst hat vor 20 Jahren in Israel seine Ausbildung zum Priester begonnen und kennt daher die Schwierigkeiten des Lebens in der Diaspora.
"Viele Frauen werden schwanger. Ein großes Problem. Das kommt von der Einsamkeit, eines der größten Übel der Migration. Die Ehemänner sind auf den Philippinen. Es entstehen Versuchungen. Wir können nur sagen, bleibt Euren Männern treu ...Hier ist eine permanente Krise. Und wir können nichts tun. Wir haben keinen Einfluss in der Politik. Die machen ihre Gesetze. Zum Beispiel die Drehtürpolitik: Im Monat werden 3 bis-40 Menschen abgeschoben und 120 bis 130 kommen her."
Von der sogenannten Drehtürpolitik profitieren israelische Agenturen für Arbeitsmigranten. Lilian hat bei ihnen für die Einreise und das Visum 6000 Dollar Vermittlungsgebühr bezahlt. Die Schulden, die sie dafür bei Verwandten in den Philippinen machte, hat sie ein Jahr lang bei Rachel abgearbeitet.
Die philippinische Gemeinde wächst, aber die Gehälter bleiben niedrig. Der beschränkte Aufenthalt verhindert das Einfordern von Arbeitsrechten. Und für die Rückkehr sorgt der israelische Staat: 2002 wurde die Os-Einheit, die Immigrationspolizei, gegründet. Mehrere tausend illegale Migranten wurden seitdem in Razzien aufgespürt und abgeschoben. Seit einem Jahr patrouilliert eine Armeeeinheit, die bisher nur in den besetzten Gebieten im Einsatz war, im Süden Tel Avivs.
Claudia Liebelt: "Es gibt eine Identifikation mit der jüdischen Diaspora durch die philippinische Diaspora."
Abschiebung, Ausgrenzung, Ausbeutung. Ein direkter Vergleich verbietet sich. Aber die Anthropologin Claudia Liebelt beschreibt, wie die Philippinos Parallelen zwischen ihrer Erfahrung und der biblischen Geschichte der Juden ziehen.
"In dem Widerstand gegen die Abschiebepolitik haben die christlichen Diskurse eine große Rolle gespielt. Es gab immer wieder Pastoren, die Bibelverse zitiert haben. Wie: Eure Bibel sagt, Ihr wart Sklaven in Ägypten. Es gab Appelle an das Mitleid der israelischen Bevölkerung, beispielsweise: 'We are the jews of today'."
"Wir sind die Juden von heute" - ein Moses, der die Philippinos zurück in ihr "gelobtes Land" führen würde, ist jedoch nicht in Sicht. Und die meisten wollen lieber noch bleiben.
Am Altar, mit dem Rücken zur Gemeinde, betet Vater Angelo. Ungefähr zur selben Zeit begibt sich Lilian in ihr Zimmer am Ende des Flurs. Dort stehen auf einer Holzkommode das goldgerahmte Bild der Jungfrau Maria und drei Kerzen. Und drumherum reihen sich Fotos von lächelnden Philippinos. Lilians Kinder.
"Ich bete hier immer. Ich sage dann zu Rachel: Ich geh jetzt in mein Zimmer und bete, dass Gott Dir ein langes Leben gibt. Und sie sagt: Danke."