"Wir sind heiß, Jungs, wir sind heiß!"
Seit Jürgen Klinsmanns martialischen Ansprachen bei der WM 2006 gilt die Kabinenpredigt des Trainers als hohe psychologische Kunst. Die Spieler werden aufgeputscht, stark geredet und kritisiert - von der Bundes- bis zur Kreisliga.
Jürgen Klinsmann: "Die ham' Muffe, die ham' Muffe vor euch. Die kommen hier mit 'ner defensiven Aufstellung an, die machen sich in die Hosen. Es geht darum, aggressiv und konzentriert zuzubeißen, deshalb haben wir unseren Capitano..."
Sie ist die Mutter aller Kabinenansprachen, die Predigt von Jürgen Klinsmann bei der Weltmeisterschaft 2006 vor dem Viertelfinalspiel gegen Argentinien. Muffe, zubeißen, Hosen voll. Da war alles drin.
Mittlerweile wird die Kabinenpredigt als eine Kunst bezeichnet. Möglichkeiten der Interpretation gibt es viele. Es gibt die sachlichen Vertreter wie Jos Luhukay aus Augsburg. Andere sind für ihr Temperament bekannt. Bei Holger Stanislawski wackelten auf St. Pauli die Kabinenwände. Auch Jürgen Klopp hat dem Vernehmen nach ein sehr lautes Organ.
Sie alle sind Rollenmodelle für den Amateurfußball, für die Basis. Für Marco Kretschmer vom Berliner Landesligisten Berolina Mitte geht es bei seiner Ansprache vor allem um eines: Typgerecht muss sie sein. Klinsmann habe ihn nicht beeinflusst, doch Kretschmer konnte der Predigt des gewesenen Bundestrainers dennoch etwas abgewinnen:
"Ich fand es nur gut, dass er nicht nur als Trainer, sondern als eine Figur innerhalb der Kabine wahrgenommen wurde." Doch er schränkt ein: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Jupp Heynckes da aufbraust und den großen Zampano macht. Der wird seine Sachen sachlich mitgeben."
Tatsächlich war Bayern-Trainer Jupp Heynckes einer derjenigen, die sich wunderten über den Tonfall in der Kabine der deutschen Nationalelf. Klar war damals aber auch: Klinsmann ist eine Art Projektleiter für die Dauer der WM. Und eine Nationalmannschaft mit der Ansprache zu erreichen, ist etwas anders als ein Klubteam, das 50 Mal im Jahr zu Spielen zusammenkommt.
Doch auch in der Routine des Landesliga-Alltags gibt es bemerkenswert emotionale Momente. Marco Kretschmer: "Eckbälle, unsere eigenen Eckbälle, die treten wir scharf... die fliegen da rein und dann sind wir die, die die Bälle kontaktieren wollen. Dann will ich das Ding einnetzen, darum geht‘s."
"Stern Marienfelde ist Dritter, die denken, dass ihre Sterne leuchten. Wenn ihre Sterne leuchten, dann müssen die heute 'ne Bero-Elf bekämpfen, bearbeiten: Wir sind heiß, Jungs, wir sind heiß und wir sind scharf auf unsere ersten Punkte: Wenn die wirklich hier gewinnen wollen gegen uns, dann müssen die alles aufbieten. Und dann haben die sich 'nen Sieg verdient. Der Grund dafür liegt darin, dass ich stolz bin, so 'nen blauen Bero-Pullover anzuhaben. Ich will gar kein Rot anhaben, will ich gar nicht. Egal, wo wir stehen."
So kann sie also klingen, die Ansprache. Resolut, emotional, ergriffen. Ganz nüchtern lassen sich dagegen manchmal die Jugendteams begeistern. Im gleichen Verein hat Trainer Frank Kotz die Sachlichkeit zur Devise erklärt:
"So, Jungs, heute geht es gegen Pankow. Wir wissen nicht, wie die spielen, wir haben noch nicht gegen die gespielt, außer vor 27 Jahren vielleicht mal, ist also völlig egal. Wir werden zusehen, dass wir hier unser Spiel spielen, unser Spiel geht über die Flanken, unser Spiel geht über Doppelpässe und das möglichst schnell - und so schießen wir auch die Tore. Wir haben schnelle Jungs hier, die diesen Weg gehen können, aber nicht nur immer gehen, sondern wir wollen hier spielen, den Ball laufen lassen und ein schönes Spiel machen."
Die Ansprache vor dem Anpfiff ist das eine. Die Halbzeitansprache hat wiederum eigene Gesetze. Hier geht es darum, korrigierend einzugreifen, ein verfahrenes Spiel noch aus dem Feuer zu reißen. Der Psychologe im Trainer ist gefragt. Also: Erst mal aufbauen und loben:
Marco Kretschmer: "Wir spielen ein gutes Spiel Männer, wir spielen ein gutes Spiel, kriegen natürlich wieder drei Buden..."
Bevor es dann in die Einzelkritik geht - die kann dann mitunter schon mal etwas heftiger ausfallen:
"Der zweite Treffer, wo der Dritte sich dreht, den musst du, Per, viel besser abschirmen. Der ist 20 Minuten in der Luft. Was du immer einforderst mit dem Kopfballspiel. Und der Körpersprache, das klärst du in die Mitte, so halbschwul... ich höre auch: Osachen, du redest wieder viel, aber schlecht... Konzentrier' dich auf das Wesentliche. Zehn andere Leute, Osa, und du hast deine Position nicht, und das ist für deinen Kopf entscheidend, und nicht was zehn andere machen. Das ist nämlich die Situation, die wir hatten, viel reden, und kommt nichts bei raus."
Ein unverstellter Blick in die Sakristei des Fußballs offenbart auch die Aufforderung zu kleinen Unsauberkeiten. Der Appell, sich doch einfach mal fallen zu lassen, um einen Freistoß oder Elfmeter herauszuholen, kommt auch in der Ansprache Kretschmers vor - denn der hat den Schiedsrichters mit seinen Stärken und Schwächen schnell eingeschätzt:
"Schiedsrichter pfeift 'ne kleinliche Linie - das habe ich ihm auch vorgeworfen. Wenn wir den Kontakt verspüren, 'nen Diver, am Sechszehner erst recht. Der pfeift, weil er die Zweikampfhärte rausnehmen will."
Der Appell zur Schwalbe hat Berolina nicht helfen können - die Mannschaft stieg aus der Berliner Landesliga ab. Aber eines ist klar. An der Ansprache kann es nicht gelegen haben.
Sie ist die Mutter aller Kabinenansprachen, die Predigt von Jürgen Klinsmann bei der Weltmeisterschaft 2006 vor dem Viertelfinalspiel gegen Argentinien. Muffe, zubeißen, Hosen voll. Da war alles drin.
Mittlerweile wird die Kabinenpredigt als eine Kunst bezeichnet. Möglichkeiten der Interpretation gibt es viele. Es gibt die sachlichen Vertreter wie Jos Luhukay aus Augsburg. Andere sind für ihr Temperament bekannt. Bei Holger Stanislawski wackelten auf St. Pauli die Kabinenwände. Auch Jürgen Klopp hat dem Vernehmen nach ein sehr lautes Organ.
Sie alle sind Rollenmodelle für den Amateurfußball, für die Basis. Für Marco Kretschmer vom Berliner Landesligisten Berolina Mitte geht es bei seiner Ansprache vor allem um eines: Typgerecht muss sie sein. Klinsmann habe ihn nicht beeinflusst, doch Kretschmer konnte der Predigt des gewesenen Bundestrainers dennoch etwas abgewinnen:
"Ich fand es nur gut, dass er nicht nur als Trainer, sondern als eine Figur innerhalb der Kabine wahrgenommen wurde." Doch er schränkt ein: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Jupp Heynckes da aufbraust und den großen Zampano macht. Der wird seine Sachen sachlich mitgeben."
Tatsächlich war Bayern-Trainer Jupp Heynckes einer derjenigen, die sich wunderten über den Tonfall in der Kabine der deutschen Nationalelf. Klar war damals aber auch: Klinsmann ist eine Art Projektleiter für die Dauer der WM. Und eine Nationalmannschaft mit der Ansprache zu erreichen, ist etwas anders als ein Klubteam, das 50 Mal im Jahr zu Spielen zusammenkommt.
Doch auch in der Routine des Landesliga-Alltags gibt es bemerkenswert emotionale Momente. Marco Kretschmer: "Eckbälle, unsere eigenen Eckbälle, die treten wir scharf... die fliegen da rein und dann sind wir die, die die Bälle kontaktieren wollen. Dann will ich das Ding einnetzen, darum geht‘s."
"Stern Marienfelde ist Dritter, die denken, dass ihre Sterne leuchten. Wenn ihre Sterne leuchten, dann müssen die heute 'ne Bero-Elf bekämpfen, bearbeiten: Wir sind heiß, Jungs, wir sind heiß und wir sind scharf auf unsere ersten Punkte: Wenn die wirklich hier gewinnen wollen gegen uns, dann müssen die alles aufbieten. Und dann haben die sich 'nen Sieg verdient. Der Grund dafür liegt darin, dass ich stolz bin, so 'nen blauen Bero-Pullover anzuhaben. Ich will gar kein Rot anhaben, will ich gar nicht. Egal, wo wir stehen."
So kann sie also klingen, die Ansprache. Resolut, emotional, ergriffen. Ganz nüchtern lassen sich dagegen manchmal die Jugendteams begeistern. Im gleichen Verein hat Trainer Frank Kotz die Sachlichkeit zur Devise erklärt:
"So, Jungs, heute geht es gegen Pankow. Wir wissen nicht, wie die spielen, wir haben noch nicht gegen die gespielt, außer vor 27 Jahren vielleicht mal, ist also völlig egal. Wir werden zusehen, dass wir hier unser Spiel spielen, unser Spiel geht über die Flanken, unser Spiel geht über Doppelpässe und das möglichst schnell - und so schießen wir auch die Tore. Wir haben schnelle Jungs hier, die diesen Weg gehen können, aber nicht nur immer gehen, sondern wir wollen hier spielen, den Ball laufen lassen und ein schönes Spiel machen."
Die Ansprache vor dem Anpfiff ist das eine. Die Halbzeitansprache hat wiederum eigene Gesetze. Hier geht es darum, korrigierend einzugreifen, ein verfahrenes Spiel noch aus dem Feuer zu reißen. Der Psychologe im Trainer ist gefragt. Also: Erst mal aufbauen und loben:
Marco Kretschmer: "Wir spielen ein gutes Spiel Männer, wir spielen ein gutes Spiel, kriegen natürlich wieder drei Buden..."
Bevor es dann in die Einzelkritik geht - die kann dann mitunter schon mal etwas heftiger ausfallen:
"Der zweite Treffer, wo der Dritte sich dreht, den musst du, Per, viel besser abschirmen. Der ist 20 Minuten in der Luft. Was du immer einforderst mit dem Kopfballspiel. Und der Körpersprache, das klärst du in die Mitte, so halbschwul... ich höre auch: Osachen, du redest wieder viel, aber schlecht... Konzentrier' dich auf das Wesentliche. Zehn andere Leute, Osa, und du hast deine Position nicht, und das ist für deinen Kopf entscheidend, und nicht was zehn andere machen. Das ist nämlich die Situation, die wir hatten, viel reden, und kommt nichts bei raus."
Ein unverstellter Blick in die Sakristei des Fußballs offenbart auch die Aufforderung zu kleinen Unsauberkeiten. Der Appell, sich doch einfach mal fallen zu lassen, um einen Freistoß oder Elfmeter herauszuholen, kommt auch in der Ansprache Kretschmers vor - denn der hat den Schiedsrichters mit seinen Stärken und Schwächen schnell eingeschätzt:
"Schiedsrichter pfeift 'ne kleinliche Linie - das habe ich ihm auch vorgeworfen. Wenn wir den Kontakt verspüren, 'nen Diver, am Sechszehner erst recht. Der pfeift, weil er die Zweikampfhärte rausnehmen will."
Der Appell zur Schwalbe hat Berolina nicht helfen können - die Mannschaft stieg aus der Berliner Landesliga ab. Aber eines ist klar. An der Ansprache kann es nicht gelegen haben.