Was die Mehrwertsteuersenkung wirklich bringt
07:13 Minuten
Ab Mitternacht sinkt die Mehrwertsteuer. Schon seit Wochen streiten sich Politiker, Ökonominnen und Unternehmer über den Nutzen. Eine Café-Betreiberin und ein Autohändler erzählen, was sie sich davon erwarten - und ob die Verbraucher profitieren.
"Wir erleben ja derzeit die schärfste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise. Das heißt, wir brauchen jetzt dringend Impulse, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen."
Einer dieser Impulse ist für Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die geplante Mehrwertsteuersenkung. Ab Mitternacht sinkt die Abgabe um zwei bzw. drei Prozentpunkte – doch schon seit Wochen streiten sich Politiker, Ökonominnen und Unternehmer darüber, ob das die Wirtschaft wieder ankurbeln kann. Den einen ist die Senkung nicht kräftig genug, die anderen halten den Zeitraum von sechs Monaten für zu kurz.
Einer dieser Impulse ist für Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die geplante Mehrwertsteuersenkung. Ab Mitternacht sinkt die Abgabe um zwei bzw. drei Prozentpunkte – doch schon seit Wochen streiten sich Politiker, Ökonominnen und Unternehmer darüber, ob das die Wirtschaft wieder ankurbeln kann. Den einen ist die Senkung nicht kräftig genug, die anderen halten den Zeitraum von sechs Monaten für zu kurz.
Wie viel der Einzelne statistisch gesehen spart, hat Steuerexperte Bach berechnet. "Wenn man jetzt diese ganze Entlastung auf die gesamte Bevölkerung runterrechnet, dann rechnen wir so im Schnitt mit einer Entlastung von 26 Euro im Monat pro Person. Das ist jetzt kein Riesenbetrag, aber das ist schon mal ein Impuls."
Das setzt aber voraus, dass die Unternehmen die Steuererleichterungen auch an ihre Kunden weitergeben. Lebensmittelhändler und Drogeriemärkte haben das versprochen. Doch sie haben im Vergleich zu anderen Branchen einen Vorteil: Sie mussten selbst zur Hochzeit der Pandemie nicht zumachen.
Das setzt aber voraus, dass die Unternehmen die Steuererleichterungen auch an ihre Kunden weitergeben. Lebensmittelhändler und Drogeriemärkte haben das versprochen. Doch sie haben im Vergleich zu anderen Branchen einen Vorteil: Sie mussten selbst zur Hochzeit der Pandemie nicht zumachen.
Cafés und Restaurants brauchen derzeit jeden Cent
Tanya Hennicke dagegen musste ihr kleines Café mehrere Wochen schließen. Sie betreibt mit ihrer Schwester das "Zuckerbaby" im Berliner Stadtteil Neukölln. Mitte Mai durfte sie wieder öffnen, die Kundschaft aus dem Kiez unterstützt nach Kräften und isst Apfelkuchen und Carrot Cake. Doch wegen der Abstandsregeln können die Besitzerinnen zurzeit nur ein Drittel der Tische besetzen. Lediglich draußen vor den großen Holzfenstern des Cafés sitzen zurzeit Menschen an einer Handvoll runder, weißer Stahltische.
Jeder Euro, den sie jetzt verdienen, ist zwar überlebenswichtig – am Ende aber sei es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wird das Café also die Mehrwertsteuersenkung an die Gäste weitergeben?
"Würden wir wahnsinnig gerne, weil einfach die Unterstützung von Anfang an da war, aber um unseren Laden nicht zu verlieren, können wir es leider nicht machen. Also nicht, dass wir es unseren Gästen nicht gönnen würden, aber es ist so so schwer im Moment, weil man weiß nicht, wie lange das dauert, dass wir es einfach im Moment brauchen, um nicht den Laden zu verlieren."
Was die Berlinerin beschreibt, trifft nach Einschätzung von Wirtschaftswissenschaftlerinnen auf zahlreiche Cafés und Restaurants zu. Die Branche werde die Steuererleichterung deshalb mehrheitlich nicht an die Verbraucher weitergeben. Schon allein der Aufwand neue Speisekarten zu drucken, schreckt viele Besitzerinnen ab. Und vielen Kunden dürfte es ohnehin egal sein, ob ein Kaffee nun ein paar Cent billiger wird oder nicht.
"Würden wir wahnsinnig gerne, weil einfach die Unterstützung von Anfang an da war, aber um unseren Laden nicht zu verlieren, können wir es leider nicht machen. Also nicht, dass wir es unseren Gästen nicht gönnen würden, aber es ist so so schwer im Moment, weil man weiß nicht, wie lange das dauert, dass wir es einfach im Moment brauchen, um nicht den Laden zu verlieren."
Was die Berlinerin beschreibt, trifft nach Einschätzung von Wirtschaftswissenschaftlerinnen auf zahlreiche Cafés und Restaurants zu. Die Branche werde die Steuererleichterung deshalb mehrheitlich nicht an die Verbraucher weitergeben. Schon allein der Aufwand neue Speisekarten zu drucken, schreckt viele Besitzerinnen ab. Und vielen Kunden dürfte es ohnehin egal sein, ob ein Kaffee nun ein paar Cent billiger wird oder nicht.
Spürbare Entlastung bei höherwertigen Produkten
Anders sieht es möglicherweise aus, wenn es um den Kauf eines neuen Autos oder einer neuen Küche geht. Das erwartet zumindest der Steuerexperte Stefan Bach. "Aber jetzt ist ja der Witz bei der Mehrwertsteuersenkung, dass wir damit natürlich auch einen Impuls setzen, dass Käufe vorgezogen werden und bei höherwertigen Produkten, da macht sich diese Entlastung natürlich viel stärker bemerkbar."
Da Verbraucherinnen dann mehrere hundert oder sogar tausend Euro sparen könnten, ziehen sie die Investition womöglich vor – wenn denn die Unternehmen die niedrigere Mehrwehrsteuer auf die Preise übertragen.
Und das wird zum Beispiel in den über 50 Filialen des Autohauses König nur teilweise der Fall sein, sagt Geschäftsführer Dirk Steeger.
"Bei Fahrzeugen, die plakativ mit Barpreisen werben, wird sich die Mehrwertsteuersenkung dann auch auswirken. Wir führen zum Beispiel die Marke Dacia, die ganz plakativ in die Werbung gehen und sagen: Statt 11.900 kostet nun der Wagen nur 11.477, 20 Euro."
Andere Autohersteller hingegen schreiben ihre Preise nicht groß auf die Frontscheibe und so bekommt der Kunde im Zweifel gar nicht so genau mit, ob er am Ende weniger Mehrwertsteuer zahlt. Außerdem würden knapp 70 Prozent der Autos geleast.
"Bei den meisten Fahrzeugen, die geleast werden, führt die Veränderung in der Rate zu keinerlei Ergebnis. 3 Prozent - bei 99 Euro jetzt 97,20 zu zahlen, das ist natürlich Unsinn."
Da Verbraucherinnen dann mehrere hundert oder sogar tausend Euro sparen könnten, ziehen sie die Investition womöglich vor – wenn denn die Unternehmen die niedrigere Mehrwehrsteuer auf die Preise übertragen.
Und das wird zum Beispiel in den über 50 Filialen des Autohauses König nur teilweise der Fall sein, sagt Geschäftsführer Dirk Steeger.
"Bei Fahrzeugen, die plakativ mit Barpreisen werben, wird sich die Mehrwertsteuersenkung dann auch auswirken. Wir führen zum Beispiel die Marke Dacia, die ganz plakativ in die Werbung gehen und sagen: Statt 11.900 kostet nun der Wagen nur 11.477, 20 Euro."
Andere Autohersteller hingegen schreiben ihre Preise nicht groß auf die Frontscheibe und so bekommt der Kunde im Zweifel gar nicht so genau mit, ob er am Ende weniger Mehrwertsteuer zahlt. Außerdem würden knapp 70 Prozent der Autos geleast.
"Bei den meisten Fahrzeugen, die geleast werden, führt die Veränderung in der Rate zu keinerlei Ergebnis. 3 Prozent - bei 99 Euro jetzt 97,20 zu zahlen, das ist natürlich Unsinn."
Vorgezogene Autokäufe
Der Kunde kann sich also auch bei teuren Anschaffungen nicht automatisch über niedrigere Preise freuen, doch wenigstens die Unternehmen profitieren von der Steuersenkung. So erhofft es sich zumindest Tanya Hennicke vom Café "Zuckerbaby". "Steuern sind einfach ein Großteil, den wir zahlen müssen und das ist auch sehr, sehr viel."
Zumindest bei der Mehrwertsteuer kann die Besitzerin ab morgen dann sparen: Wie viel mehr Geld sie durch die Steuersenkung in der Kasse haben wird, weiß Tanya Hennicke noch nicht genau. Aber fest steht: "Das kleinste bisschen hilft einfach im Moment, dass man halt seinen Laden behalten kann."
Auch Dirk Steeger hofft, dass sein Autohaus von der Mehrwertsteuersenkung profitiert. Er glaubt allerdings nicht, dass sie der Kaufimpuls schlechthin sein wird. Seiner Einschätzung nach wird er insgesamt nicht mehr Autos verkaufen können, sondern nur früher - an Leute, die sich ohnehin ein Fahrzeug anschaffen wollten. "Es wird sicherlich vorgezogene Käufe geben, aber die eher zum Ende des Jahres, wenn dann nämlich realisiert wird, dass die Mehrwertsteuer wieder steigt."
Zumindest bei der Mehrwertsteuer kann die Besitzerin ab morgen dann sparen: Wie viel mehr Geld sie durch die Steuersenkung in der Kasse haben wird, weiß Tanya Hennicke noch nicht genau. Aber fest steht: "Das kleinste bisschen hilft einfach im Moment, dass man halt seinen Laden behalten kann."
Auch Dirk Steeger hofft, dass sein Autohaus von der Mehrwertsteuersenkung profitiert. Er glaubt allerdings nicht, dass sie der Kaufimpuls schlechthin sein wird. Seiner Einschätzung nach wird er insgesamt nicht mehr Autos verkaufen können, sondern nur früher - an Leute, die sich ohnehin ein Fahrzeug anschaffen wollten. "Es wird sicherlich vorgezogene Käufe geben, aber die eher zum Ende des Jahres, wenn dann nämlich realisiert wird, dass die Mehrwertsteuer wieder steigt."
Mehrwertsteuer sinkt erstmals in Deutschland
Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die Mehrwertsteuer sinkt. Entsprechend fehlt die Erfahrung, ob das geschwächten Unternehmen wieder auf die Beine hilft.
Immerhin: Der Blick ins Ausland stimmt Steuerexperte Stefan Bach vom DIW optimistisch. "Wir haben da ja die Erfahrung von Großbritannien 2009 nach der Finanzkrise. Die haben damals auch ihren Mehrwertsteuersatz um 2,5 Prozentpunkte gesenkt und die Erfahrungen, die die damals gemacht haben, waren insgesamt ganz positiv."
In Großbritannien hätten die Unternehmen die Steuerentlastung damals weitestgehend an die Kundschaft weitergegeben. Studien zufolge hat das die Wirtschaft tatsächlich angekurbelt – im Einzelhandel stieg der Umsatz um rund vier Milliarden Euro.
In Großbritannien hätten die Unternehmen die Steuerentlastung damals weitestgehend an die Kundschaft weitergegeben. Studien zufolge hat das die Wirtschaft tatsächlich angekurbelt – im Einzelhandel stieg der Umsatz um rund vier Milliarden Euro.
Auf diesen Effekt hofft auch der Finanzminister, doch DIW-Experte Stefan Bach gibt zu bedenken: Die Krise 2009 war anders, die Handelsstrukturen in Großbritannien sind es auch.
Klar ist derzeit nur: Der deutsche Staat wird rund 20 Milliarden Euro weniger an Steuern einnehmen. Im Hinblick auf das mehr als 300 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfspaket mache das dann aber auch nicht mehr so viel aus.