Umgang mit unerwünschten Nebenwirkungen
Etwa 30 Prozent der Menschen leiden unter psychischen Problemen. Doch bei der Behandlung treten häufig auch unerwünschte Nebenwirkungen auf. Wie wirksam sind Psychotherapien und wie können Patienten optimal begleitet werden?
Beate Holz (Name geändert): "Ich habe öfter gesagt, es hilft mir nicht. Sie kann mir jetzt ja hier schön erzählen, oder sie hört mir 50 Minuten zu, aber es passiert doch gar nichts."
Etwa 30 Prozent der Menschen leiden unter psychischen Problemen. Nicht jeder benötigt eine Behandlung, aber für schwer Erkrankte gibt es wirksame Therapien. Psychotherapien müssen sehr individuell angepasst werden. Dabei wird Patienten viel abverlangt und ihr Leidensweg ist oft viel zu lang.
Beate Holz: "Ich hatte eine Therapeutin, die sagte: ‚Sie müssen Ihre Einstellung ändern.‘ Im Endeffekt ist das ja richtig. Aber ich habe gesagt: ‚Wie mache ich denn das?‘ Tja, dazu konnte sie mir jetzt nicht eine genaue Anleitung geben."
"Martin Keck, Max -Planck-Institut für Psychiatrie."
München. Hier wird zur Wirksamkeit von Psychotherapie geforscht. Prof. Martin Keck leitet eine Studie, für die über acht Jahre rund 1000 Patienten mit Depressionen begleitet werden sollen. Das Forscherteam um den Mediziner möchte herausfinden, welche Therapieform welchem Patienten hilft und was sich dabei an biologischen Vorgängen verändert. Strukturelle Veränderungen im Gehirn lassen sich dabei zum Beispiel durch moderne Bildgebungsverfahren darstellen.
"Wir kennen bereits einige Gehirnregionen, die sehr gute Prognosemöglichkeiten bieten. Das ist da sogenannte Cingulum zum Beispiel im Gehirn. Das ist wie eine Schaltstelle zwischen Emotion und Verhalten, das bei bestimmten Depressionsformen eine unterschiedliche Aktivität aufweist und das könnte ein sehr wertvoller prognostischer Parameter sein, den man auch einfach und ohne den Patienten zu sehr belasten zu müssen, untersuchen kann."
Suche nach biologischen Messgrößen für Erkrankungen
Bisher müssen sich Patienten auf die Erfahrung ihrer Behandler verlassen und die Therapeuten sind fast ausschließlich auf die Schilderungen der Hilfesuchenden angewiesen.
"Wir müssen besser in die Lage kommen, objektivierbar zu sagen mit biologischen Messgrößen, das ist Depression a, das ist Depression b, das ist Despression c und aus diesem Grund empfehlen wir Behandlung a, b oder c, denn diese wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schnell helfen."
Oft tritt zu Beginn der Therapie aber erst einmal eine Verschlechterung ein, weil plötzlich bestimmte Probleme thematisiert werden dürfen und können.
"Beispielsweise habe ich eine Patientin im Kopf, die am Anfang wahnsinnig gelitten hat."
Eva-Lotta Brakemeier, Psychologin und Professorin an der Philipps-Universität Marburg.
"Wir haben an der Kindheit gearbeitet und da kam so viel hoch und in den ersten zwei Wochen hat sie so viel geweint, konnte schlechter schlafen. Wo ich mich auch wirklich gefragt habe, kann ich jetzt hier weitermachen?"
Eva-Lotta Brakemeier hat zu Nebenwirkungen geforscht, die mit Psychotherapien einhergehen. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es erst seit etwa 15 Jahren. In der Studie von Eva-Lotta Brakemeier berichteten 93 Prozent der befragten Patienten von unerwünschten Begleiterscheinungen. OT, Beate Holz:
"Meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben: ich mache etwas falsch und sie sind die Opfer. Und mit denen habe ich dann bewusst den Kontakt abgebrochen und habe ihnen aber auch geschrieben warum."
Beate Holz – über 20 Jahre hat die Rheinländerin unter Angstzuständen und einer schweren Depression gelitten. Als eine Therapie zu einer Verbesserung ihres Gesundheitszustandes führte, wuchs ihr Selbstbewusstsein und sie stellte Beziehungen in Frage.
"Wichtig ist dann ein Nebenwirkungsmanagement. Also dass der Therapeut aufklärt: Es kann auch sein, dass es Ihnen erst einmal schlechter geht und so weiter. Ich werde Sie dabei aber begleiten, wenn diese Nebenwirkungen auftreten. Das ist wichtig, dass Sie mir dann davon berichten und dass wir beide dann schauen, wie Sie am besten damit umgehen."
Supervision für Therapeuten nur in der Ausbildung verpflichtend
Ein Mittel zur Qualitätskontrolle in der Psychotherapie könnten Super- oder Intervisionen sein. Also der regelmäßige Austausch von Therapeuten über konkrete, komplexe Fälle im Kollegenkreis oder mit einem Supervisor.
"Ja, ich habe ein Video mitgebracht zur letzten Stunde eines Patienten und mein Anliegen wäre, dass wir meine Modelleinordnung vielleicht noch einmal überprüfen und ableiten, was wären denn jetzt so die nächsten Schritte für die nächsten Stunden." / "Ok, gut."
Die Psychologen Dr. Sami Egli und Sarah Leissner treffen sich am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München regelmäßig zur Supervision. Im Rahmen der Studie zur Wirksamkeit von Psychotherapie findet sie für jede Behandlung statt, damit alle Therapeuten die zu untersuchenden Methoden gleich und korrekt anwenden. Nur so lassen sich die Ergebnisse hinterher vergleichen. Aber auch in der klinischen Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten ist die Supervision verpflichtend.
Sarah Leissner: "Das ist wichtig, dass man sich entwickelt als Therapeut und die Möglichkeit hat, einfach bei einem erfahrenen Therapeuten einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Man lernt sich selber auch besser kennen, also der Supervisor hilft einen auch dabei, eigene Anteile, die man vielleicht ins Patientengespräch einbringt, deutlicher kennenzulernen."
Nach Abschluss der Ausbildung findet Supervision für Therapeuten allerdings nur noch freiwillig statt. Sami Egli bedauert das.
"Man weiß aus der Expertiseforschung, Psychotherapeuten werden mit zunehmender Erfahrung nicht unbedingt besser. Und das hängt unter anderem damit zusammen, dass Feedbacksysteme – und Supervision ist ein Feedbacksystem – erstens nicht gut etabliert sind und zweitens, dass sie das Feedbacksystem nicht so gut nutzen. Vor der Perspektive ist es noch mal wichtiger, das zu verankern."