"Wir sollten keine Bombe schicken"

Von Jonathan Scheiner |
Gelernt hat sie bei den großen Klarinettenvirtuosen unserer Zeit, in Lübeck und Boston, doch vor zwei Jahren ist die Klarinettistin Shirley Brill nach Berlin gezogen. Von hier aus bereist sie die Welt, zum Beispiel als Mitglied von Daniel Barenboims West Eastern Divan Orchestra.
Ausgerechnet Sergei Prokofiev und Jean Francaix. Das sind die beiden Komponisten, denen sich die junge Klarinettistin Shirley Brill auf ihrer aktuellen CD widmet. Zwar sind diese beiden Neutöner in Klassikkreisen bestens bekannt, doch einfach zu hören ist ihre Musik nicht. Dennoch: Wie Shirley Brill die Stücke der beiden interpretiert, ist beeindruckend. Als sei es das Einfachste auf der Welt.

Hinter der scheinbaren Leichtigkeit steckt neben Talent vor allem Übung und Fleiß. Denn die Klarinette spielt die Israelin schon seit sie Kind ist. Dabei wollte sie zunächst wie ihre größere Schwester Klavier lernen. Die Liebesbeziehung zu ihrem Instrument entstand erst, als ihr Lehrer Yitzhak Katzap an die Musikschule in Petach Tikwa kam. Kein Wunder also, dass sie Katzap bis heute etwas scherzhaft als "Dritten Opa" bezeichnet.

Studiert hat Shirley Brill bei zwei der Besten ihres Fachs, bei Sabine Meyer in Lübeck und Richard Stolzman in Boston. Nachdem die israelische Klarinettistin die Prüfungen beendet hatte, schloss sich eine Lehrtätigkeit an der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler an. Dort arbeitet zufälligerweise auch Shirley Brills Duopartner Jonathan Aner. Gemeinsam mit dem Pianisten bildet sie das Duo Brillaner. Praktischerweise sind die beiden Musiker auch im richtigen Leben ein Paar.

"Wir kennen uns aus Israel. Es war ungefähr 15 Jahre her. Es war im Sommer da gab es Kammermusikkurse für ganz begabte junge Musiker, Schüler, Kinder zwischen 15 und 18 Jahren alt. Zwischen uns gibt es vier Jahre. Das heißt ich kam zu dem Kurs als ich 15 war, das heißt, Jonathan war schon fertig mit dem Kurs, aber er kam noch einmal zu Besuch. Da unterrichtet unter anderem auch Tabea Zimmermann. Und er kam zu ihr noch einmal Unterricht zu bekommen mit seinem damaligen Trio. Da haben wir uns kennengelernt und waren gut befreundet und ein paar Projekte zusammen gemacht und langsam waren wir dann zusammen. Und zum Glück haben wir den ganzen Weg zusammen gemacht. Und dann sind wir zusammen nach Boston und dann zusammen nach Berlin. Zum Glück hat's immer gut geklappt."

Shirley Brill arbeitet nicht nur als Dozentin, Solistin und Duopartnerin. Sie spielt auch in Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra. Als Barenboim 2010 den Preis des Westfälischen Friedens verliehen bekam, war sie es, die den Preis anstelle des Maestros entgegennahm. Allein dieses Jahr war sie schon einen ganzen Monat mit Barenboims israelisch-palästinensischem Orchester unterwegs. Das sei ein wichtiger Baustein in ihrer Karriere, sagt die Musikerin. Denn die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Musikern des Orchesters habe ihre Weltsicht komplett verändert.

"Ich bin mit dem Orchester seit 2009 und ich hab ein paar Projekte mit denen gemacht. Im Winter 2009 brauchten die unbedingt ein paar neue Spieler zu dieser Tournee, weil es war damals nochmal Krieg mit Israel und ein paar Araber konnten nicht kommen und die mussten unbedingt ein paar Neue suchen. Und dann habe ich mich auch noch mit Herrn Barenboim getroffen und er hat von sich und dem Orchester erzählt und er hat mich gefragt, was ich dazu denke, und wie sehe ich die ganze Situation, und so bin ich dann gekommen zum Orchester.

Es ist ihm wichtig, dass wir uns denken, es gibt keine militärische Solution, dass wir alle denken, wir sollten alle miteinander sprechen und keine Bombe schicken. Für mich war das dann ganz toll, die Araber zu treffen, weil normalerweise habe ich keine Möglichkeit, die zu treffen und mit denen zu sprechen über die ganze Situation. Jeder sagt seine Meinung und wir tauschen unsere Ideen und Meinungen, aber zu keinem richtigen Konflikt zu kommen. Einfach zusammenzusitzen, zu musizieren, zu sprechen, zu essen, zu genießen."

Aus Shirley Brills Mund klingt das, als sei das das Einfachste auf der Welt. Fast genauso einfach wie Klarinette spielen. Einfach zusammensitzen, musizieren und miteinander sprechen. Das mag zwar simpel klingen. Aber vielleicht wäre genau im verfahrenen Alltag in Nahost mal einen Versuch wert.