"Wir trauen der Wirtschaft nicht mehr"
Es müsse einen Systemwechsel in der Landwirtschaft geben, sagt Grünen-Politiker Christian Meyer. Bisher habe man sich zu sehr auf die Wirtschaft verlassen. Da es zu wenig staatliche Kontrollen gegeben habe, werde Niedersachsen die Futtermittelindustrie nun stärker beaufsichtigen.
Korbinian Frenzel: Vor vier Wochen, da konnte einem wirklich der Appetit vergehen: Pferdefleisch fand sich da auf einmal in Lasagnen oder schwedischen Fleischbällchen, die doch eigentlich aus Rind sein sollten, kurz danach waren es die Eier, falsch deklariert, und als Freiland oder Bio verkauft, und dann obendrauf auch noch das: Im Tierfutter wurde verseuchter, krebserregender Mais gefunden.
Entschuldigung, dass wir Sie daran erinnern, aber wir dachten, so kurz vor Ostern wäre es doch mal an der Zeit zu fragen: Haben denn all die Skandale etwas verändert, hat sich etwas getan?
Politisch verantwortlich für diese Frage, zumindest in Niedersachsen, ist unser Gesprächspartner: Ich begrüße Christian Meyer, Bündnis 90/die Grünen, Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister in Hannover, guten Morgen!
Christian Meyer: Guten Morgen!
Frenzel: Wie sicher sind denn die Ostereier und der mögliche Braten? Können wir guten Gewissens einkaufen gehen in diesen Tagen?
Meyer: Ich glaube, wir haben schon ein hohes Maß an Sicherheit, gerade bei den Eiern haben wir durch die Veröffentlichung dieser möglichen Überbelegung und Mogeleien doch ein höheres Maß an Sicherheit erzeugt, und ich glaube, es gibt auch eine sehr hohe, abschreckende Wirkung dadurch, dass wir solche Skandale auch öffentlich machen.
Frenzel: Die Aufregung war ja groß, nach diesem Doppel-, nach diesem Dreifachskandal - Pferdefleisch, das nicht als solches gekennzeichnet war, falsch deklarierte Eier -, was hat sich seitdem politisch konkret verändert?
Meyer: Also bei allen drei Skandalen liegt ja oft die Ursache sozusagen in so einer Billigpreisspirale, in so einem internationalen Handel, also billiges Pferdefleisch wird über verschlungene Wege von Rumänien, Zypern, kommt in die Lasagne. Bei dem Mais haben wir auch das Problem gehabt, dass billiger Mais aus Serbien importiert wurde, obwohl wir ja nun sehr viel Mais selber hier anbauen, aber in Biogasanlagen tun. Und deshalb ist zum einen, hat sich die Bundesregierung bewegt, dass wir in Zukunft die Herkunftsbezeichnung auf die Produkte haben wollen, also aus welchem Land kommt auch welcher Stoff, auch in Fertigprodukten.
Wir haben letzten Freitag auf Initiative von Niedersachsen einen Antrag im Bundesrat mit großer Mehrheit verabschiedet, dass es auch ein Haftungsfonds der Futtermittelindustrie geben soll für die Entschädigung von unschuldigen Landwirten wie im Futtermittelskandal. Und wir werden auf Landesweite auch deutlich die Kontrollen verändern, wir trauen der Wirtschaft nicht mehr mit den Eigenkontrollen und werden deshalb mehr staatliche Kontrollen machen, und das über Gebührenfinanzierung dem Futtermittelkonzern in Rechnung stellen.
Frenzel: Ja, lassen Sie uns mal auf die Kontrollen schauen: Ilse Aigner, die Bundeslandwirtschaftsministerin, hat ja damals gesagt: Wir brauchen nicht unbedingt strengere Regeln, sondern vor allem mehr Kontrollen, und das ist nun mal die Aufgabe der Bundesländer. Wie sieht es bei Ihnen in Niedersachsen aus, gibt es mehr Kontrollen als vorher?
Meyer: Wir sind dabei, die Gebührenordnung zu verändern. Aus meiner Sicht gab es bislang zu wenig staatliche Kontrollen, man hat sich sehr stark auf die Wirtschaft verlassen - wir haben gerade mal 13 Futtermittelkontrolleure im ganzen Land, die amtlich tätig sind ...
Frenzel: Haben Sie denn vor, die Zahlen zu erhöhen?
Meyer: Die wollen wir deutlich aufstocken, nur wir brauchen dafür natürlich auch erst mal die Finanzierung, die Gebühreneinnahmen. Wir wollen da insgesamt die amtlichen Kontrollen verstärken, also personell, fachlich, Laborkapazitäten dort auch verstärken, und das wird um Millionenbeträge gehen, und die können wir nur erzielen, indem wir nicht den Steuerzahler belasten, sondern indem wir es dem Verursacher, der Futtermittelindustrie, in Rechnung stellen.
Frenzel: Nun waren die Skandale vor vier Wochen ja beileibe nicht die ersten, und wenn wir beide hier ehrlich sind, wissen wir auch, der nächste kommt bestimmt. Wie kann das eigentlich sein? Ist etwas grundsätzlich falsch mit der Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren?
Meyer: Der Verbraucher ist, glaube ich, ebenso wie Sie und ich, oft erstaunt, über welche verschlungenen Wege unsere Lebensmittel produziert werden. Also das ist ja mittlerweile nicht nur ein europaweiter, ein internationaler Handel von Zusatzstoffen für das Futter, also selbst die Milch von den Kühen, die wir haben, kommt eben nicht mehr von der Wiese, wo sie grasen, sondern es gibt genmanipuliertes Soja, was im Futtertrog in Europa landet, in großen Mengen angeliefert.
Wir haben das jetzt mit dem Mais aus Serbien gehabt, trotz vieler Warnungen wurde dieses als billiges Futter untergemischt, und es gibt eben immer den Trend, möglichst billig in dieser Kette zu produzieren, und deshalb ist die Antwort eigentlich auch die Stärkung, also ein Systemwechsel hin zu einer regionaleren Qualitätslandwirtschaft mit durchaus dann fairen Preisen auch für die Landwirte.
Frenzel: Ist das denn möglich, mit fairen Preisen dann auch für die Verbraucher? Wenn wir mal schauen auf die ja nicht wenigen Menschen in Deutschland, die sich eben eine Fertiglasagne für weniger als zwei Euro kaufen, Niedriglöhne, Hartz-IV-Empfänger, da kommen ja ein paar Millionen Bundesbürger zusammen - können die sich besseres Essen schlicht nicht leisten?
Meyer: Also erst mal, die große Mehrheit der Deutschen kann sich besseres Essen leisten, über 80 Prozent können das sicher machen. In Frankreich haben wir einen Standard, dass doppelt so viel im Durchschnitt für Lebensmittel ausgegeben wird wie in Deutschland.
Dort wird sozusagen mehr auf Qualität auch geachtet. Ich finde, das können wir auch, und man darf sozusagen nicht den Anspruch haben, es muss schlechte Qualität billig geben, damit sich das jeder leisten kann, sondern Anspruch muss eher der Sozialpolitik sein, dass sich wirklich auch alle Qualitätsprodukte leisten können.
Die große Mehrheit kann es jetzt schon, und man muss über Kennzeichnung dazu beitragen, dass das auch stärker genutzt wird.
Frenzel: Ist es ein Bärendienst, den die Discounter den Bioprodukten erweisen, dass sie sie jetzt auch zunehmend führen, damit aber offenbar auch zu einem Preisdruck führen, der die Biostandards dann nach unten drückt?
Meyer: Wir haben auch im Biobereich mittlerweile das Problem sogenannter agrarindustrieller Strukturen, also große Konzerne, die dort einsteigen, und wie Sie beschreiben, eben auf sehr günstige Preise dann schielen. Von daher ist natürlich zu empfehlen, eher im Fachhandel zu kaufen, beim Biolandwirt um die Ecke, und auch dort eher die Förderung auszurichten auf mittelständische, bäuerliche Strukturen statt auf riesige Großbetriebe.
Frenzel: Was ist denn das, was der Bürger machen kann? Wie viel Verantwortung trägt er selbst, damit er gut isst und gut essen kann?
Meyer: Der Bürger sollte sich natürlich auch informieren, wie Produkte hergestellt werden. Er muss sich aber auch auf bestimmte Kennzeichnung verlassen. Also wenn da kein Pferd draufsteht, darf auch kein Pferd drin sein, und deshalb muss ihm die Politik auch zumindest helfen, dass wir zum Beispiel wie bei den Eiern, das kommt ja auf Ostern jetzt erst zu, da haben wir eine ehrliche Kennzeichnung, von Renate Künast eingeführt, dass auf den Eiern drauf steht: Käfig, Boden, Freiland.
Das Problem ist aber schon, wenn das Ei in der Nudel landet, in der Mayonnaise, im Fertigprodukt, dann wird es nicht mehr gekennzeichnet, und meistens wird dann dem Verbraucher das schlechte, das billige Käfigei überwiegend aus dem Ausland untergejubelt. Und deshalb fordern wir, dass auch diese Produkte nach der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden.
Frenzel: Christian Meyer von den Grünen, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Niedersachsen. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!
Meyer: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Entschuldigung, dass wir Sie daran erinnern, aber wir dachten, so kurz vor Ostern wäre es doch mal an der Zeit zu fragen: Haben denn all die Skandale etwas verändert, hat sich etwas getan?
Politisch verantwortlich für diese Frage, zumindest in Niedersachsen, ist unser Gesprächspartner: Ich begrüße Christian Meyer, Bündnis 90/die Grünen, Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister in Hannover, guten Morgen!
Christian Meyer: Guten Morgen!
Frenzel: Wie sicher sind denn die Ostereier und der mögliche Braten? Können wir guten Gewissens einkaufen gehen in diesen Tagen?
Meyer: Ich glaube, wir haben schon ein hohes Maß an Sicherheit, gerade bei den Eiern haben wir durch die Veröffentlichung dieser möglichen Überbelegung und Mogeleien doch ein höheres Maß an Sicherheit erzeugt, und ich glaube, es gibt auch eine sehr hohe, abschreckende Wirkung dadurch, dass wir solche Skandale auch öffentlich machen.
Frenzel: Die Aufregung war ja groß, nach diesem Doppel-, nach diesem Dreifachskandal - Pferdefleisch, das nicht als solches gekennzeichnet war, falsch deklarierte Eier -, was hat sich seitdem politisch konkret verändert?
Meyer: Also bei allen drei Skandalen liegt ja oft die Ursache sozusagen in so einer Billigpreisspirale, in so einem internationalen Handel, also billiges Pferdefleisch wird über verschlungene Wege von Rumänien, Zypern, kommt in die Lasagne. Bei dem Mais haben wir auch das Problem gehabt, dass billiger Mais aus Serbien importiert wurde, obwohl wir ja nun sehr viel Mais selber hier anbauen, aber in Biogasanlagen tun. Und deshalb ist zum einen, hat sich die Bundesregierung bewegt, dass wir in Zukunft die Herkunftsbezeichnung auf die Produkte haben wollen, also aus welchem Land kommt auch welcher Stoff, auch in Fertigprodukten.
Wir haben letzten Freitag auf Initiative von Niedersachsen einen Antrag im Bundesrat mit großer Mehrheit verabschiedet, dass es auch ein Haftungsfonds der Futtermittelindustrie geben soll für die Entschädigung von unschuldigen Landwirten wie im Futtermittelskandal. Und wir werden auf Landesweite auch deutlich die Kontrollen verändern, wir trauen der Wirtschaft nicht mehr mit den Eigenkontrollen und werden deshalb mehr staatliche Kontrollen machen, und das über Gebührenfinanzierung dem Futtermittelkonzern in Rechnung stellen.
Frenzel: Ja, lassen Sie uns mal auf die Kontrollen schauen: Ilse Aigner, die Bundeslandwirtschaftsministerin, hat ja damals gesagt: Wir brauchen nicht unbedingt strengere Regeln, sondern vor allem mehr Kontrollen, und das ist nun mal die Aufgabe der Bundesländer. Wie sieht es bei Ihnen in Niedersachsen aus, gibt es mehr Kontrollen als vorher?
Meyer: Wir sind dabei, die Gebührenordnung zu verändern. Aus meiner Sicht gab es bislang zu wenig staatliche Kontrollen, man hat sich sehr stark auf die Wirtschaft verlassen - wir haben gerade mal 13 Futtermittelkontrolleure im ganzen Land, die amtlich tätig sind ...
Frenzel: Haben Sie denn vor, die Zahlen zu erhöhen?
Meyer: Die wollen wir deutlich aufstocken, nur wir brauchen dafür natürlich auch erst mal die Finanzierung, die Gebühreneinnahmen. Wir wollen da insgesamt die amtlichen Kontrollen verstärken, also personell, fachlich, Laborkapazitäten dort auch verstärken, und das wird um Millionenbeträge gehen, und die können wir nur erzielen, indem wir nicht den Steuerzahler belasten, sondern indem wir es dem Verursacher, der Futtermittelindustrie, in Rechnung stellen.
Frenzel: Nun waren die Skandale vor vier Wochen ja beileibe nicht die ersten, und wenn wir beide hier ehrlich sind, wissen wir auch, der nächste kommt bestimmt. Wie kann das eigentlich sein? Ist etwas grundsätzlich falsch mit der Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren?
Meyer: Der Verbraucher ist, glaube ich, ebenso wie Sie und ich, oft erstaunt, über welche verschlungenen Wege unsere Lebensmittel produziert werden. Also das ist ja mittlerweile nicht nur ein europaweiter, ein internationaler Handel von Zusatzstoffen für das Futter, also selbst die Milch von den Kühen, die wir haben, kommt eben nicht mehr von der Wiese, wo sie grasen, sondern es gibt genmanipuliertes Soja, was im Futtertrog in Europa landet, in großen Mengen angeliefert.
Wir haben das jetzt mit dem Mais aus Serbien gehabt, trotz vieler Warnungen wurde dieses als billiges Futter untergemischt, und es gibt eben immer den Trend, möglichst billig in dieser Kette zu produzieren, und deshalb ist die Antwort eigentlich auch die Stärkung, also ein Systemwechsel hin zu einer regionaleren Qualitätslandwirtschaft mit durchaus dann fairen Preisen auch für die Landwirte.
Frenzel: Ist das denn möglich, mit fairen Preisen dann auch für die Verbraucher? Wenn wir mal schauen auf die ja nicht wenigen Menschen in Deutschland, die sich eben eine Fertiglasagne für weniger als zwei Euro kaufen, Niedriglöhne, Hartz-IV-Empfänger, da kommen ja ein paar Millionen Bundesbürger zusammen - können die sich besseres Essen schlicht nicht leisten?
Meyer: Also erst mal, die große Mehrheit der Deutschen kann sich besseres Essen leisten, über 80 Prozent können das sicher machen. In Frankreich haben wir einen Standard, dass doppelt so viel im Durchschnitt für Lebensmittel ausgegeben wird wie in Deutschland.
Dort wird sozusagen mehr auf Qualität auch geachtet. Ich finde, das können wir auch, und man darf sozusagen nicht den Anspruch haben, es muss schlechte Qualität billig geben, damit sich das jeder leisten kann, sondern Anspruch muss eher der Sozialpolitik sein, dass sich wirklich auch alle Qualitätsprodukte leisten können.
Die große Mehrheit kann es jetzt schon, und man muss über Kennzeichnung dazu beitragen, dass das auch stärker genutzt wird.
Frenzel: Ist es ein Bärendienst, den die Discounter den Bioprodukten erweisen, dass sie sie jetzt auch zunehmend führen, damit aber offenbar auch zu einem Preisdruck führen, der die Biostandards dann nach unten drückt?
Meyer: Wir haben auch im Biobereich mittlerweile das Problem sogenannter agrarindustrieller Strukturen, also große Konzerne, die dort einsteigen, und wie Sie beschreiben, eben auf sehr günstige Preise dann schielen. Von daher ist natürlich zu empfehlen, eher im Fachhandel zu kaufen, beim Biolandwirt um die Ecke, und auch dort eher die Förderung auszurichten auf mittelständische, bäuerliche Strukturen statt auf riesige Großbetriebe.
Frenzel: Was ist denn das, was der Bürger machen kann? Wie viel Verantwortung trägt er selbst, damit er gut isst und gut essen kann?
Meyer: Der Bürger sollte sich natürlich auch informieren, wie Produkte hergestellt werden. Er muss sich aber auch auf bestimmte Kennzeichnung verlassen. Also wenn da kein Pferd draufsteht, darf auch kein Pferd drin sein, und deshalb muss ihm die Politik auch zumindest helfen, dass wir zum Beispiel wie bei den Eiern, das kommt ja auf Ostern jetzt erst zu, da haben wir eine ehrliche Kennzeichnung, von Renate Künast eingeführt, dass auf den Eiern drauf steht: Käfig, Boden, Freiland.
Das Problem ist aber schon, wenn das Ei in der Nudel landet, in der Mayonnaise, im Fertigprodukt, dann wird es nicht mehr gekennzeichnet, und meistens wird dann dem Verbraucher das schlechte, das billige Käfigei überwiegend aus dem Ausland untergejubelt. Und deshalb fordern wir, dass auch diese Produkte nach der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden.
Frenzel: Christian Meyer von den Grünen, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Niedersachsen. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!
Meyer: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.