"Wir werden in Zukunft keine Überfischung mehr haben"

Ulrike Rodust im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Das EU-Parlament stellt die EU-Fischerpolitik vom Kopf auf die Beine, sagt die dafür zuständige Berichterstatterin im Fischereiausschuss des EU-Parlaments Ulrike Rodust. Das wird in Zukunft zu einer deutlichen Erholung der Fischbestände führen, meint sie. Neu ist auch eine Menschenrechtsklausel.
Marietta Schwarz: So manchem Tierschützer treibt die Fischereipraxis in europäischen Gewässern die Tränen in die Augen: Fast die Hälfte der Bestände ist überfischt, manche ganz vom Aussterben bedroht, jeder vierte gefangene Fisch landet wieder – tot – im Wasser, kleine Fischer bangen um ihre Existenz, große Flotten sind hochsubventioniert und fischen auch die Gewässer rund um Afrika und den Pazifik leer. Umweltorganisationen haben die EU-Fischereipolitik jahrelang verdammt, jetzt soll sie komplett neu geregelt werden. Morgen stimmt das EU-Parlament über eine Reform ab. Am Telefon ist die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust, Berichterstatterin des EU-Parlaments für die Fischereireform. Guten Morgen, Frau Rodust!

Ulrike Rodust: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Das EU-Parlament ist erstmals an so einer wichtigen Entscheidung beteiligt. Was haben Sie denn bislang erreichen können?

Rodust: Nun ja, wir sind gleichberechtigter Partner und Sie haben ja gerade beschrieben, wie desaströs die Fischereipolitik in den vergangenen Jahren gewesen ist. Auch das haben wir so gesehen und erkannt und haben jetzt komplett die Fischereipolitik vom Kopf auf die Beine gestellt. Wir werden jetzt in der Zukunft keine Überfischung mehr haben, wir werden keine Rückwürfe mehr haben und wir werden respektvoll mit den Gewässern in den Dritten Ländern umgehen.

Schwarz: Das klingt erst mal ganz toll. Die Fischereiminister, Frau Rodust, die sind ja Teil des Problems mit ihrem jährlichen Feilschen um die Quoten. Werden sie das in Zukunft nicht mehr dürfen?

Rodust: Sie werden es nicht mehr können. Wir werden eine neue Regelung in dieser neuen Verordnung haben, die sagt: Es darf nur noch so viel gefischt werden, wie auch nachwachsen kann. Und bis 2020 muss sogar die Biomasse erreicht werden, das heißt, die Bestände werden sich sehr viel vergrößern und die Quoten müssen nach dieser Formel - MSY nennen wir die - ausgerichtet sein und das heißt, es können gar keine überhöhten Quoten mehr vorgelegt werden, weil eben nur so viel gefischt werden darf, wie nachwachsen kann.

Schwarz: Beifang ist auch, wie erwähnt, ein großes Problem, den wird es noch geben. Aber der Rückwurf soll verboten werden – geht er künftig in den Handel?

Rodust: Nein, wird er nicht, oder beziehungsweise nur bedingt, aber nicht zu den marktüblichen Preisen. Man wird nie ohne Beifang auskommen können und der Beifang, der dann noch übrig bleibt, der wird zu Fischmehl verarbeitet oder Fischölen. Aber wir werden natürlich unser Ziel darauf setzen, so wenig Beifang wie nur möglich zu haben. Und das bedeutet, es wird selektiver gefangen werden müssen, es wird zu Zeiten gefangen werden müssen, wo Jungfische nicht unbedingt in großen Scharen durch die Gewässer schwimmen. Wir werden dafür sorgen, dass die Fischer Fanggeräte bekommen mit größeren Netzgrößen zum Beispiel, dass sie nicht mehr so viel Beifänge haben.

Schwarz: Wie sieht denn selektives Fangen aus? Mit größeren, grobmaschigeren Netzen?

Rodust: Ja, zum Beispiel größere Netze oder man kann den Kaisergranat in kleinen Schachteln fangen, sage ich jetzt mal, oder kleinen Kästen und die sind dann so ausgestattet, dass da nicht mehr Beifang sein wird, sondern lediglich der Kaisergranat. Man kann die Quoten so verteilen, dass zum Beispiel, wenn jemand Seezunge fischen möchte und dann Scholle im Netz hat, diese natürlich auch angerechnet bekommen wird und nicht einfach wieder ins Meer zurückschmeißen wird.

Schwarz: Aber sind diese Quoten nicht Ursprung allen Übels? Umweltverbände haben ja schon lange gefordert, dass man sie erst mal abschaffen muss, weil sie altertümlich sind.

Rodust: Also das glaube ich nicht. Ich bin sehr eng mit den Umweltverbänden zusammen. Wir werden die Quoten nicht abschaffen, wir werden nur dafür sorgen, dass die Quoten so ausgestaltet sind, dass fair gefischt wird. Also mir hat von den Umweltverbänden noch niemand gesagt, dass sie keine Quoten mehr wollen, sie wollen nur nicht – und das ist richtig – die überhöhten Quoten. Wenn Wissenschaftler eine bestimmte Quote festlegen und die Minister dann ein Viertel oder die Hälfte sogar noch draufpacken, weil sie die Auseinandersetzung vor Ort scheuen, dann ist das falsch. Die Quoten müssen korrekt ausgehandelt werden und das muss man auf wissenschaftlicher Grundlage machen.

Schwarz: Frau Rodust, schauen wir noch mal auf die Drittländer, da ist dann nur noch von fairem Umgang die Rede, den die Parlamentarier fordern, aber wird sich denn, je restriktiver die Politik innerhalb der EU ist, der Fischfang nicht umso hemmungsloser jenseits der europäischen Grenzen vollziehen?

Rodust: Neu ist, dass ohne das Parlament kein Fischereiabkommen mehr abgeschlossen werden kann. Wir haben eine Exklusivitätsklausel jetzt in dieser neuen Verordnung, die genau das aussagt. Neu ist, dass nur so viel gefischt werden darf, wie die Länder selbst verbrauchen. Neu ist, dass auch dort nach europäischen Kriterien gefischt werden darf, sodass Datengrundlagen geschaffen werden müssen, dass dort auch nach MSY gefischt werden muss, dass dort auch Rückwürfe so gut wie vermieden werden müssen und so weiter. Und ganz wichtig, es sind die Menschenrechte sehr hoch angesiedelt worden – wir haben eine Menschenrechtsklausel, die besagt, dass fair mit den Drittländern umgegangen werden muss.

Schwarz: Ulrike Rodust, Berichterstatterin der Fischereireform im EU-Parlament. Frau Rodust, vielen Dank für das Gespräch!

Rodust: Gerne!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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