"Wir werden unkompliziert helfen"
Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich rechnet mit massiven Schäden durch das Hochwasser in Sachsen und hat den Betroffenen unkomplizierte Hilfe zugesagt. Deutsche und polnische Experten sollen den Bruch der Staumauer vor Görlitz untersuchen. Ein derartiger Vorfall dürfe sich nicht wiederholen.
Hanns Ostermann: Land unter – acht Jahre nach dem Hochwasser 2002 ist Sachsen erneut von einer Flutkatastrophe heimgesucht worden. Schwere Regenfälle und der Bruch einer Staumauer in Polen sorgten dafür, dass zahlreiche Menschen evakuiert werden mussten. Für mindestens zehn Menschen im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien kam jede Hilfe zu spät. Am Telefon ist jetzt der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich, guten Morgen, Herr Tillich!
Stanislaw Tillich: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Görlitz, Zittau, Weißwasser und Chemnitz sind besonders betroffen. Ist mittlerweile das Schlimmste überstanden oder ist die Lage immer noch überaus ernst?
Tillich: Ja gut, im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz ist das Wasser weg, da ist man dabei, die Schäden aufzuräumen, die Menschen kehren in ihre Häuser zurück beziehungsweise die Unternehmen versuchen wieder, ihre Tätigkeit aufzunehmen.
In Görlitz und vor allem im Unterlauf dann Richtung Bad Muskau ist ja der Pegel noch nicht durch, sodass wir noch abwarten müssen, bevor wir dann dort auch aufräumen können. In Zittau passiert das schon. Das ist in diesen Gebieten durchaus eins sehr, sehr schlimmer Schaden und wir werden massive Schäden an der Infrastruktur haben, aber natürlich auch im privaten Eigentum. Aber das werden wir die nächsten Tage dann auch erst ermitteln können.
Ostermann: Herr Tillich, Sie haben gesagt, nach der Jahrhundertflut vor acht Jahren seien die richtigen Konsequenzen gezogen worden. Welche waren das?
Tillich: Ja, das Erste war natürlich, die Möglichkeiten zu verbessern, und die Landeshochwasserzentrale hat ja bereits am Freitag vor Niederschlagsmengen gewarnt. Die Meldungen – wir haben ein elektronisches Meldesystem, welches per SMS die Bürgermeister und Leiter der Katastrophenschutzstäbe darüber informiert und dann über den weiteren Verlauf. Das hat funktioniert, die Einsatzkräfte waren schnell vor Ort.
Aber natürlich mit einem Dammbruch zehn Kilometer vor Görlitz und mit Niederschlagsmengen in dieser Region, die wir gehabt haben, da ist die Natur immer wieder Sieger, da kann das … Der Mensch kann also nur versuchen, zu verhindern, aber er kann die Natur nicht beherrschen.
Ostermann: Natürlich nicht, aber Umweltschützer kritisieren zugleich – die Grüne Liga zum Beispiel – den zu technischen Hochwasserschutz in Sachsen. Sie haben schon gesagt, Wasser lässt sich nicht bändigen. Hat die Flächennutzung in Hochwassergebieten wirklich stärkeres Gewicht als früher?
Tillich: Also, wir haben Deiche rückgebaut gebaut in Sachsen, das hat es so in anderen Teilen Deutschlands nicht gegeben. Wir haben also den Flüssen mehr Raum gegeben, selbst im Erzgebirge und in anderen Teilen Sachsens. Wir hatten aber gerade unlängst auch einen massiven Schaden an unseren Deichanlagen, als ein Tornado über Großenhain niederging und dort die Bäume, die auf den Deichen eigentlich nichts zu suchen haben, aber wo uns die Umweltschutzverbände daran hindern, diese zu fällen, trotzdem diese Bäume entwurzelt wurden und haben riesige Löcher in die Deiche geworfen oder geschlagen. Hätte es dort gleichzeitig auch noch Niederschlagsmengen in der Größenordnung wie jetzt an der Neiße gegeben, wäre dort die Flut vorprogrammiert gewesen.
Also, Sie sehen: Naturschutz und Hochwasserschutz lassen sich nicht immer in Einklang bringen, Hochschutz ist technischer Anlagenbau, da sind Ingenieuranlagen und so sind auch Planfeststellungsverfahren durchzuführen wie bei jeder Straße oder einer Bahnlinie. Und das dauert gelegentlich auch sehr lange, weil Widersprüche ganz einfach da sind.
Ostermann: Sie haben die gebrochene Staumauer am polnischen Fluss Witka angesprochen. Diese gebrochene Staumauer hat ja die Lage entscheidend verschärft. Könnte es sein, dass diese Mauer den Anforderungen schlichtweg nicht entsprach, oder muss man mit so etwas immer rechnen?
Tillich: Also, normalerweise darf man nicht mit einem Bruch einer Staumauer rechnen, im Gegenteil, die muss so sicher sein, dass das eben nicht passiert. Aber das ist eben passiert, das haben wir ja erlebt. Wir werden in den nächsten Tagen, also polnische wie auch deutsche Experten an der Staumauer haben, um letztendlich zu bewerten, was waren die Gründe, warum ist das passiert und was kann man besser machen? Das ist ja letztendlich die wichtigste Schlussfolgerung daraus, dass man die wieder errichtet und dann so sicher macht, dass eine Wiederholung sich hier nicht einstellt.
Aber gleichwohl ist es richtig, was Sie sagen: Wir haben Information bekommen, aber wir haben auch natürlich Information von einer zweiten Flutwelle bekommen. Das heißt also, beides, also das Erstere war nicht gesichert, an Nachrichtenlage, also Samstagabend. Trotzdem haben wir mit Evakuierung begonnen vorsorglich, um die Menschen in Sicherheit zu bringen, und letztendlich hat sich ja dann auch bewahrheitet, dass die Staumauer komplett gebrochen ist und dieses Staubecken komplett in binnen von wenigen Minuten ausgelaufen ist. Das sind Situationen, die sind dann kaum noch beherrschbar.
Ostermann: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden: Die länderübergreifende Zusammenarbeit, die wurde ja 2002 noch kritisiert, die funktioniert jetzt oder noch nicht optimal?
Tillich: Die funktioniert besser und wir haben aber natürlich auch in solchen Stresssituationen oder Krisensituationen dann auch eine andere Situation, als wenn Sie über das Oder-Hochwasser sprechen.
Wenn es in Breslau anfängt zu steigen, können Sie sich in Frankfurt/Oder darauf einrichten. Wenn Sie hier binnen von Minuten – ich sagte noch mal und wiederhole das noch mal – zehn Kilometer vor Görlitz einen Staudammbruch haben, dann haben Sie Minuten beziehungsweise wenige, also wenige Minuten, um zu reagieren und die Einsatzkräfte zu ordnen und letztendlich auch darauf einzustellen, was passiert.
Und das ist an und für sich recht gut immer noch gelungen, auch wenn sich der eine oder der andere Bürger angesichts des Hochwasserpegels an der Neiße nicht geglaubt hat, dass da eine Hochwasserwelle auf Görlitz zurollt, ist dann letztendlich auch konsequent evakuiert worden, um die Bürger zu schützen, und das ist ja letztendlich auch gelungen.
Ostermann: Viele Menschen brauchen jetzt Hilfe. Wie kann das Land möglichst unbürokratisch helfen?
Tillich: Ja gut, wir werden unkompliziert helfen. Unbürokratisch ist immer so ein Wort, was ich zwar liebe, aber gleichzeitig … Wir müssen natürlich aufpassen, dass diejenigen, die Hilfe brauchen, sie auch bekommen. Und das werden wir auch tun und letztendlich wird der Freistaat finanzielle Mittel bereitstellen.
Wir werden mit den Versicherungen sofort in Kontakt treten, das machen die Bürgermeister auch zur Unterstützung der Bürger. Und wir werden uns die Infrastrukturschäden anschauen müssen. Wenn in Görlitz, wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden, das Wasser weg ist, das wird ja das Hauptschadensgebiet sein, dann werden wir uns einen Überblick verschaffen über die Schadenssummen und letztendlich dann auch miteinander an die Beseitigung dieser Schäden gehen.
Ostermann: Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Herr Tillich, danke Ihnen für das Gespräch!
Tillich: Bitte schön!
Stanislaw Tillich: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Görlitz, Zittau, Weißwasser und Chemnitz sind besonders betroffen. Ist mittlerweile das Schlimmste überstanden oder ist die Lage immer noch überaus ernst?
Tillich: Ja gut, im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz ist das Wasser weg, da ist man dabei, die Schäden aufzuräumen, die Menschen kehren in ihre Häuser zurück beziehungsweise die Unternehmen versuchen wieder, ihre Tätigkeit aufzunehmen.
In Görlitz und vor allem im Unterlauf dann Richtung Bad Muskau ist ja der Pegel noch nicht durch, sodass wir noch abwarten müssen, bevor wir dann dort auch aufräumen können. In Zittau passiert das schon. Das ist in diesen Gebieten durchaus eins sehr, sehr schlimmer Schaden und wir werden massive Schäden an der Infrastruktur haben, aber natürlich auch im privaten Eigentum. Aber das werden wir die nächsten Tage dann auch erst ermitteln können.
Ostermann: Herr Tillich, Sie haben gesagt, nach der Jahrhundertflut vor acht Jahren seien die richtigen Konsequenzen gezogen worden. Welche waren das?
Tillich: Ja, das Erste war natürlich, die Möglichkeiten zu verbessern, und die Landeshochwasserzentrale hat ja bereits am Freitag vor Niederschlagsmengen gewarnt. Die Meldungen – wir haben ein elektronisches Meldesystem, welches per SMS die Bürgermeister und Leiter der Katastrophenschutzstäbe darüber informiert und dann über den weiteren Verlauf. Das hat funktioniert, die Einsatzkräfte waren schnell vor Ort.
Aber natürlich mit einem Dammbruch zehn Kilometer vor Görlitz und mit Niederschlagsmengen in dieser Region, die wir gehabt haben, da ist die Natur immer wieder Sieger, da kann das … Der Mensch kann also nur versuchen, zu verhindern, aber er kann die Natur nicht beherrschen.
Ostermann: Natürlich nicht, aber Umweltschützer kritisieren zugleich – die Grüne Liga zum Beispiel – den zu technischen Hochwasserschutz in Sachsen. Sie haben schon gesagt, Wasser lässt sich nicht bändigen. Hat die Flächennutzung in Hochwassergebieten wirklich stärkeres Gewicht als früher?
Tillich: Also, wir haben Deiche rückgebaut gebaut in Sachsen, das hat es so in anderen Teilen Deutschlands nicht gegeben. Wir haben also den Flüssen mehr Raum gegeben, selbst im Erzgebirge und in anderen Teilen Sachsens. Wir hatten aber gerade unlängst auch einen massiven Schaden an unseren Deichanlagen, als ein Tornado über Großenhain niederging und dort die Bäume, die auf den Deichen eigentlich nichts zu suchen haben, aber wo uns die Umweltschutzverbände daran hindern, diese zu fällen, trotzdem diese Bäume entwurzelt wurden und haben riesige Löcher in die Deiche geworfen oder geschlagen. Hätte es dort gleichzeitig auch noch Niederschlagsmengen in der Größenordnung wie jetzt an der Neiße gegeben, wäre dort die Flut vorprogrammiert gewesen.
Also, Sie sehen: Naturschutz und Hochwasserschutz lassen sich nicht immer in Einklang bringen, Hochschutz ist technischer Anlagenbau, da sind Ingenieuranlagen und so sind auch Planfeststellungsverfahren durchzuführen wie bei jeder Straße oder einer Bahnlinie. Und das dauert gelegentlich auch sehr lange, weil Widersprüche ganz einfach da sind.
Ostermann: Sie haben die gebrochene Staumauer am polnischen Fluss Witka angesprochen. Diese gebrochene Staumauer hat ja die Lage entscheidend verschärft. Könnte es sein, dass diese Mauer den Anforderungen schlichtweg nicht entsprach, oder muss man mit so etwas immer rechnen?
Tillich: Also, normalerweise darf man nicht mit einem Bruch einer Staumauer rechnen, im Gegenteil, die muss so sicher sein, dass das eben nicht passiert. Aber das ist eben passiert, das haben wir ja erlebt. Wir werden in den nächsten Tagen, also polnische wie auch deutsche Experten an der Staumauer haben, um letztendlich zu bewerten, was waren die Gründe, warum ist das passiert und was kann man besser machen? Das ist ja letztendlich die wichtigste Schlussfolgerung daraus, dass man die wieder errichtet und dann so sicher macht, dass eine Wiederholung sich hier nicht einstellt.
Aber gleichwohl ist es richtig, was Sie sagen: Wir haben Information bekommen, aber wir haben auch natürlich Information von einer zweiten Flutwelle bekommen. Das heißt also, beides, also das Erstere war nicht gesichert, an Nachrichtenlage, also Samstagabend. Trotzdem haben wir mit Evakuierung begonnen vorsorglich, um die Menschen in Sicherheit zu bringen, und letztendlich hat sich ja dann auch bewahrheitet, dass die Staumauer komplett gebrochen ist und dieses Staubecken komplett in binnen von wenigen Minuten ausgelaufen ist. Das sind Situationen, die sind dann kaum noch beherrschbar.
Ostermann: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden: Die länderübergreifende Zusammenarbeit, die wurde ja 2002 noch kritisiert, die funktioniert jetzt oder noch nicht optimal?
Tillich: Die funktioniert besser und wir haben aber natürlich auch in solchen Stresssituationen oder Krisensituationen dann auch eine andere Situation, als wenn Sie über das Oder-Hochwasser sprechen.
Wenn es in Breslau anfängt zu steigen, können Sie sich in Frankfurt/Oder darauf einrichten. Wenn Sie hier binnen von Minuten – ich sagte noch mal und wiederhole das noch mal – zehn Kilometer vor Görlitz einen Staudammbruch haben, dann haben Sie Minuten beziehungsweise wenige, also wenige Minuten, um zu reagieren und die Einsatzkräfte zu ordnen und letztendlich auch darauf einzustellen, was passiert.
Und das ist an und für sich recht gut immer noch gelungen, auch wenn sich der eine oder der andere Bürger angesichts des Hochwasserpegels an der Neiße nicht geglaubt hat, dass da eine Hochwasserwelle auf Görlitz zurollt, ist dann letztendlich auch konsequent evakuiert worden, um die Bürger zu schützen, und das ist ja letztendlich auch gelungen.
Ostermann: Viele Menschen brauchen jetzt Hilfe. Wie kann das Land möglichst unbürokratisch helfen?
Tillich: Ja gut, wir werden unkompliziert helfen. Unbürokratisch ist immer so ein Wort, was ich zwar liebe, aber gleichzeitig … Wir müssen natürlich aufpassen, dass diejenigen, die Hilfe brauchen, sie auch bekommen. Und das werden wir auch tun und letztendlich wird der Freistaat finanzielle Mittel bereitstellen.
Wir werden mit den Versicherungen sofort in Kontakt treten, das machen die Bürgermeister auch zur Unterstützung der Bürger. Und wir werden uns die Infrastrukturschäden anschauen müssen. Wenn in Görlitz, wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden, das Wasser weg ist, das wird ja das Hauptschadensgebiet sein, dann werden wir uns einen Überblick verschaffen über die Schadenssummen und letztendlich dann auch miteinander an die Beseitigung dieser Schäden gehen.
Ostermann: Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Herr Tillich, danke Ihnen für das Gespräch!
Tillich: Bitte schön!