Jens Soentgen: „Pakt mit dem Feuer. Philosophie eines weltverändernden Bundes“

Wir Zündler!

07:07 Minuten
Cover des Buchs "Pakt mit dem Feuer. Philosophie eines weltverändernden Bundes" von Jens Soentgen.
© Matthes & Seitz

Jens Soentgen

Pakt mit dem Feuer. Philosophie eines weltverändernden BundesMatthes & Seitz Berlin, Berlin 2021

224 Seiten

22,00 Euro

Von Thomas Groß |
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Vom Lagerfeuer zur Erderwärmung: In seinem neuen Buch beschreibt der Philosoph Jens Soentgen die Beziehung des Menschen zum Feuer. Menschenwerk ist immer auch Pyrokultur. Eine kleine Feuerkunde, lehrreich und spannend.
Alle reden vom Wetter. Greta Thunberg tut es, die frisch gewählte Fortschrittskoalition tut es, und Jens Soentgen, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums Umwelt der Universität Augsburg, tut es in seinem neuesten Buch auch.
Drängenderweise, die nächste Springflut kommt bestimmt! Als chemisch geschulter Philosoph stürzt Soentgen sich aber nicht einfach besinnungslos mit ins Getümmel. Statt Grenzwerte zu diskutieren oder Zukunftsszenarien zu entwerfen, dreht er das Rad erst einmal um 100.000 Jahre zurück.
So lange ist es her, dass die Menschheit lernte, sich das Feuer zunutze zu machen. Ein Schlüsselmoment in der Geschichte der Weltbeherrschung, für den Autor gar die Urszene allen Schaltens, Waltens und Wirtschaftens.
So weit nämlich der Weg auch sein mag, den der Homo sapiens vom fellbekleideten Nomaden zum Souverän über ein immer weiter dahinschwindendes Ressourcenfeld zurückgelegt hat, ein Zündler ist er geblieben: Menschenwerk ist Pyrokultur. Ob gerodet, erschmolzen, verhüttet oder destilliert, ein jegliches Ding wird bis heute aus der Natur förmlich herausgebrannt.

Kein Element bleibt auf dem anderen

Feuer als Universaltechnik und Urgrund der Erderwärmung: Um diesen Tatbestand herum gruppieren sich Stationen einer zutiefst ambivalenten Beziehung. Schon immer war das Feuer denen, die es begehrten, unheimlich und anziehend zugleich, es hat kein Leben und ist doch ein Wesen, es vernichtet, tritt aber auch als Schöpfer auf, indem es Stoffe verwandelt.
Prometheus musste für seine Entwendung göttlichen Knowhows noch Höllenqualen erleiden, die spätmittelalterlichen Alchimisten rückten der Umwelt bereits mit Kolben und Brennern zu Leibe. Erst im industriellen Zeitalter jedoch kehrt das Verhältnis sich so weit um, dass buchstäblich kein Element auf dem anderen bleibt.
Ganz im Sinne der Kritischen Theorie versteht Soentgen Zivilisationsgeschichte als Unterwerfungsprozess, an dessen Ende eine zu Tode reformierte Natur in triumphalem Unheil erstrahlt. Auch der vielgepriesene Siegeszug neuer, „sauberer“ Energien kann diesen Befund nicht ins Wanken bringen.
Zwar scheinen Wind und Wasser das Feuer in seiner Rolle als zentraler Beweger abgelöst zu haben, doch zeigt bereits ein flüchtiger Blick an die Peripherie, dass der Big Burn in Wahrheit unvermindert weitergeht, als forcierte Stahlgewinnung in China, als Brandrodung im Amazonas. Vorläufiges Fazit: Wer von der Energiewende spricht, darf vom Raubbau an den Rändern nicht schweigen.

Der Prediger im Philosophen

Als historische Bestandsaufnahme liest sich Soentgens kleine Feuerkunde so lehrreich wie spannend. Leider drängt sich auf den letzten Metern doch noch der Prediger im Philosophen nach vorn.
Was tun, wenn kein Handeln mehr hilft? Zunächst einmal: ganzheitlich denken. Sodann: Demut an den Tag legen, nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit wirtschaften, auf dass die Natur sich irgendwann wieder renaturiere.
Das ist zwar gewiss nicht verkehrt, aber wenig originell und als Hoffnungsszenario von allzu frommen Wünschen beseelt. Ohne Wort zum Sonntag wäre man froher aus der Lektüre hervorgegangen.

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