Wirkung über vorbildliche Lebensführung
Er lebte in seiner Jugend ein verschwenderisches Leben, wurde dann zum Bettelmönch, der sich um die Armen und die Kranken kümmerte. Der französische Historiker Le Goff gibt mit seinem Buch ein geschlossenes Bild des "Franz von Assisi", dem von ihm gegründeten Franziskanerorden und Europa im zwölften Jahrhundert.
Der Heilige Franz war der Sohn eines Tuchhändlers aus dem umbrischen Städtchen Assisi. Als Angehöriger der neuen Schicht der Kaufleute und Mitglied einer wohlhabenden Familie führte er als junger Mann ein verschwenderisches Leben. Er liebte das Waffenhandwerk und nahm am Krieg zwischen Assisi und der Nachbarstadt Perugia teil, an dessen Ende er für ein Jahr in Gefangenschaft geriet.
Ausgelöst durch eine Krankheit begann bei ihm eine innere Umkehr. Er sonderte sich ab vom Leben seiner Familie, gab seinen Besitz und seine Kleidung her und begann als Bettler in einer kleinen Kirche zu leben. In einer Vision hörte er Gott sagen, er solle seine zerfallene Kirche wieder aufbauen. Franz begann das Evangelium zu predigen.
Anders als die zu seiner Zeit zurückgezogen lebenden Mönche zog er in die Städte und predigte auf öffentlichen Plätzen. Er scharte Anhänger um sich, von denen er verlangte, dass sie jedem Besitz entsagen und nur vom Betteln leben.
Souverän zeichnet Le Goff den historischen Kontext nach. Die Zeit um 1200 war die Zeit der letzten Kreuzzüge und die Zeit einer raschen Verstädterung vor allem in Italien. Im zwölften Jahrhundert hatte sich in Europa die Bevölkerungszahl verdoppelt, die Landwirtschaft blühte dank neuer Techniken, und in den Städten entstand eine neue Schicht von Kaufleuten und Handwerkern. Geldwirtschaft und bezahlte Lohnarbeit kamen auf. Die alte Ständegesellschaft mit der Dreiteilung in Kleriker, Krieger und Landarbeiter war erschüttert. Und mit ihr die Kirche, von der viele Laien abrückten, die einen Zugang zur Bibel ohne Umweg über den Klerus und das Latein suchten.
In dieser Situation wuchs mit Franziskus ein Mann heran, der aus seiner Parteinahme für die Armen, Bedürftigen und Unwissenden heraus Gesellschaft und Kirche erneuern wollte. Die für die Gesellschaft angestrebte Gleichheit lebten die Minderbrüder, wie die ersten Franziskaner hießen, in ihrem Orden vor. Keiner durfte Privatbesitz haben. Sie betreuten die Leprakranken außerhalb der Städte und predigten in den Städten in der Landessprache. Ihrem Orden durften Kleriker und Laien angehören, und Franz unterstützte auch die Gründung eines Frauenordens durch Klara von Assisi. Im Unterschied zu anderen Armutsbewegungen seiner Zeit aber suchte er die Unterstützung der kirchlichen Obrigkeit, lehrte er Gehorsam und ließ seinen Orden vom Papst anerkennen.
Bei allem konservativen Beharren auf traditionellen Werten, bei aller Rückkehr zur Bibel sieht Le Goff in den Ideen des Franziskus einen ideologisch-spirituellen Übergang zum gerade entstehenden Kapitalismus. Und er sieht in ihm einen für seine Zeit neuen Typ von Heiligen: Franziskus wirkte weniger über Wunder, die er vollbrachte, als über eine vorbildliche Lebensführung.
Schon bald nach seinem Tod gingen die Ideale des Heiligen Franz den üblichen Weg vieler umwälzlerischer Ideen: Sie wurden den Realitäten angepasst. Die neuen Ordensregeln erlaubten es den Ordensmitgliedern, von ihrer Handarbeit zu leben und seit der Zeit um 1300 auch von religiöser und intellektueller Arbeit. Wie Franziskus aber seine Ideale lebte, verleiht seiner Persönlichkeit eine Ausstrahlung bis heute.
Le Goffs Buch ist eine Zusammenstellung von vier Texten, die er schon in früheren Jahren schrieb. Manche Gedanken wiederholen sich, und dennoch sind sie als Ganzes gut zu lesen und geben ein geschlossenes Bild des Heiligen Franz in seiner Zeit und ein Bild dieser Epoche selbst. Ärgerlich sind editorische Versäumnisse wie viele Druckfehler oder im vierten Kapitel eine mit dem Text nicht übereinstimmende Nummerierung der Endnoten, in denen Le Goff seine Quellen mitteilt und interessante Anmerkungen hinzufügt.
Jacques Le Goff: Franz von Assisi
Übersetzt von Jochen Grube
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006
19,50 Euro
Ausgelöst durch eine Krankheit begann bei ihm eine innere Umkehr. Er sonderte sich ab vom Leben seiner Familie, gab seinen Besitz und seine Kleidung her und begann als Bettler in einer kleinen Kirche zu leben. In einer Vision hörte er Gott sagen, er solle seine zerfallene Kirche wieder aufbauen. Franz begann das Evangelium zu predigen.
Anders als die zu seiner Zeit zurückgezogen lebenden Mönche zog er in die Städte und predigte auf öffentlichen Plätzen. Er scharte Anhänger um sich, von denen er verlangte, dass sie jedem Besitz entsagen und nur vom Betteln leben.
Souverän zeichnet Le Goff den historischen Kontext nach. Die Zeit um 1200 war die Zeit der letzten Kreuzzüge und die Zeit einer raschen Verstädterung vor allem in Italien. Im zwölften Jahrhundert hatte sich in Europa die Bevölkerungszahl verdoppelt, die Landwirtschaft blühte dank neuer Techniken, und in den Städten entstand eine neue Schicht von Kaufleuten und Handwerkern. Geldwirtschaft und bezahlte Lohnarbeit kamen auf. Die alte Ständegesellschaft mit der Dreiteilung in Kleriker, Krieger und Landarbeiter war erschüttert. Und mit ihr die Kirche, von der viele Laien abrückten, die einen Zugang zur Bibel ohne Umweg über den Klerus und das Latein suchten.
In dieser Situation wuchs mit Franziskus ein Mann heran, der aus seiner Parteinahme für die Armen, Bedürftigen und Unwissenden heraus Gesellschaft und Kirche erneuern wollte. Die für die Gesellschaft angestrebte Gleichheit lebten die Minderbrüder, wie die ersten Franziskaner hießen, in ihrem Orden vor. Keiner durfte Privatbesitz haben. Sie betreuten die Leprakranken außerhalb der Städte und predigten in den Städten in der Landessprache. Ihrem Orden durften Kleriker und Laien angehören, und Franz unterstützte auch die Gründung eines Frauenordens durch Klara von Assisi. Im Unterschied zu anderen Armutsbewegungen seiner Zeit aber suchte er die Unterstützung der kirchlichen Obrigkeit, lehrte er Gehorsam und ließ seinen Orden vom Papst anerkennen.
Bei allem konservativen Beharren auf traditionellen Werten, bei aller Rückkehr zur Bibel sieht Le Goff in den Ideen des Franziskus einen ideologisch-spirituellen Übergang zum gerade entstehenden Kapitalismus. Und er sieht in ihm einen für seine Zeit neuen Typ von Heiligen: Franziskus wirkte weniger über Wunder, die er vollbrachte, als über eine vorbildliche Lebensführung.
Schon bald nach seinem Tod gingen die Ideale des Heiligen Franz den üblichen Weg vieler umwälzlerischer Ideen: Sie wurden den Realitäten angepasst. Die neuen Ordensregeln erlaubten es den Ordensmitgliedern, von ihrer Handarbeit zu leben und seit der Zeit um 1300 auch von religiöser und intellektueller Arbeit. Wie Franziskus aber seine Ideale lebte, verleiht seiner Persönlichkeit eine Ausstrahlung bis heute.
Le Goffs Buch ist eine Zusammenstellung von vier Texten, die er schon in früheren Jahren schrieb. Manche Gedanken wiederholen sich, und dennoch sind sie als Ganzes gut zu lesen und geben ein geschlossenes Bild des Heiligen Franz in seiner Zeit und ein Bild dieser Epoche selbst. Ärgerlich sind editorische Versäumnisse wie viele Druckfehler oder im vierten Kapitel eine mit dem Text nicht übereinstimmende Nummerierung der Endnoten, in denen Le Goff seine Quellen mitteilt und interessante Anmerkungen hinzufügt.
Jacques Le Goff: Franz von Assisi
Übersetzt von Jochen Grube
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006
19,50 Euro