Wirtschaftsrat der CDU: "Die griechische Tragödie geht weiter"

Kurt Lauk im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Der Wirtschaftsrat der CDU hat verlangt, den Druck auf Griechenland weiter zu erhöhen. Ratspräsident Kurt Lauk sagte, den Griechen Aufschub bei der Umsetzung des Sparprogramms zu gewähren sei "Augenwischerei" und werde im Ergebnis nur teuer.
Marietta Schwarz: Ein ganz knapper Sieg für die Konservativen bei den Parlamentswahlen in Griechenland. Und wieder steht eine schwierige Regierungsbildung bevor, nachdem sie vor sechs Wochen doch erst gescheitert ist. Mit der Pasok könnte die Nea Dimokratia nun koalieren, doch die linksextreme Syriza-Partei wird sie wohl nicht in die Koalition einbinden können. Einmal mehr hat Griechenland gewählt, die Welt einmal mehr gezittert, wie diese Wahl ausgeht, und ob sie Wege aus der Krise im Land selbst, aber auch im gesamten Euroraum aufzeigt. Doch wie wirkt sich dieses Wahlergebnis jetzt auf Deutschland, Europa und die weiteren Hilfszahlungen für Griechenland aus. Fragen dazu an Kurt Lauk, den Präsidenten des CDU-Wirtschaftsrats. Guten Morgen, Herr Lauk!

Kurt Lauk: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Ja, gehören Sie denn auch zu denjenigen Politikern, die erleichtert sind nach diesem Wahlergebnis?

Lauk: Zunächst mal muss gesagt werden, der große Knall blieb aus. Europa wird nicht in den Abgrund gezogen, also nicht jetzt. Die griechische Tragödie geht weiter. Die Griechen sind ganz großartig in der Aufführung von Tragödien. Die Erleichterung in Europa ist groß, und zwar deshalb, weil die Politik nicht ausreichend vorbereitet war, einen möglichen Dominoeffekt, das heißt, das Überspringen auf Spanien und Italien zu verhindern. Sie war nicht vorbereitet, deshalb die Erleichterung. Jetzt wird gesagt, wir geben den Griechen mehr Zeit. Das ist natürlich Augenwischerei. Denn wenn mehr Zeit gegeben wird, dann bedeutet das, dass es teurer wird. Und in Griechenland hat sich eigentlich gar nichts geändert. Griechenland hat nach wie vor keine wettbewerbsfähige Wirtschaft, keine funktionierenden Strukturen, keine effiziente Steuerverwaltung, kein vernünftiges Katasterwesen, kein flexibler Arbeitsmarkt, keine richtige Wirtschaftsförderung, kein ordentliches Sozialsystem. Also, ich sag mal, mit der Wahl hat daran sich gar nichts geändert. Das heißt, mittlerweile sind 380 Milliarden Euro an Beihilfen, Krediten, Schuldenerlassen nach Griechenland geflogen. Das wird jetzt mehr werden. Und darüber kann man eigentlich nicht froh sein. Und auf der anderen Seite sind die Gegenleistungen - die Steuerreform liegt bislang auf Eis, nur fünf Prozent der vereinbarten Strukturreformen sind bislang umgesetzt. Die versprochene Sanierung der Banken: Stillstand. Kartelle der Taxifahrer, Apotheker, Anwälte bestehen fort. Also Fehlanzeige bei den Privatisierungen. Und so weiter und so fort. Das heißt also, wenn man jetzt sagt, wir sind froh über den Wahlausgang, da wurden ja gerade die Parteien wiedergewählt, die den ganzen Schlamassel angerichtet haben. Wie man darüber froh sein kann, verstehe ich nicht.

Schwarz: Das heißt, was muss jetzt passieren?

Lauk: Wir müssen jetzt den Druck nach wie vor erhöhen. Wenn die Griechen drinbleiben wollen, und so haben sie sich jetzt mit knapper Mehrheit entschieden, dann muss jetzt Europa wirklich auf die Hinterbeine stehen und sagen, jetzt bitte diese ganzen Schlampereien, wenn ich das jetzt mal so salopp sagen darf, die bislang nicht gemacht worden sind, in den Griff kriegen. Und nicht mehr Zeit geben. Mehr Zeit bedeutet: Die schlampern weiter.

Schwarz: Druck erhöhen hört sich merkwürdig an. Man kann sich ja kaum vorstellen, dass man diesen Druck überhaupt noch erhöhen kann?

Lauk: Sie haben völlig recht. Wenn der Druck erhöht wird, besteht die Gefahr, dass der Tsipras mit seiner Linkspartei auf die Straße geht und die Regierung zu Fall bringt. Deshalb noch mal mein Satz: Die griechische Tragödie geht weiter. Geändert hat sich eigentlich nichts.

Schwarz: Der Ruf, Herr Lauk, nach Wachstumspolitik, der wird ja immer größer. Angela Merkel lehnt Konjunkturprogramme ab, die durch Schulden finanziert werden, und doch ist die Frage, wie lange kann sie diesem Druck, der in Europa wächst, überhaupt noch widerstehen. Braucht es nicht doch eine stärkere Wachstumspolitik, gegen die sich Merkel nach wie vor verschließt?

Lauk: Ja. Zunächst mal hat Frau Merkel in Europa einen ganz einfachen Gedanken eingeführt, indem sie nämlich darauf besteht, dass ausgeglichene Haushalte, Staatshaushalte eine gute Sache sind. Das ist der eine Punkt. Das stößt auf Kritik in Europa. Wachstum ist immer gut. Das hat schon Ludwig Erhardt gesagt. Nur, man muss sehen, mit welchen Maßnahmen kann man denn Wachstum erzeugen? Ich kenne keinen Volks- und Betriebswirt, der sagt, dass Wachstum von heute auf morgen künstlich erzeugt werden kann außer durch Strohfeuer. Das heißt, das sind alles langfristige Strukturmaßnahmen, die absolut zu befürworten sind. Aber man soll sich davon nicht versprechen, dass sofort Wachstum in der Volkswirtschaft eintritt, bevor nicht der Staat und der Haushalt saniert sind.

Schwarz: Sie haben gesagt, Herr Lauk, der Druck muss erhöht werden. Wie er erhöht werden soll, das haben Sie mir noch nicht verraten. Wie?

Lauk: Die EU darf nicht nachgeben. Sie muss darauf bestehen, dass die unterzeichneten Verträge durch die vorige griechische Regierung durch die jetzige griechische Regierung nach wie vor Gültigkeit hat. Und sie muss ihnen sagen und Meilensteine setzen, dass eine Reform, vom Steuersystem bis zum Arbeitsmarkt jetzt ganz konsequent unter Aufsicht der EU durchgeführt wird. Das halte ich für zwingend.

Schwarz: Würden Sie das, was Guido Westerwelle gestern gesagt hat, nämlich, dass man einen zeitlichen Aufschub beim Sparprogramm, dass man darüber reden kann, als Nachgeben bewerten?

Lauk: Das ist ein eindeutiges Nachgeben, und zwar deshalb, weil es zusätzlich Geld kostet, auch für den deutschen Steuerzahler. Das heißt, Nachgeben bedeutet, wir verlängern den Zeitraum, in dem die Schulden zurückgezahlt werden können, das heißt, die Zinslasten steigen und damit wird es teurer. Und wenn nicht schnell genug gehandelt wird in Griechenland und die Reformen weiter verzögert werden, wird es noch mal teurer. Das heißt also, das mehr Zeit geben der Politik ist Augenwischerei. Es ist ein klares Signal, dass es teurer wird, nur anders formuliert.

Schwarz: Herr Lauk, Sie haben vor den Wahlen schon gesagt, man muss Ausstiegsszenarien formulieren und sich darauf vorbereiten. Hätten Sie gern die Griechen draußen aus dem Euroraum?

Lauk: Die Griechen haben sich anders entschieden und das muss respektiert werden. Das bedeutet aber auch, dass sie in der Lage sind, die notwendigen Reformen, und die sind mit Sicherheit sehr schmerzhaft, gerade für das griechische Volk, und zwar mindestens so fünf bis acht Jahre schmerzhaft. Wenn sie sich so entschieden haben, soll man das respektieren, und dann sollen sie den Weg auch gehen. Mit unserer Unterstützung.

Schwarz: Das heißt, diese Ausstiegsszenarien können wir jetzt erst mal zur Seite legen?

Lauk: Im Moment ja. Das hängt aber - die Regierungsbildung ist noch nicht abgeschlossen, die Mehrheiten sind knapp. Und wenn der harte Konsolidierungskurs, der unterschrieben worden ist, fortgesetzt wird, schließe ich nicht aus, dass der Linke Tsipras mit seiner Partei, immerhin 27 Prozent, die Straße mobilisiert gegen die Regierung, und dann setzt sich die griechische Tragödie endlos fort.

Schwarz: Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, über die griechische Tragödie, wie er sie nennt. Vielen Dank, Herr Lauk, für das Gespräch!

Lauk: Wiederschaun, Frau Schwarz!

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