Benedikt Herles: Die kaputte Elite. Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen
Knaus Verlag München
173 Seiten, 16,99 Euro; als Ebook 13,99 Euro
Kurz und kritisch
Ein Insider gibt erstaunliche Einblicke hinter die Kulissen elitärer Business Schools und Chefetagen. Ein Sozialexperte analysiert die neoliberale Propaganda von der Wirtschaftsbremse Sozialstaat.
Hinter der Fassade der elitären Wirtschaftsschulen und der brillanten Unternehmensberater versteckt sich eine wahrhaft kaputte Elite. Menschen mit hohem IQ, aber keinerlei Reflexionsvermögen. Menschen ohne echtes Verständnis von den Unternehmen und Märkten, denen sie angebliche Lösungen für virtuelle Probleme präsentieren – und in Wahrheit allzu oft selbst das Problem sind.
Diese Klage ist nicht neu. Neu ist, dass einer wie Dominik Herles sie ausspricht: Er hat selbst an einer Elite-Business-School studiert und ist als Berater um die Welt gejettet. Er hat sich in wenigen Stunden Scheinwissen ergoogelt und anschließend mit Power-Point-Präsentationen geblendet. Seine Faustregel: für eine Stunde Vortrag bis zu Hundert Folien, perfekt formatiert, damit sie im Schnelldurchlauf glänzen. Für die Inhalte nimmt sich eh niemand Zeit.
Benedikt Herles ist ausgestiegen, aber er ist kein Linker. Er steht zu Kapitalismus und Wirtschaftswachstum. Beides aber sieht er durch eine kaputte Elite gefährdet und belegt diese These mit erstaunlichen Erlebnissen. Eine Lösung zur Rettung von Wirtschaft und Gesellschaft hat er natürlich nicht parat. Aber wie sagt er selbst? "Mit 29 Jahren kann ich eines nicht: die Welt erklären."
Hinter der Fassade des Sozialstaats findet eine skandalöse Umverteilung statt. Eine Umverteilung von unten nach oben, von Jung nach Alt, von Familien zu Kinderlosen.
So befindet Jürgen Borchert. Er ist ein profilierter Sozialexperte, und als Richter am Hessischen Landessozialgericht gelingt es ihm, im Paragrafendickicht der Sozialgesetzgebung das Unrecht sichtbar zu machen. Sein Buch betitelt er "Sozialstaatsdämmerung".
Zornig und metaphernstark kritisiert der Autor eine neoliberale Propaganda – von der Denunziation des Sozialstaats als Standortrisiko und Wirtschaftsbremse bis zur Forderung nach mehr Eigenverantwortung. Doch auch ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnt er ab, mit teils oberflächlichen Argumenten. Stattdessen plädiert er für eine BürgerFAIRsicherung, die alle Sozialabgaben durch eine Steuer auf sämtliche Einkommensarten ersetzen soll.
Die "Sozialstaatsdämmerung" ist reich an Erkenntnissen wie an Empörungsmaterial, gleitet aber immer wieder auch ins Pamphletische ab. Und die Vision von Deutschland als sozialer Großfamilie im letzten Kapitel wirkt ein wenig altbacken.
Jürgen Borchert: Sozialstaatsdämmerung
Riemann Verlag
248 Seiten, 12,99 Euro; als Ebook 9,99 Euro