"Wir sind keine Kolonialherren"
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat die Bedeutung der deutschen Entwicklungspolitik im Jemen unterstrichen. Schwerpunkte der Hilfen seien Bildung, Wasserversorgung und die Unterstützung einer guten Regierungsführung.
Nana Brink: Jemen gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und zu den unsichersten. Es ist eines der schwierigsten Partnerländer, das sich Entwicklungsminister Dirk Niebel da für seinen Besuch ausgesucht hat. Armut, versiegende Wasservorräte, eine rückständige Gesellschaftsstruktur prägen das Wüstenland. Hinzu kommt eine völlig unsichere Lage, seit Jahren ist das Land Rückzugsgebiet des internationalen Terrorismus, wir erinnern uns an die Briefbomben, die vor einigen Wochen im Jemen aufgegeben worden sind.
Ist es da eigentlich gerechtfertigt, dass Deutschland über 80 Millionen Euro in den letzten Jahren für Entwicklungshilfe bereitgestellt hat? Ich habe mit Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel vor der Sendung über seine Reise in den Jemen gesprochen und ihn gefragt: Was kann deutsche Entwicklungshilfe in einem Land eigentlich wie dem Jemen leisten?
Dirk Niebel: Wir arbeiten mit dem Jemen in drei Schwerpunkten zusammen. Das eine ist der Bildungsschwerpunkt. Die Bildung ist eine zentrale Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und der Bildungszugang im Jemen ist noch nicht für alle, vor allem bei Mädchen noch nicht für alle möglich. Es ist allerdings die Voraussetzung, dass tatsächlich dann hinterher auch, egal wer regiert, die Menschen selbst reflektieren können, was mit ihnen passiert. Deswegen ist der Bildungssektor ein wichtiger Bereich. Der zweite Bereich, die Wasservorkommen werden immer knapper. Wir arbeiten zusammen im Wasserressourcenmanagement, damit die vorhandenen Kapazitäten wirtschaftlich ausgenutzt werden, aber auch in der Wasserver- und in der Abwasserentsorgung, um hier ein wenig Druck aus der Problematik herauszunehmen, der insbesondere natürlich auch durch die stark wachsende Bevölkerung immer größer wird. Und der dritte Bereich, eigentlich der zentrale, ist der Bereich der guten Regierungsführung. Und das ist weit mehr als der Aufbau einer Antikorruptionsbehörde und eines Rechnungshofes, das ist vor allem der politische Dialog, der hier insbesondere zwischen Regierung und Opposition zum Erliegen gekommen ist.
Brink: Wie konkret machen Sie das denn, wie muss ich mir das vorstellen: Haben Sie sich die Projekte vor Ort angeguckt und gerade auch im letzten Hinblick, was die Regierungsführung angeht, mit den Betroffenen gesprochen und überprüft, wo denn Ihr Geld hingeht?
Niebel: Ich habe mir einige Projekte angeguckt, von denen ich zum größten Teil sehr begeistert gewesen bin. Wir können uns im Moment leider nicht alle Projekte angucken, aufgrund der Sicherheitslage sind wir in manchen Gegenden nicht in der Lage, selbst, sondern nur mit Ortskräften oder mit arabischen Consultants in die Projekte zu gehen. Das ist eine schlechte Situation, die wir verbessern wollen durch ein neues Sicherheitskonzept eben auch, um zu sehen, ob die Gelder in die richtigen Kanäle gehen, und den Projektfortschritt zu begleiten. Und auf die zweite Frage: Ja, ich habe mit beiden gesprochen, mit Regierung und Opposition, und habe festgestellt, dass hier im Augenblick zwei Züge aufeinander zufahren, weil anders als bei uns der politische Diskurs hier nicht durch die Debatte geführt wird, die oftmals in der Öffentlichkeit als Streit diskreditiert wird, sondern hier wird der politische Diskurs dadurch geführt, dass man gegebenenfalls gewaltsam aufeinander losgeht. Und deswegen ist es ganz dringend notwendig, dass die Vereinbarung zwischen Regierung und Opposition von vor einigen Monaten, eine nationale Strategie der Kommunikation zu pflegen bis zu den Wahlen im April, dass die wieder aufgenommen wird.
Brink: Haben Sie denn den Eindruck, dass man auf Sie gehört hat? Ist das nicht auch ein bisschen eine naive Vorstellung: Da kommt der Entwicklungsminister aus Deutschland und versucht Toleranz zu predigen?
Niebel: Nein, ich bin nicht naiv und ich weiß auch, dass mir in vielen Fällen das schöne Bild gezeichnet wird. Auf der anderen Seite ist die internationale Gemeinschaft hier ziemlich geschlossen, die Friends of Yemen, das ist eine Gruppe der Golfanrainerstaaten und anderer, zu denen auch Deutschland gehört, wollen in einer Dialogrunde, die in Riad im März wieder stattfinden soll, die Sicherheitsproblematik weiter besprechen. Heute ist der türkische Premierminister im Land und morgen wird die amerikanische Außenministerin anreisen, auch eben, um mit dem Staatspräsidenten darüber zu reden, dass es vielleicht keine gute Idee ist, die Verfassung so zu ändern, dass man noch eine weitere Amtszeit als bisher verfassungsrechtlich möglich ist hinten dranhängen kann.
Brink: Nun habe ich es auch bereits erwähnt: Deutschland stellt über 80 Millionen Euro bereit. Machen Sie denn Zusagen für Entwicklungshilfe auch von der Sicherheitslage abhängig, also davon, wie mit dem Terrorismus umgegangen wird?
Niebel: Nein, die Frage des Terrorismus ist keine, die wir konditionieren. Allerdings werden wir anhand des Fünfjahresentwicklungsplans der jemenitischen Regierung die nächsten Regierungsverhandlungen im Mai, Juni führen, wo wir auch klare Ziele beschreiben, die in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen sind, damit das Geld fließen kann. Neudeutsch heißt das dann Aid on Delivery. Und dazu gehört auch natürlich der Bereich der guten Regierungsführung, das heißt zumindest keine weitere Schwächung der Pressefreiheit, wenn es geht, eine Stärkung der Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit muss weiter gewährleistet sein und die Korruption muss weiter bekämpft werden. Das kann man mit ziemlich klaren Kennzahlen festmachen, ob diese Ziele erreicht sind oder nicht.
Brink: Und wenn sie nicht erreicht werden, wird das Geld gestrichen?
Niebel: Wenn sie nicht erreicht werden, wird das Geld nicht ausgezahlt. Wir vereinbaren gemeinsam Ziele. Wir sind keine Kolonialherren, deswegen sind die Ziele, die die jemenitische Regierung beschreibt, die in unseren Sektoren, in denen wir tätig werden können und wollen, vereinbart werden, der Maßstab. Und wenn die jemenitische Regierung ein Ziel sich vornimmt und wir gemeinsame Zwischenziele definieren, an denen dann, wenn sie erreicht sind, Mittel fließen, dann ist das glaube ich ein sehr faires Abkommen.
Brink: Ist denn der Jemen dann, abschließend gefragt, ein Beispiel für Ihre Vorstellung von Entwicklungshilfe, also: Deutschland hat ein Interesse am Jemen und zahlt auch dafür?
Niebel: Deutschland hat zunächst einmal eine werteorientierte Entwicklungspolitik. Dazu gehört die Achtung der allgemeinen Menschenrechte, aber eben auch gute Regierungsführung, zum Beispiel die Bekämpfung von Korruption, denn Korruption ist das größte Entwicklungshemmnis, das es überhaupt auf der Welt gibt. Aber neben der Werteorientierung habe ich immer gesagt, dass Staaten auch Interessen haben. Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen. Und es ist ein Interesse von uns, dass nicht womöglich wie in Somalia ein Land wie der Jemen verloren geht und dann auf beiden Seiten des Roten Meeres das Chaos herrscht. Das ist nicht in unserem Sinne, aber vor allem auch nicht wie im Sinne der Menschen, die hier leben.
Brink: Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel, schönen Dank für das Gespräch!
Niebel: Gerne, danke Ihnen!
Ist es da eigentlich gerechtfertigt, dass Deutschland über 80 Millionen Euro in den letzten Jahren für Entwicklungshilfe bereitgestellt hat? Ich habe mit Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel vor der Sendung über seine Reise in den Jemen gesprochen und ihn gefragt: Was kann deutsche Entwicklungshilfe in einem Land eigentlich wie dem Jemen leisten?
Dirk Niebel: Wir arbeiten mit dem Jemen in drei Schwerpunkten zusammen. Das eine ist der Bildungsschwerpunkt. Die Bildung ist eine zentrale Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und der Bildungszugang im Jemen ist noch nicht für alle, vor allem bei Mädchen noch nicht für alle möglich. Es ist allerdings die Voraussetzung, dass tatsächlich dann hinterher auch, egal wer regiert, die Menschen selbst reflektieren können, was mit ihnen passiert. Deswegen ist der Bildungssektor ein wichtiger Bereich. Der zweite Bereich, die Wasservorkommen werden immer knapper. Wir arbeiten zusammen im Wasserressourcenmanagement, damit die vorhandenen Kapazitäten wirtschaftlich ausgenutzt werden, aber auch in der Wasserver- und in der Abwasserentsorgung, um hier ein wenig Druck aus der Problematik herauszunehmen, der insbesondere natürlich auch durch die stark wachsende Bevölkerung immer größer wird. Und der dritte Bereich, eigentlich der zentrale, ist der Bereich der guten Regierungsführung. Und das ist weit mehr als der Aufbau einer Antikorruptionsbehörde und eines Rechnungshofes, das ist vor allem der politische Dialog, der hier insbesondere zwischen Regierung und Opposition zum Erliegen gekommen ist.
Brink: Wie konkret machen Sie das denn, wie muss ich mir das vorstellen: Haben Sie sich die Projekte vor Ort angeguckt und gerade auch im letzten Hinblick, was die Regierungsführung angeht, mit den Betroffenen gesprochen und überprüft, wo denn Ihr Geld hingeht?
Niebel: Ich habe mir einige Projekte angeguckt, von denen ich zum größten Teil sehr begeistert gewesen bin. Wir können uns im Moment leider nicht alle Projekte angucken, aufgrund der Sicherheitslage sind wir in manchen Gegenden nicht in der Lage, selbst, sondern nur mit Ortskräften oder mit arabischen Consultants in die Projekte zu gehen. Das ist eine schlechte Situation, die wir verbessern wollen durch ein neues Sicherheitskonzept eben auch, um zu sehen, ob die Gelder in die richtigen Kanäle gehen, und den Projektfortschritt zu begleiten. Und auf die zweite Frage: Ja, ich habe mit beiden gesprochen, mit Regierung und Opposition, und habe festgestellt, dass hier im Augenblick zwei Züge aufeinander zufahren, weil anders als bei uns der politische Diskurs hier nicht durch die Debatte geführt wird, die oftmals in der Öffentlichkeit als Streit diskreditiert wird, sondern hier wird der politische Diskurs dadurch geführt, dass man gegebenenfalls gewaltsam aufeinander losgeht. Und deswegen ist es ganz dringend notwendig, dass die Vereinbarung zwischen Regierung und Opposition von vor einigen Monaten, eine nationale Strategie der Kommunikation zu pflegen bis zu den Wahlen im April, dass die wieder aufgenommen wird.
Brink: Haben Sie denn den Eindruck, dass man auf Sie gehört hat? Ist das nicht auch ein bisschen eine naive Vorstellung: Da kommt der Entwicklungsminister aus Deutschland und versucht Toleranz zu predigen?
Niebel: Nein, ich bin nicht naiv und ich weiß auch, dass mir in vielen Fällen das schöne Bild gezeichnet wird. Auf der anderen Seite ist die internationale Gemeinschaft hier ziemlich geschlossen, die Friends of Yemen, das ist eine Gruppe der Golfanrainerstaaten und anderer, zu denen auch Deutschland gehört, wollen in einer Dialogrunde, die in Riad im März wieder stattfinden soll, die Sicherheitsproblematik weiter besprechen. Heute ist der türkische Premierminister im Land und morgen wird die amerikanische Außenministerin anreisen, auch eben, um mit dem Staatspräsidenten darüber zu reden, dass es vielleicht keine gute Idee ist, die Verfassung so zu ändern, dass man noch eine weitere Amtszeit als bisher verfassungsrechtlich möglich ist hinten dranhängen kann.
Brink: Nun habe ich es auch bereits erwähnt: Deutschland stellt über 80 Millionen Euro bereit. Machen Sie denn Zusagen für Entwicklungshilfe auch von der Sicherheitslage abhängig, also davon, wie mit dem Terrorismus umgegangen wird?
Niebel: Nein, die Frage des Terrorismus ist keine, die wir konditionieren. Allerdings werden wir anhand des Fünfjahresentwicklungsplans der jemenitischen Regierung die nächsten Regierungsverhandlungen im Mai, Juni führen, wo wir auch klare Ziele beschreiben, die in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen sind, damit das Geld fließen kann. Neudeutsch heißt das dann Aid on Delivery. Und dazu gehört auch natürlich der Bereich der guten Regierungsführung, das heißt zumindest keine weitere Schwächung der Pressefreiheit, wenn es geht, eine Stärkung der Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit muss weiter gewährleistet sein und die Korruption muss weiter bekämpft werden. Das kann man mit ziemlich klaren Kennzahlen festmachen, ob diese Ziele erreicht sind oder nicht.
Brink: Und wenn sie nicht erreicht werden, wird das Geld gestrichen?
Niebel: Wenn sie nicht erreicht werden, wird das Geld nicht ausgezahlt. Wir vereinbaren gemeinsam Ziele. Wir sind keine Kolonialherren, deswegen sind die Ziele, die die jemenitische Regierung beschreibt, die in unseren Sektoren, in denen wir tätig werden können und wollen, vereinbart werden, der Maßstab. Und wenn die jemenitische Regierung ein Ziel sich vornimmt und wir gemeinsame Zwischenziele definieren, an denen dann, wenn sie erreicht sind, Mittel fließen, dann ist das glaube ich ein sehr faires Abkommen.
Brink: Ist denn der Jemen dann, abschließend gefragt, ein Beispiel für Ihre Vorstellung von Entwicklungshilfe, also: Deutschland hat ein Interesse am Jemen und zahlt auch dafür?
Niebel: Deutschland hat zunächst einmal eine werteorientierte Entwicklungspolitik. Dazu gehört die Achtung der allgemeinen Menschenrechte, aber eben auch gute Regierungsführung, zum Beispiel die Bekämpfung von Korruption, denn Korruption ist das größte Entwicklungshemmnis, das es überhaupt auf der Welt gibt. Aber neben der Werteorientierung habe ich immer gesagt, dass Staaten auch Interessen haben. Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen. Und es ist ein Interesse von uns, dass nicht womöglich wie in Somalia ein Land wie der Jemen verloren geht und dann auf beiden Seiten des Roten Meeres das Chaos herrscht. Das ist nicht in unserem Sinne, aber vor allem auch nicht wie im Sinne der Menschen, die hier leben.
Brink: Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel, schönen Dank für das Gespräch!
Niebel: Gerne, danke Ihnen!