Delle im schwäbischen Selbstverständnis
Sie galten als die Ikonen im Alb-Donau-Kreis: Adolf Merckle und Anton Schlecker. Ihr Image war das von echten, schwäbischen Kaufmännern. Rechtschaffen, umtriebig, erfolgreich. Dann gingen Merckle und Schlecker Pleite.
Ein kleines Holzkreuz steht auf dem mit Gras und allerlei Gestrüpp bewachsenen Bahndamm. A. M. 5.1. 09. Das ist das Einzige, was auf dem braunen Holzkreuz zu lesen ist. Das Kreuz wurde nur wenige Meter vom Ortsausgang von Weiler, einem Stadtteil Blaubeurens am Fuß der Schwäbischen Alb, in den Kies des Bahnschotters gerammt.
650 Menschen leben hier in Weiler, zwischen weißen Karstfelsen und grün bewaldeten Höhenzügen. Nur die viel befahrene Verbindungsstraße nach Schelklingen und eine Bahnlinie stören die Idylle, in der einer fehlt: Der erfolgreiche Unternehmer, Jurist, Investor und Milliardär Adolf Merckle lebte hier in Weiler - und hat sich vor gut fünf Jahren an diesem Bahndamm das Leben genommen.
Adolf Merckle galt in seiner Heimat dem Alb-Donau-Kreis Zeit seines Lebens als Prototyp eines schwäbischen Unternehmers, rechtschaffen, schaffig, clever, eben ein Käpsele, wie man auf schwäbisch sagt.
Sein Leben, ein Amercian Dream, die schwäbische Variante. Einer, der es aus kleinen Verhältnissen mit Fleiß, Ehrgeiz und Sparsamkeit zu etwas gebracht hat.
Merckle zimmerte aus dem kleinen Arzneimittelbetrieb seines Vaters mit 80 Mitarbeitern durch Expansion und Zukäufe ein Firmenimperium, das zu Spitzenzeiten mehr als 30 Milliarden Euro Umsatz und 100.000 Beschäftigte hatte.
Dekan Klaus Schwarz hat den Aufstieg Merckles viele Jahre mitverfolgt. Der Seelsorger arbeitet, am Ortsausgang der Fachwerkstadt Blaubeuren, im Dekanatsamt, einem grau gestrichenen Herrschaftshaus mit dunkler Holzoptik im Inneren. Schwarz, ein großer stämmiger Mann mit Halbglatze und grau meliertem Rundbart, sitzt entspannt in seinem tiefen Sessel.
Klaus Schwarz: "Wenn solche ausgeprägten Persönlichkeiten nicht mehr da sind, fehlt was. Die hinterlassen immer eine Lücke."
Unprätentiöse, bescheidene Familie
Wer Schwarz zuhört, wenn er über den Ehrenbürger und vielfachen Titelträger Adolf Merckle und seine Familie spricht, der hört die Geschichte von Trauer um eine Persönlichkeit von hohem Ansehen.
Der hört die Geschichte einer Familie, die unprätentiös, bescheiden und zurückgezogenen gelebt hat. Der hört die Geschichte einer Familie, die sich hinter den Kulissen als Mäzen für Kunst und im sozialen Bereich einbrachte. Und der hört von Ruth Merckle, der Frau des Unternehmers, die in der Geschäftsführung und über 30 Jahre im evangelischen Kirchengemeinderat saß und schaffte, sagt Schwarz:
"Ganz anständige Leute, da müsst mich meine Menschenkenntnis schon sehr trügen, wenn an der Stelle, was anderes raus kommen würde."
Die Einschätzung des Dekans wird in Blaubeuren von vielen Bürgern geteilt. Obwohl, in den vergangenen Jahren viele überregionale Medien ganz anderes über den schwäbischen Vorzeigeunternehmer zu berichten wussten. Nicht Mäzen und Schaffer, sondern als Spekulant und Spieler wurde Merckle vor allem in Wirtschaftsmagazinen portraitiert. Als einer, der mit hochspekulativen Aktiendeals sein Firmenimperium rund um den Arzneimittelhersteller Ratiopharm und HeidelbergCement um jeden Preis vergrößern wollte, wie zu lesen war.
Zeitungsüberschriften: "Der Pate aus Blaubeuren"; "Adolf Merckles komplizierte Finanzmanöver"; "Alles auf Rot - Der Unternehmer verzockte über 200 Millionen mit VW-Aktien"
Schleckers Konzernzentrale ist ein leerstehendes Mahnmahl
Nur 22 Kilometer entfernt spielte sich in Ehingen an der Donau ein Unternehmensdrama ab, das nicht weniger tragische Konsequenzen hatte. Die Bühne ist das Industriegebiet Talstraße, einer Randlage Ehingens, in der Parkplätze und Supermarkthallen das Bild bestimmen. Anton Schlecker hat von hier viele Jahrzehnte seine Drogeriemarktkette geführt. Seit gut zwei Jahren ist das Geschichte - seitdem ist das Einzelunternehmen Anton Schlecker e.K. und seine Tochterunternehmen insolvent - und die große Konzernzentrale ein leerstehendes Mahnmal.
Das Mahnmal ist ein siebenstöckiger Glaspalast mit verspiegelten Scheiben, einem Zentralgebäude und mehreren Anbauten, was der rasanten Expansion des Unternehmens geschuldet war. All das steht auf einem 45.000 Quadratmeter großen Gelände - und es ist ein Spiegelbild des Aufstiegs von Anton Schlecker, der es vom Metzgermeister bis zum Drogeriemarktkönig Europas schaffte. Bis zu jenem Schwarzen Freitag, als um 13:59 die Nachricht von der Insolvenz die Runde machte.
Seitdem gehört Stefan Mathes zu den vorübergehenden Hausherren des verwaisten Schlecker-Erbes. Der Jurist im korrekt gebügelten schwarzen Anzug repräsentiert an diesem Tag die Insolvenzverwaltung SchneiderGeiwitz&Partner. Bis zum Sommer diesen Jahres wickeln sie das ab, was von Schlecker noch geblieben ist.
Stefan Mathes: "Wir fahren jetzt in den vierten Stock im Zentralbau, ... dann machen wir jetzt einfach mal so einen Rundgang durchs Gebäude..."
Rund 700 Menschen arbeiteten hier, um Antons Schleckers Vision am Laufen zu halten. Anton Schlecker lief vorne weg. Auch wenn ihn niemand kannte, weil er nur vier oder fünf private Freunde in Ehingen hatte, wird hier in Ehingen viel von ihm erzählt. Er sei der Erste gewesen, der morgens zur Arbeit gekommen sei. Und der Letzte, der ging.
Wohlmeinende sprechen bei Anton Schlecker von Fleiß, andere von Besessenheit, manche Kritiker aber auch von Raffgier. So schaffte der Einzelhandelskaufmann das, was sonst Großkonzernen gelingt: 2007 war sein Unternehmen in 17 Ländern, mit 14.000 Filialen und 52.000 Mitarbeitern vertreten. Erst danach ging es - lange Zeit für die Außenwelt unbemerkt - bergab.
Stefan Mathes: "Was sie hier sehen ist das vormalige Schleckerland, das heutige Kaufland war früher eine Schlecker Großfläche. Die anderen Gebäude, dann sieht man auch das hinten den vormaligen Schlecker-Baumarkt, den wir veräußert haben."
Der weitere Weg führt durch verwaiste Flure, alle in Schleckerfarben, weiße Holzwände, blauer Teppichboden. Ein Labyrinth aus scheinbar endlosen Gängen, in denen das Surren defekter Leuchtstoffröhren und das Ticken von Wanduhren im 60-er Style das Einzige sind, was die Stille durchbricht. Vorbei an einem Schild, das den schnellsten Weg zur Expansions-Abteilung wies, geht es ein Stockwerk höher.
"Es gab hier im Gebäude Musterräume, wo Filialen nachgebaut waren [Türe geht auf] "Das wäre jetzt so ein vormaliger Musterraum".....Reporter: "Und heute findet sich hier - - - Kunst?" Mathes: "Hier haben wir die Kunst zusammengefasst aus dem Gebäude, damit die mal konzentriert ist."
Besonders auffällig platziert, der Nachbau einer Titanic, die aus dem Bild heraus zu fallen droht. Ein Symbol für Anton Schleckers Fall?
Anton Schlecker: Typisches Kind seiner Region
Für Johann Krieger ist das Ende der Schlecker-Dynastie in Ehingen etwas, was so hätte nicht kommen müssen. Von seinem Haus in der Ehinger Altstadt aus blickt der frühere Oberbürgermeister der 25.000 Einwohner-Stadt Ehingen nüchtern auf die Ära von Anton Schlecker zurück. Schleckers Expansion, das war über Jahre ein Geschenk für die Stadt, sagt er und fährt sich durch sein krauses, graues Haar.
Schlecker, sagt Krieger, sei schon ein recht typisches Kind seiner Region gewesen.
"Bescheiden, zielstrebig, erfolgsorientiert, und sehr ehrgeizig, sein Wunsch war, er ist der erfolgreichste und so zusagen der größte Drogeriemarktkönig in Europa und Deutschland, das war sein Ziel und das Ziel hat er ja erreicht, allerdings nicht lange halten können."
Um sein öffentliches Image habe er sich nicht gekümmert. Schleckers Richtschnur war der unternehmerische Erfolg, die Expansion seines Unternehmens, sagt Krieger in der Rückschau.
"Das Erfolgsmodell hat ja immer geheißen, immer weitere Filialen zu eröffnen, damit immer weiter den Umsatz zu steigern - und damit werden die neuen Filialen durch die alten Filialen finanziert. Und wo dann so zusagen die Grenzen des Wachstums erreicht gewesen sind, da ist eben dann diese Refinanzierung ins Stolpern geraten."
Für Johann Krieger bleibt festzuhalten: "Henterher isch ma' emmer gescheiter", nachher sind alle klüger, wie er sagt - und er spricht damit vielen in der Region aus der Seele. Wohl wissend, dass auch im Fall Schlecker die überregionale Presse über Jahre ein anderes Bild vom Vorzeigeunternehmer zeichnete. Das Bild von einem Unternehmer, der seine Expansion auf Pump finanzierte, und im Dauerclinch mit den Gewerkschaften seine Expansion auch in Teilen auf dem Rücken seiner Belegschaft vorantrieb, wie zu lesen war.
Zeitungsüberschriften: "Der größenwahnsinnige König von Ehingen", "Aufstand im Schleckerland", "Zum Wachstum verdammt"; "Der zügellose Krämer"
Es ist Markttag in Ehingen an der Donau. Kleine Krämerstände bieten ihre Waren auf dem Markt und in der Hauptstraße an. Es herrscht reger Betrieb. Wenige Schritte entfernt in der Bahnhofstraße, die erste Schlecker-Filiale, die noch von Anton Schleckers Vater stammte. Erst Metzgerei, dann Kaufladen, dann Drogeriemarkt - von hier breitet sich Anton Schleckers Geschäft aus.
Viel wurde hier über den Fall Schleckers, und zu Zeiten des Selbstmords Merckle auch darüber geredet. Lange Zeit dominierte dabei vor allem eine Gefühlslage: Mitleid, sagt Prälat Franz Glaser, über viele Jahre katholischer Stadtpfarrer und Dekan in der Stadt.
Franz Glaser: "Ein Stück hat das auch schon mit dem zu tun, dass sowohl bei Merckle wie auch bei Schlecker, dass da die Berichterstattung überzeichnet war in der Endphase und dann reagiert, das ist jetzt eine schwäbische Tugend, dann reagiert der Schwabe so, dass er sagt: Also so schlimm ist es auch nicht wie die tun. Und dann tut er eher das Gute noch suchen, was da dahinter steckt, wie das er sagt, dann noch mal einen drauf."
Unternehmer Merckle und Schlecker sind "Waidag"
So erklärt sich, sagt der Ehinger Dialektforscher Hermann Wax, dass Unternehmertypen wie Merckle und Schlecker für ihre Landsleute vor und nach ihrer Pleite im Schwäbischen eines sind und bleiben: Ein Waidag.
Hermann Wax: "Ein Waidag ist ein anerkennendes Wort für jemand, der auf der Höhe der Zeit ist, ein Käpsele, der es versteht, die Welt und sich selber zu etwas zu bringen. Das ist ein Waidag. Es ist ein lobendes Wort. Geschäftlich war, bis die ersten Alarmzeichen bei Schlecker kamen, Schlecker für die Wirtschaftswelt ein Waidag. Einer der es gekonnt hat."
"Als Schlecker begonnen hatte in den 70er Jahren seine ersten großen Supermärkte aufzubauen, da wurde er von Gott und der Welt, vor allem von den Wirtschaftlern und von den Medien für seine wirtschaftlichen Fähigkeiten, für sein Unternehmertum, für sein Insiderwissen, für seinen Mut gelobt. Und in dem Augenblick, wo es dann bergab geht, wird er natürlich, wie es eben hierzulande der Fall ist, getreten. Getreten und nochmals getreten."
Reporter: "Gibt es da ein schwäbisches Wort dafür für dieses Nachtreten?"
Wax: "Ein Wort für Nachtreten, Nachkarten."
Frau Ungar und die Schleckerpleite
Nachkarten will Katharina Ungar nicht. Doch nicht nur für die 63-Jährige ehemalige Schlecker-Mitarbeiterin hat das Bild der ehrbaren Kaufleute Risse.
Katharina Ungar sitzt am Küchentisch in ihrem noch nicht abbezahlten Eigenheim, im wenige Kilometer entfernten Donaustädtchen Munderkingen. Die 1991 als Spätaussiedlerin nach Deutschland gekommene Frau wirkt sportlich, hat eine fröhliche Natur, doch ihre Gesichtszüge zeigen das Bild einer gekränkten Frau. 40 erfolglose Bewerbungen hat sie seit der Schleckerpleite hinter sich, einen neuen Job hat sie nicht, und ist damit seit 1. September 2012 arbeitslos.
Katharina Ungar hat sich bei Schlecker als ungelernte Fachkraft hochgearbeitet. Das rechnet sie dem Unternehmenspatriarch mit der öffentlich viel kritisierten Personalpolitik hoch an.
Katharina Ungar hat sich bei Schlecker als ungelernte Fachkraft hochgearbeitet. Das rechnet sie dem Unternehmenspatriarch mit der öffentlich viel kritisierten Personalpolitik hoch an.
"Das war mein ein und alles. Ich hatte keinen Nebenjob in den 21 Jahren und war mit Herz und Seele dabei, habe immer 120 Prozent gegeben."
Im Schlecker Zentrallager in Ehingen war sie als Retourenleiterin zuletzt im Führungsteam, sorgte mit ihren Überstunden dafür, dass die beinahe täglichen Neueröffnungen von Filialen nach der Jahrtausendwende nicht abgeblasen werden mussten. Was damals passierte, sieht sie heute in einem anderen Licht.
"Ich meine, da hat Größenwahn eine Rolle gespielt, der hat sich zuletzt nicht mehr Rechenschaft gegeben, wo er die Läden eigentlich eröffnet."
Besonders enttäuscht war sie vom Unternehmer Schlecker, sagt Katharina Ungar, dass er auch bei der letzten großen Mitarbeiterversammlung vor 1000 Angestellten in Ehingen seine Kinder Lars und Meike vorschickte, statt sich den Fragen der Mitarbeiter zu stellen. Rund 1000 verloren damals allein in Ehingen ihren Job. Nur für Ehingen, findet sie, 1000 gute Gründe für Anton Schlecker - sich persönlich zu entschuldigen. Und deshalb bleibt für sie, trotz 20 guter Jahre bei Schlecker, vor allem eins:
"Schuld war er auch selber, weil er hat sich nie gestellt. Er ist immer weggelaufen".
Herr Frei und der Freitod von Merckle
Walter Frei steht in diesem Moment nicht auf der Bühne, wie ansonsten so oft. Der Ehinger ist Schauspieler bei der Theaterei Herrlingen, einem Kleinkunst-Theater, nur einen Steinwurf von Adolf Merckles Heimat Weiler entfernt. Der zierliche Pensionär mit rundlichem Gesicht und verschmitztem Lächeln lehnt sich in einem Sessel in seinem Haus zurück, er grübelt lange, bevor er antwortet.
Vieles sei an den Fällen Merckle und Schlecker nicht vergleichbar, holt er aus. Manches könne man als Außenstehender nicht wissen, sagt der Mundartschauspieler, dessen Paraderolle das Stück "Die Schwäbische Schöpfung" von Sebastian Sailer ist. Und dann gebe es da doch etwas, was hier in der Region inzwischen viele zum Nachdenken gebracht habe, sagt er. Stichwort: Verantwortung.
Walter Frei: "Im Nachhinein muss man sagen, beim Herr Merckle, was ist es, das zu einem solchen Schritt veranlasst, bei aller Schwierigkeit der wirtschaftlichen Situation, aber das sind doch Leute, die gewohnt sind, Verantwortung zu übernehmen und die dieses Wort Verantwortung tragen und Verantwortung übernehmen immer wie ein Wappen vor sich hergetragen haben und im Selbstmord einerseits und in der absoluten Nichtpräsenz des Herrn Schlecker nach diesem Fall andererseits ist gerade davon gar nichts zu spüren".
Georg Hiller ist jemand, der derlei Töne, ob aus der Region oder in den Medien, für pure Anmaßung hält. Im Innenhof des Blaubeurer Klosters, einer mittelalterlichen Anlage im Zentrum der Stadt, sinniert er beim Spaziergang über die Ära Merckle. Hiller, ein Pensionär mit stattlicher Figur und karierter Franzosenmütze auf dem Kopf, hat als früherer Bürgermeister Blaubeurens Adolf Merckles Aufstieg und Fall beobachtet. Hiller ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des Urgeschichtlichen Museums, eine Stiftung, die sich noch heute aus den Mitteln des Merckle Erbes finanziert. Merckle habe sich nie vor der Verantwortung weggeduckt, sagt er mit fester Stimme an all jene, die das Erbe von Adolf Merckle besudeln wollten.
Georg Hiller: "...das, was die Firma und die Familie eingebracht hat in die Region war toll, hat uns alle viel Möglichkeiten gegeben und das ist ja eben heute auch noch existent. Er musste ja wohl Ratiopharm auf Druck der Banken - wenn das stimmt was in den Zeitungen steht - verkaufen. Das Unternehmen ist aber nach wie vor da. Wird ja von Teva jetzt geführt. Das heißt, die Lebensleistung wirkt weiter."
Gab es jemals den typisch schwäbischen Unternehmer?
Für Schauspieler Walter Frei, der zur Zeit in dem Stück "Der zerbrochene Krug" auf der Bühne steht, hat die Debatte rund um das scherbenreiche Ende zweier außergewöhnlicher Karrieren aus dem Alb-Donau-Kreis vor allem ein Gutes: das Klischee und Selbstbild vom fleißigen, sparsamen und ehrgeizigen Schwaben könne im Lichte solcher Tragödien hinterfragt werden. Und der Blick auf die Dinge könne dadurch geschärft werden.
Walter Frei: "Es ist mir aufgefallen, dass Erfolg und Scheitern fast in gleicher Weise wahrgenommen werden. Solange er Erfolg hat, bewundert und beneidet man ihn. Wenn der Erfolg weg ist, dann bemitleidet man ihn so nach dem Motto: Ja so kann es ganga', so kann es einen treffen. Oder der Erfolg ist das Produkt von Fleiß und persönlicher Anstrengung, und da nachher ist es Häme."
Dialektforscher Hermann Wax, der beim Schreiben seines Wörterbuchs des Schwäbischen tief in die Volksseele der Region geblickt hat, zieht für sich ein anderes Fazit. Er kritisiert, dass die Vorzeigeunternehmer stets für ach so besonders, ja ach so schwäbisch-tugendhaft gehalten wurden.
Hermann Wax: "Man gefällt sich gerne in positiven Vorurteilen, der Schwabe ist sparsam, der Schwabe ist schaffig, der Schwabe ist pfiffig, der Schwabe lässt nicht luck, er hält bis zum Ende durch. In solchen positiven Vorurteilen gefällt man sich, das schmeichelt einem. Aber aus meiner bescheidenen Sicht heraus, möchte ich doch sagen, dass es solche Leute überall gibt."
Am Ende der Ära von Adolf Merckle und Anton Schlecker könnte deshalb auch diese Erkenntnis stehen: Vielleicht hat es ihn einfach nie gegeben, den schwäbischen Kaufmann, so wie wir ihn uns immer vorgestellt hatten.