"Wir sollten aufhören mit dieser Denkmalerei"
Der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann hat sich für ein Moratorium im Denkmalsbau ausgesprochen. In Berlin gäbe es bereits zu viele Denkmäler. "Wir sollten nicht mehr so viel denkmalen, sondern mehr nachdenken", sagte Wippermann. Er sprach sich stattdessen für ein Erinnern an authentischen Orten wie ehemaligen Konzentrationslagern oder früheren Stätten des Terrors der Gestapo aus. Die Sprache des Denkmals habe sich verbraucht und sei im 21. Jahrhundert nicht mehr adäquat.
Nana Brink: Noch ein Denkmal? So haben wir uns gefragt, als bekannt wurde, dass auch der Hitlerattentäter Georg Elser nun ein Denkmal bekommen soll, - nicht etwa in München, wo er 1939 versucht hat, Hitler im Bürgerbräukeller zu ermorden, sondern in Berlin. Das zumindest forderte gestern der Kulturstaatssekretär André Schmitz und der Schriftsteller Rolf Hochhuth. Bevor wir über den Sinn eines solches Denkmals sprechen, gibt Jens Rosbach einen Überblick über die Gedenkstätten in der Hauptstadt.
Am Telefon sind wir jetzt verbunden mit Professor Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied des Kuratoriums der Thüringer Gedenkstätten und als Gutachter und wissenschaftlicher Begleiter des Realisierungsverfahrens der Denkmäler für die ermordeten Juden Europas, für die Sinti und Roma und für die Homosexuellen tätig. Guten Morgen, Herr Professor Wippermann!
Wolfgang Wippermann: Schönen guten Morgen!
Brink: Jetzt also noch ein Denkmal für Georg Elser, wie gestern gefordert wurde, den Hitler-Attentäter von München. Wie viele Denkmale oder Denkmäler verträgt denn Berlin? Und wenn ich Berlin sage, meine ich natürlich nicht die Berliner, sondern deutsche, die in der Hauptstadt stehen.
Wippermann: Wir haben eindeutig hier zu viel Denkmäler, und wir sollten nicht mehr so viel denkmalen, sondern mehr nachdenken. Aber ich möchte noch zu Georg Elser sagen, dass Hochhuth durchaus eine gute Idee hat. Georg Elser war ein Held, er ist viel zu wenig bekannt. Und wenn das Attentat auf Hitler geklappt hätte, hätte dieser einzige Mann, Georg Elser, den Zweiten Weltkrieg mit 50 Millionen Toten vielleicht verhindern können.
Brink: Er war ja immerhin fünf Jahre früher dran als der Widerstand, von dem immer die Rede ist, nämlich der militärische?
Wippermann: Richtig, aber der Punkt ist natürlich, wenn jetzt an dieser Denkmalsmeile nun noch ein Denkmal für einen Widerstandskämpfer kommt, dann wollen natürlich die anderen Widerstandskämpfer ein Denkmal haben, und dann haben wir nicht nur eine Denkmalsmeile, dann haben wir einen Denkmalsdschungel.
Brink: Damit sind wir eigentlich schon beim Kern des Problems. Man hat ja den Eindruck nach den Debatten und den Querelen über die einzelnen Mahnmale, sei es jetzt das Denkmal für die Homosexuellen oder jetzt das Denkmal für die Sinti und Roma, dass man ja unbedingt politisch korrekt sein möchte, sage ich jetzt mal zugespitzt, um keinen zu vergessen. Ist das denn der richtige Weg in der Gedenkstättenpolitik?
Wippermann: Nein, das war nicht der richtige Weg. Und man hätte ihn verhindern können, wenn das Holocaust-Denkmal auch an andere Opfer erinnert. Das Holocaust-Denkmal erinnert nur an den Völkermord an den Juden. Und der zweite Völkermord, der Genozid an den Sinti und Roma, der im Romanes, der Sprache der Roma, Porajmos heißt, wird dort nicht erwähnt. Und von daher war es notwendig, dass auch ein Denkmal für den Völkermord an den Sinti und Roma gebaut wurde, wer A sagt, muss auch B sagen.
Aber dann die anderen Gruppen, die jetzt kommen, sind doch anders verfolgt worden. Der Mord an den Juden, der Mord an den Roma, den Sinti und Roma, waren Völkermorde, es waren Verbrechen an den Homosexuellen, das ist ein Unterschied.
Und diese Linie, die Sie da aufgezogen haben, ist ja nicht zu Ende. Es werden noch weitere Denkmäler kommen. Herr Rossbach hatte nicht erwähnt, dass ja auch die Vertriebenen gewissermaßen nicht nur ein Denkmal bekommen, sondern ein ganzes Haus, das unmittelbar neben der Topografie des Terrors, das Deutschlandhaus. Und dann werden sozusagen alle zu Opfern gemacht und die Nacht, in der alle Katzen grau sind, das haben die Opfer nicht verdient. Wir haben uns hier in eine Zwickmühle gebracht, die zu stoppen ist gewissermaßen. Wir sollen endlich aufhören mit diesen Denkmalen.
Brink: Aber Sie haben es gesagt, es sind alles Opfer, aber man hat mit dem Holocaust-Mahnmal, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ja auch eine Hierarchisierung der Opfer eingeleitet. Und nun muss man allen gerecht werden?
Wippermann: Ja, das ist auch das Problem, dass das jetzt natürlich eine Hierarchisierung ist, so groß wie das große Denkmal für die Juden, das Holocaust-Denkmal, können die anderen Denkmäler gar nicht sein. Und dann ist da quasi schon eine Hierarchisierung durch die Größe gemacht worden, und das ist äußerst problematisch.
Brink: Kann man denn dann allen Opfergruppen gerecht werden?
Wippermann: Ich meine, das kann man schon, wenn man das an den authentischen Orten macht, und das plädiere ich sehr. Das sind ja alles künstliche Orte oder fast alles künstliche Orte, die wir hier in Berlin haben. Wo das Holocaust-Denkmal steht, war die Reichskanzlei. Gut, dass wir daran nicht erinnern, das ist schon gut. Aber die Erfahrung zeigt doch, dass die authentischen Orte, die früheren Konzentrationslager, die früheren Stätten des Terrors der Gestapo, die zeigen, es war nicht irgendwie weit weg, sondern ganz in der Nähe - das ist ein besserer Ort des Erinnerns und auch des Gedenkens und auch der Trauer. Und diese Funktion erfüllen diese Denkmäler, die wir hier haben, nicht. Mein Plädoyer ist, eigentlich sollte man das möglichst nur an den authentischen Orten, den Stätten des Terrors und des Widerstandes in Berlin und außerhalb Berlins, in ganz Deutschland machen.
Brink: Wir sprechen mit Professor Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität Berlin über die Gedenkstättenkultur in Deutschland und besonders in Berlin, wo jetzt viele Denkmale errichtet werden. Sie haben es gesagt, Sie wollen gerne an den authentischen Orten der nationalsozialistischen Verbrechen an diese Geschichte erinnern. Besteht dann die Gefahr, dass durch diese Flut von Gedenkstätten eigentlich die Geschichte, sagen wir, relativiert wird oder dass es nur reine, ich benutz mal das böse Wort, "Kranzabwurfstellen" werden?
Wippermann: Ja, diese Gefahr besteht nicht nur, sie ist da. Auch das Holocaust-Denkmal hat einen guten Ort der Information unterirdisch. Aber die Steine, die Stelen sagen meines Erachtens nicht aus und rufen auch nicht Trauer oder irgendein Empfinden gewissermaßen hervor. Und einfach ist es, was zu viel ist, ist zu viel. Und da wird der gute Zweck ins Gegenteil verkehrt. Gut gemeint ist nicht immer gut. Gut gemeint ist manchmal auch einfach schlecht. Und wir haben hier die Gefahr, dass das gut Gemeinte ins Schlechte abgleitet.
Noch einmal, wir sollen jetzt ein Moratorium machen, wir sollen aufhören mit dieser Denkmalerei und erst mal nachdenken, was wir wollen und was wir erreichen wollen, vor allen Dingen auch im Hinblick auf die jüngere Generation, die lebensgeschichtlich mit dieser Zeit ja in keiner Weise mehr verbunden ist.
Brink: Bleiben wir doch da mal an diesem konkreten Ausgangspunkt unserer Diskussion, nämlich dem Denkmal für Georg Elser, dem Hitler-Attentäter. Es soll also nicht in Berlin stattfinden. Wie sollte man denn dann an ihn erinnern? Sie haben ja selber gesagt, das wäre notwendig, an diese Geschichte zu erinnern.
Wippermann: Ja, es wird notwendig, wenn es auch bei den Historikern, ich habe einen Kollegen in Chemnitz, Lothar Fritze, der vor einigen Jahren Georg Elser als Verbrecher bezeichnet hat, der hätte das nicht machen dürfen, das Attentat. Und das zeigt, dass solche Menschen, einfache Menschen, wir haben hier in Berlin auch noch die Demonstration der Frauen in der Rosenstraße für Juden, die sind zu wenig beachtet worden. Und Georg Elser und auch die Demonstrationen der Frauen in der Rosenstraße für Juden, die haben eine Aussage, die zeigen, dass jeder Mann und jede Frau etwas tun kann. Das heißt, es muss nicht der oberste General, der Graf, sein, sondern es ist der einfache Mann und die einfache Frau, die haben eine, neudeutsch: Message.
Leider hat man beim Geschichtsbild in beiden deutschen Staaten immer nach oben geguckt, die großen Männer, meistens sind es auch nur noch große Männer und nicht Frauen, und die einfachen Leute, die viel mehr erreicht haben, die Leben gerettet haben und Leben hätten retten können, wie Georg Elser, sind im Geschichtsbewusstsein nicht präsent. Das ist an sich schlimm, das nur die großen Männer von den großen Historikern berücksichtigt werden und die kleineren und viel wirkungsvolleren kaum.
Wenn Sie Geschichtsbücher sehen, Georg Elser wird sehr, sehr wenig erwähnt. Und von daher noch einmal, Georg Elser muss stärker erwähnt werden, vor allen Dingen um den Vorwurf des Verbrechertums, das an ihm haftet, abzuwehren und zu sagen, in einer solchen Situation ist dann auch ein Mord notwendig. Das war ja schließlich auch am 20. Juli 1944 so geplant.
Brink: Aber vielleicht nicht mit einem Denkmal, sondern Sie haben ja von einem Moratorium gesprochen. Wie kann denn sinnvolles Erinnern Ihrer Meinung nach dann aussehen?
Wippermann: Wir müssen uns einfach zusammensetzen und vor allem auch sehen, diese Denkmäler werden ja eigentlich nicht für die Opfer errichtet, sondern von den Denkmalssetzern, und wir müssen sehen, wem das, für was das nützlich ist, was wir erreichen wollen. Die authentischen Denkmäler, noch einmal, so Buchenwald, weil ich da tätig bin, die erreichen ihren Zweck. Es werden viele Besucher und vor allen Dingen jüngere sind da, die sind freiwillig da, mit meinen Studenten immer da, und da erreicht man etwas, dass die wirklich nachdenken und den Bezug zu ihrer eigenen Gegenwart, zu ihrem eigenen Leben haben.
Wir müssen uns mit den verschiedenen Fachrichtungen auseinandersetzen und sagen, ist jetzt generell die Sprache des Denkmals im 21. Jahrhundert adäquat, bringt das etwas noch. Denkmäler sind, das war das 19. Jahrhundert, die hohe Zeit der Denkmäler, der Kriegerdenkmäler, der Nationaldenkmäler usw. Ich glaube, das die Sprache des Denkmals sich verbraucht hat, und wir müssen da nach anderen Wegen suchen und möglicherweise, noch einmal, mit der Denkmalerei aufhören und erst mal nachdenken, was wir wollen, was wir erreichen wollen und für wen wir das machen wollen.
Brink: Vielen Dank! Professor Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität Berlin, und wir diskutierten mit ihm über die Gedenkstättenkultur in Deutschland.
Am Telefon sind wir jetzt verbunden mit Professor Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied des Kuratoriums der Thüringer Gedenkstätten und als Gutachter und wissenschaftlicher Begleiter des Realisierungsverfahrens der Denkmäler für die ermordeten Juden Europas, für die Sinti und Roma und für die Homosexuellen tätig. Guten Morgen, Herr Professor Wippermann!
Wolfgang Wippermann: Schönen guten Morgen!
Brink: Jetzt also noch ein Denkmal für Georg Elser, wie gestern gefordert wurde, den Hitler-Attentäter von München. Wie viele Denkmale oder Denkmäler verträgt denn Berlin? Und wenn ich Berlin sage, meine ich natürlich nicht die Berliner, sondern deutsche, die in der Hauptstadt stehen.
Wippermann: Wir haben eindeutig hier zu viel Denkmäler, und wir sollten nicht mehr so viel denkmalen, sondern mehr nachdenken. Aber ich möchte noch zu Georg Elser sagen, dass Hochhuth durchaus eine gute Idee hat. Georg Elser war ein Held, er ist viel zu wenig bekannt. Und wenn das Attentat auf Hitler geklappt hätte, hätte dieser einzige Mann, Georg Elser, den Zweiten Weltkrieg mit 50 Millionen Toten vielleicht verhindern können.
Brink: Er war ja immerhin fünf Jahre früher dran als der Widerstand, von dem immer die Rede ist, nämlich der militärische?
Wippermann: Richtig, aber der Punkt ist natürlich, wenn jetzt an dieser Denkmalsmeile nun noch ein Denkmal für einen Widerstandskämpfer kommt, dann wollen natürlich die anderen Widerstandskämpfer ein Denkmal haben, und dann haben wir nicht nur eine Denkmalsmeile, dann haben wir einen Denkmalsdschungel.
Brink: Damit sind wir eigentlich schon beim Kern des Problems. Man hat ja den Eindruck nach den Debatten und den Querelen über die einzelnen Mahnmale, sei es jetzt das Denkmal für die Homosexuellen oder jetzt das Denkmal für die Sinti und Roma, dass man ja unbedingt politisch korrekt sein möchte, sage ich jetzt mal zugespitzt, um keinen zu vergessen. Ist das denn der richtige Weg in der Gedenkstättenpolitik?
Wippermann: Nein, das war nicht der richtige Weg. Und man hätte ihn verhindern können, wenn das Holocaust-Denkmal auch an andere Opfer erinnert. Das Holocaust-Denkmal erinnert nur an den Völkermord an den Juden. Und der zweite Völkermord, der Genozid an den Sinti und Roma, der im Romanes, der Sprache der Roma, Porajmos heißt, wird dort nicht erwähnt. Und von daher war es notwendig, dass auch ein Denkmal für den Völkermord an den Sinti und Roma gebaut wurde, wer A sagt, muss auch B sagen.
Aber dann die anderen Gruppen, die jetzt kommen, sind doch anders verfolgt worden. Der Mord an den Juden, der Mord an den Roma, den Sinti und Roma, waren Völkermorde, es waren Verbrechen an den Homosexuellen, das ist ein Unterschied.
Und diese Linie, die Sie da aufgezogen haben, ist ja nicht zu Ende. Es werden noch weitere Denkmäler kommen. Herr Rossbach hatte nicht erwähnt, dass ja auch die Vertriebenen gewissermaßen nicht nur ein Denkmal bekommen, sondern ein ganzes Haus, das unmittelbar neben der Topografie des Terrors, das Deutschlandhaus. Und dann werden sozusagen alle zu Opfern gemacht und die Nacht, in der alle Katzen grau sind, das haben die Opfer nicht verdient. Wir haben uns hier in eine Zwickmühle gebracht, die zu stoppen ist gewissermaßen. Wir sollen endlich aufhören mit diesen Denkmalen.
Brink: Aber Sie haben es gesagt, es sind alles Opfer, aber man hat mit dem Holocaust-Mahnmal, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ja auch eine Hierarchisierung der Opfer eingeleitet. Und nun muss man allen gerecht werden?
Wippermann: Ja, das ist auch das Problem, dass das jetzt natürlich eine Hierarchisierung ist, so groß wie das große Denkmal für die Juden, das Holocaust-Denkmal, können die anderen Denkmäler gar nicht sein. Und dann ist da quasi schon eine Hierarchisierung durch die Größe gemacht worden, und das ist äußerst problematisch.
Brink: Kann man denn dann allen Opfergruppen gerecht werden?
Wippermann: Ich meine, das kann man schon, wenn man das an den authentischen Orten macht, und das plädiere ich sehr. Das sind ja alles künstliche Orte oder fast alles künstliche Orte, die wir hier in Berlin haben. Wo das Holocaust-Denkmal steht, war die Reichskanzlei. Gut, dass wir daran nicht erinnern, das ist schon gut. Aber die Erfahrung zeigt doch, dass die authentischen Orte, die früheren Konzentrationslager, die früheren Stätten des Terrors der Gestapo, die zeigen, es war nicht irgendwie weit weg, sondern ganz in der Nähe - das ist ein besserer Ort des Erinnerns und auch des Gedenkens und auch der Trauer. Und diese Funktion erfüllen diese Denkmäler, die wir hier haben, nicht. Mein Plädoyer ist, eigentlich sollte man das möglichst nur an den authentischen Orten, den Stätten des Terrors und des Widerstandes in Berlin und außerhalb Berlins, in ganz Deutschland machen.
Brink: Wir sprechen mit Professor Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität Berlin über die Gedenkstättenkultur in Deutschland und besonders in Berlin, wo jetzt viele Denkmale errichtet werden. Sie haben es gesagt, Sie wollen gerne an den authentischen Orten der nationalsozialistischen Verbrechen an diese Geschichte erinnern. Besteht dann die Gefahr, dass durch diese Flut von Gedenkstätten eigentlich die Geschichte, sagen wir, relativiert wird oder dass es nur reine, ich benutz mal das böse Wort, "Kranzabwurfstellen" werden?
Wippermann: Ja, diese Gefahr besteht nicht nur, sie ist da. Auch das Holocaust-Denkmal hat einen guten Ort der Information unterirdisch. Aber die Steine, die Stelen sagen meines Erachtens nicht aus und rufen auch nicht Trauer oder irgendein Empfinden gewissermaßen hervor. Und einfach ist es, was zu viel ist, ist zu viel. Und da wird der gute Zweck ins Gegenteil verkehrt. Gut gemeint ist nicht immer gut. Gut gemeint ist manchmal auch einfach schlecht. Und wir haben hier die Gefahr, dass das gut Gemeinte ins Schlechte abgleitet.
Noch einmal, wir sollen jetzt ein Moratorium machen, wir sollen aufhören mit dieser Denkmalerei und erst mal nachdenken, was wir wollen und was wir erreichen wollen, vor allen Dingen auch im Hinblick auf die jüngere Generation, die lebensgeschichtlich mit dieser Zeit ja in keiner Weise mehr verbunden ist.
Brink: Bleiben wir doch da mal an diesem konkreten Ausgangspunkt unserer Diskussion, nämlich dem Denkmal für Georg Elser, dem Hitler-Attentäter. Es soll also nicht in Berlin stattfinden. Wie sollte man denn dann an ihn erinnern? Sie haben ja selber gesagt, das wäre notwendig, an diese Geschichte zu erinnern.
Wippermann: Ja, es wird notwendig, wenn es auch bei den Historikern, ich habe einen Kollegen in Chemnitz, Lothar Fritze, der vor einigen Jahren Georg Elser als Verbrecher bezeichnet hat, der hätte das nicht machen dürfen, das Attentat. Und das zeigt, dass solche Menschen, einfache Menschen, wir haben hier in Berlin auch noch die Demonstration der Frauen in der Rosenstraße für Juden, die sind zu wenig beachtet worden. Und Georg Elser und auch die Demonstrationen der Frauen in der Rosenstraße für Juden, die haben eine Aussage, die zeigen, dass jeder Mann und jede Frau etwas tun kann. Das heißt, es muss nicht der oberste General, der Graf, sein, sondern es ist der einfache Mann und die einfache Frau, die haben eine, neudeutsch: Message.
Leider hat man beim Geschichtsbild in beiden deutschen Staaten immer nach oben geguckt, die großen Männer, meistens sind es auch nur noch große Männer und nicht Frauen, und die einfachen Leute, die viel mehr erreicht haben, die Leben gerettet haben und Leben hätten retten können, wie Georg Elser, sind im Geschichtsbewusstsein nicht präsent. Das ist an sich schlimm, das nur die großen Männer von den großen Historikern berücksichtigt werden und die kleineren und viel wirkungsvolleren kaum.
Wenn Sie Geschichtsbücher sehen, Georg Elser wird sehr, sehr wenig erwähnt. Und von daher noch einmal, Georg Elser muss stärker erwähnt werden, vor allen Dingen um den Vorwurf des Verbrechertums, das an ihm haftet, abzuwehren und zu sagen, in einer solchen Situation ist dann auch ein Mord notwendig. Das war ja schließlich auch am 20. Juli 1944 so geplant.
Brink: Aber vielleicht nicht mit einem Denkmal, sondern Sie haben ja von einem Moratorium gesprochen. Wie kann denn sinnvolles Erinnern Ihrer Meinung nach dann aussehen?
Wippermann: Wir müssen uns einfach zusammensetzen und vor allem auch sehen, diese Denkmäler werden ja eigentlich nicht für die Opfer errichtet, sondern von den Denkmalssetzern, und wir müssen sehen, wem das, für was das nützlich ist, was wir erreichen wollen. Die authentischen Denkmäler, noch einmal, so Buchenwald, weil ich da tätig bin, die erreichen ihren Zweck. Es werden viele Besucher und vor allen Dingen jüngere sind da, die sind freiwillig da, mit meinen Studenten immer da, und da erreicht man etwas, dass die wirklich nachdenken und den Bezug zu ihrer eigenen Gegenwart, zu ihrem eigenen Leben haben.
Wir müssen uns mit den verschiedenen Fachrichtungen auseinandersetzen und sagen, ist jetzt generell die Sprache des Denkmals im 21. Jahrhundert adäquat, bringt das etwas noch. Denkmäler sind, das war das 19. Jahrhundert, die hohe Zeit der Denkmäler, der Kriegerdenkmäler, der Nationaldenkmäler usw. Ich glaube, das die Sprache des Denkmals sich verbraucht hat, und wir müssen da nach anderen Wegen suchen und möglicherweise, noch einmal, mit der Denkmalerei aufhören und erst mal nachdenken, was wir wollen, was wir erreichen wollen und für wen wir das machen wollen.
Brink: Vielen Dank! Professor Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität Berlin, und wir diskutierten mit ihm über die Gedenkstättenkultur in Deutschland.