Hermann-Josef Tenhagen ist Wirtschaftsjournalist und seit Oktober 2014 Chefredakteur des gemeinnützigen Online-Verbraucher-Ratgebers "Finanztip". Davor war er 15 Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest.
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Weniger Geld wegen Corona – was müssen wir beachten?
34:32 Minuten
Kurzarbeit, Jobverlust, Auftragsebbe: Die Corona-Pandemie bringt für viele Menschen erhebliche Geldeinbußen mit sich. Was jetzt zu beachten ist, um gut durch die Krise zu kommen, erklärt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von "Finanztip".
650.000 Betriebe haben bis Ende letzter Woche Kurzarbeit angemeldet, Millionen von Beschäftigten haben bereits spürbar weniger im Portemonnaie – und ein großes Heer an Freiberuflern verdient keinen Cent. Doch die Kosten von Miete, Versicherungen, Strom, Telefon und allem, was sonst noch so abgebucht wird, laufen weiter. Wo gibt es Hilfe bei Liquiditätsengpässen? Was kann man jetzt alles stunden? Wie sicher ist die Versorgung mit Bargeld? Und – wie sollte man aktuell mit seinen Geldanlagen umgehen? Fragen, die Hermann-Josef Tenhagen, den Chefredakteur des gemeinnützigen Online-Portals "Finanztip", momentan täglich erreichen.
Schlimmste Krise seit langem
Der Internationale Währungsfonds sieht in der Corona-Pandemie die schlimmste Krise seit der Weltwirtschaftskrise der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Eine Einschätzung, die Hermann-Josef Tenhagen teilt – wenn auch nicht ganz ohne Hoffnung: "Ich halte die Krise für sehr, sehr gravierend. Und auch für gravierender als 2008/2009 – wobei man sagen muss: Wir haben ja im Grunde die Wirtschaft in so eine Art künstliches Koma gelegt, und das heißt, wenn alles funktioniert, wenn wir gut aus dem künstlichen Koma wieder aufgeweckt werden, dann sollte es hinterher – jedenfalls in Europa – vernünftig laufen."
Doch in vielen Gebieten der Erde, dort, wo "die Systeme nicht so gut funktionieren", seien große Probleme zu erwarten – so etwa in Afrika, Südasien und Lateinamerika.
Wer jetzt nicht hilft, den braucht man später auch nicht
Während die staatlichen Direkthilfen und Förderprogramme zügig und ohne größere, bürokratische Hürden ausgezahlt würden, müsse man mit manchen Banken noch viel zu viel diskutieren, kritisiert Hermann-Josef Tenhagen. Es gäbe etliche Geldhäuser, die vorbildlich mit ihren Kunden umgingen, doch käme es leider auch immer wieder zu Verzögerungen bei der Kreditvergabe: "Noch nicht alle Banken haben den Schuss gehört. Das sind so viele, dass sogar unser Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier – der ein sehr höflicher Mensch ist – gesagt hat, das sei so nicht gedacht gewesen, dass die Banken so zurückhaltend sind bei der Kreditvergabe."
Banken müssten jetzt in der Krise eine Anlaufstelle für Unterstützung sein: "Gehen Sie zu Ihrer Bank, die sollte Ihnen helfen. Wenn sie Ihnen nicht hilft, ist das der Anlass, sich bei nächster Gelegenheit eine neue Geschäftsbank zu suchen."
Rechtzeitig die Reißleine ziehen
Wenn abzusehen ist, dass die persönliche Finanzlage infolge der Corona-Krise schwierig wird, empfiehlt der Wirtschaftsjournalist, frühzeitig die Reißleine zu ziehen. In vielen Bereichen gäbe es derzeit die Möglichkeit, laufende Zahlungen zu stunden: Strom, Gas, Telefon, Internet, Lebens- und Rentenversicherung und auch die Miete könne man bis zum Juni aussetzen – und solle dies in einer Notlage auch schnell tun.
Bei Finanz-Engpässen mit der Stundung zu warten, verschärfe die Situation nur, sagt Hermann-Josef Tenhagen: "Besser jetzt im April schon anfangen mit dem Gar-nicht-Zahlen. Denn, wenn man im April noch gezahlt hat und dann im Mai mit dem Rücken an der Wand steht, kann man nichts mehr daran ändern – die Aprilmiete kann man nicht zurückholen."
Auf jeden Fall sei es sinnvoll, sich vor einem Aussetzen von Zahlungen mit dem jeweiligen Anbieter in Verbindung zu setzen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen: "Reden, reden reden! Ich würde immer erstmal anrufen oder ein Schreiben aufsetzen. Ganz wichtig für Mieter ist es, Kontakt mit dem Vermieter aufzunehmen. Vielleicht kann man ja die Hälfte der Miete zahlen – der freut sich und man muss hinterher nicht so viel nachzahlen."
Hilfe für Studierende
Problematisch kann die Lage für Studierende werden. Viele finanzieren sich ihr Studium durch Jobs in Branchen, die jetzt Kurzarbeit eingeführt haben, doch das Aufstockungsgeld bei Kurzarbeit erhalten Studierende nicht. Hermann-Josef Tenhagen rät Studentinnen und Studenten, die kein BAföG bekommen und in finanzielle Notlage geraten, zu prüfen, ob sie Wohngeld beantragen können:
"Das ist relativ viel, was man da bekommt. Und das sollte man jetzt auch noch beantragen für den April. Ob man Wohngeld bekommt, kann man leicht herausfinden: Es gibt zum Beispiel beim Berliner Senat einen Wohngeld-Rechner, bei dem man das überschlägig mal ausrechnen kann. Und dann setzt man sich hin und füllt die Formulare online aus in der jeweiligen Kommune. Wenn man Unterstützung braucht – bei den Sozialverbänden und bei den Wohnungsämtern der Stadt wird einem geholfen."
"Das ist relativ viel, was man da bekommt. Und das sollte man jetzt auch noch beantragen für den April. Ob man Wohngeld bekommt, kann man leicht herausfinden: Es gibt zum Beispiel beim Berliner Senat einen Wohngeld-Rechner, bei dem man das überschlägig mal ausrechnen kann. Und dann setzt man sich hin und füllt die Formulare online aus in der jeweiligen Kommune. Wenn man Unterstützung braucht – bei den Sozialverbänden und bei den Wohnungsämtern der Stadt wird einem geholfen."
Aktien: Halten oder verkaufen?
Experten prognostizieren eine langanhaltende Rezession – sollten Kleinanleger angesichts solch düsterer Ausblicke ihre Aktien verkaufen und das Geld lieber "unters Kopfkissen" legen? "Finanztip"-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen sieht Aktien als langfristige Anlage: "Wenn man Festgelder hat, ändert sich überhaupt nichts, wenn man eine Lebensversicherung hat einer klassischen Art, dann würde sich erstmal auch nichts ändern. Wer in Aktien angelegt hat, in Aktienfonds, wird kurzfristig deutliche Einbrüche spüren. Da hängt es einfach davon ab, wie lange man Zeit hat. Wir empfehlen bei 'Finanztip' immer, Aktienindexfonds mit einer Laufzeit von zehn, fünfzehn Jahren zu kaufen, denn über fünfzehn Jahre hat es in der Vergangenheit – bei allen Finanzkrisen, die da so waren – noch nie Verluste gegeben und im Schnitt sieben oder acht Prozent Rendite. Sogar bei der letzten Finanzkrise und dem Platzen der Dotcom-Blase konnte man da ordentliche Renditen machen – aber eben über die lange Frist."
Kurzfristig, sagt der Finanzjournalist, sähe es für Menschen, die viel von ihrem Geld in Aktien angelegt hätten, allerdings "nicht so schön" aus. Doch er gibt zu bedenken: "Verluste macht man bei Aktien erst, wenn man sie verkauft. Wenn die Streuung ordentlich breit ist, dann würde ich schauen, dass ich nicht unbedingt in diesem oder im nächsten Jahr verkaufe." Lohnend sei es dagegen, sich die Kostenstruktur von Depots jetzt sehr genau anzuschauen, denn bei gemischten Depots zahle man häufig viel zu hohe Gebühren.
(tif)