Wischen statt blättern
Die Brüsseler Philharmonie versucht, mit der Hilfe von Tablets Notenblätter überflüssig zu machen. 25.000 Euro pro Jahr hofft das Ensemble damit einzusparen – die Kosten für Papier und für das Drucken von Tausenden Seiten.
Der Konzertmeister stimmt seine Musiker auf den "Bolero" ein, Maurice Ravels Evergreen. Die Hände der Brüsseler Philharmoniker wandern geschickt über ihre Instrumente – und über ihre Tablets.
Noten blättern, das ist Vergangenheit. Stattdessen wischen die Geiger, Pauker und Trompeter einmal mit der Hand über den Touchscreen.
"Sie machen diese wischartige Bewegung. Und das ganze Gerät ist so entwickelt worden, dass es wie beim Blättern funktioniert. Es gibt nur eine Vorsichtsmaßnahme: Wenn die Musiker in der Hitze des Gefechts sehr schnell wischen, dann würde ein normales Tablet gleich vier oder fünf Seiten weiterblättern."
Intendant Gunter Broucke hat eines der Tablets in der Hand. Wischen statt Blättern ist nur eine Neuerung. Noten schreiben im herkömmlichen Sinne, also mit Bleistift auf Papier, das ist auch vorbei. Die Musiker machen ihre Notizen jetzt mit einem Kunststoff-Stift gleich auf dem Tablet – interaktiv. Denn der Notensatz, zum Beispiel für den Bolero, liegt gespeichert auf einem Server. Alle Musiker greifen mit ihren Tablets auf diesen einen Satz zu. Macht einer eine Notiz, wird sie für alle anderen sichtbar. Gunter Broucke macht’s vor und zeichnet auf seinem Tablet die Symbole für "forte" und "piano" ein:
"Im nächsten Schritt können Sie das speichern und an Ihre Kollegen schicken. Wenn ich jetzt eine Korrektur eintrage und dann abschicke, kommt das sofort bei meinen Mitmusikern an."
So kann zum Beispiel auch der Dirigent seiner Ersten Geige unmittelbar mitteilen, dass er den Bogen zwischen Satz eins und zwei doch bitte noch einmal absetzen möge. Ohne, dass die Korrektur handschriftlich vermerkt werden muss und ohne, dass für jeden Musiker wieder ein neuer Satz Noten gedruckt werden muss.
Man merkt dem Intendanten an, dass er vom neuen System, das die Brüsseler Philharmonie, ein großer Hardware- und ein kleinerer Softwarehersteller gemeinsam entwickeln, begeistert ist. Nicht nur, weil es Papier spart:
"Die Idee für die Tablets wurde beim Mittagessen geboren. Wir witzelten, das erste papierlose Orchester der Welt zu werden. Natürlich müssen wir Konzerte spielen, Beethoven, Brahms, Schostakowitsch und so weiter. Aber wir stellen uns auch ständig die Frage: Wie positionieren wir uns in der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Welt von heute?"
Gunter Broucke meint, dass viele kulturelle Organisationen nicht mehr den Puls der Zeit fühlten. Dabei geht es nicht nur darum, allein um der Technik Willen modern zu sein:
"Wenn ich mir den Verbrauch von Papier anschaue, von Elektrizität, von Benzin. Wir fliegen ständig mit Flugzeugen umher, ständig sind Transporter für uns unterwegs. Lösen wir die Erderwärmung durch das Umsteigen auf Tablets? Nein, nicht im Geringsten. Aber wir können dieses kleine Signal geben."
Der Wechsel von Papier auf Tablets macht aber auch Schwierigkeiten. Erstens sind sie extrem teuer in der Anschaffung und werden sich wohl erst nach ein paar Jahren rentieren. Außerdem ist das Repertoire bisher noch sehr begrenzt. Nur wenige Stücke, wie zum Beispiel der Bolero, liegen für die Tablets aktuell vor. Und auch die Musiker sollte man nicht vergessen: Die Bildschirme sind deutlich kleiner als die gewohnten Notenpapiere. Das fordert Konzentration und die Musiker sollten besser nicht gestört werden. Aber das Ensemble ist anpassungsfähig, erzählt der stolze Intendant:
"Nicht ein Musiker hat sich beschwert, sie seien zu klein. Wir müssen nicht über das sprechen, was eh jeder weiß. Sonst verschwenden wir nur unsere Zeit."
In Zukunft soll an der Größe der Orchester-Tablets noch etwas getan werden und auch alle anderen Bugs, also Software-Fehler, sollen noch ausgebügelt werden. Denn bei der ersten Probe mit den Tablets ging noch so einiges schief:
"The day of the performance, there were a lot of bugs all the sudden in the software, and then, well it’s a difficult moment."
Bis April geben sich Gunter Broucke und die Philharmonie Brüssel noch Zeit. Dann soll das erste Mal ein Projekt, von der Idee bis zum Konzert, mit Tablets umgesetzt werden. Bis dahin bleiben sie unter Verschluss und reifen im Labor. Und der Intendant träumt weiter von einer Orchesterwelt ohne Papier:
"Es gibt nicht Schlechtes an Papier. Wir hätten noch 200, 300 Jahre so weitermachen können. Es gibt auch nicht Schlechtes an Fahrrädern, also bräuchten wir auch keine Autos. Ich meine, wir hätten auch weiter laufen können. Aber in diesem Prozess stehen wir nun mal."
Homepage der Philharmonie Brüssel
Noten blättern, das ist Vergangenheit. Stattdessen wischen die Geiger, Pauker und Trompeter einmal mit der Hand über den Touchscreen.
"Sie machen diese wischartige Bewegung. Und das ganze Gerät ist so entwickelt worden, dass es wie beim Blättern funktioniert. Es gibt nur eine Vorsichtsmaßnahme: Wenn die Musiker in der Hitze des Gefechts sehr schnell wischen, dann würde ein normales Tablet gleich vier oder fünf Seiten weiterblättern."
Intendant Gunter Broucke hat eines der Tablets in der Hand. Wischen statt Blättern ist nur eine Neuerung. Noten schreiben im herkömmlichen Sinne, also mit Bleistift auf Papier, das ist auch vorbei. Die Musiker machen ihre Notizen jetzt mit einem Kunststoff-Stift gleich auf dem Tablet – interaktiv. Denn der Notensatz, zum Beispiel für den Bolero, liegt gespeichert auf einem Server. Alle Musiker greifen mit ihren Tablets auf diesen einen Satz zu. Macht einer eine Notiz, wird sie für alle anderen sichtbar. Gunter Broucke macht’s vor und zeichnet auf seinem Tablet die Symbole für "forte" und "piano" ein:
"Im nächsten Schritt können Sie das speichern und an Ihre Kollegen schicken. Wenn ich jetzt eine Korrektur eintrage und dann abschicke, kommt das sofort bei meinen Mitmusikern an."
So kann zum Beispiel auch der Dirigent seiner Ersten Geige unmittelbar mitteilen, dass er den Bogen zwischen Satz eins und zwei doch bitte noch einmal absetzen möge. Ohne, dass die Korrektur handschriftlich vermerkt werden muss und ohne, dass für jeden Musiker wieder ein neuer Satz Noten gedruckt werden muss.
Man merkt dem Intendanten an, dass er vom neuen System, das die Brüsseler Philharmonie, ein großer Hardware- und ein kleinerer Softwarehersteller gemeinsam entwickeln, begeistert ist. Nicht nur, weil es Papier spart:
"Die Idee für die Tablets wurde beim Mittagessen geboren. Wir witzelten, das erste papierlose Orchester der Welt zu werden. Natürlich müssen wir Konzerte spielen, Beethoven, Brahms, Schostakowitsch und so weiter. Aber wir stellen uns auch ständig die Frage: Wie positionieren wir uns in der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Welt von heute?"
Gunter Broucke meint, dass viele kulturelle Organisationen nicht mehr den Puls der Zeit fühlten. Dabei geht es nicht nur darum, allein um der Technik Willen modern zu sein:
"Wenn ich mir den Verbrauch von Papier anschaue, von Elektrizität, von Benzin. Wir fliegen ständig mit Flugzeugen umher, ständig sind Transporter für uns unterwegs. Lösen wir die Erderwärmung durch das Umsteigen auf Tablets? Nein, nicht im Geringsten. Aber wir können dieses kleine Signal geben."
Der Wechsel von Papier auf Tablets macht aber auch Schwierigkeiten. Erstens sind sie extrem teuer in der Anschaffung und werden sich wohl erst nach ein paar Jahren rentieren. Außerdem ist das Repertoire bisher noch sehr begrenzt. Nur wenige Stücke, wie zum Beispiel der Bolero, liegen für die Tablets aktuell vor. Und auch die Musiker sollte man nicht vergessen: Die Bildschirme sind deutlich kleiner als die gewohnten Notenpapiere. Das fordert Konzentration und die Musiker sollten besser nicht gestört werden. Aber das Ensemble ist anpassungsfähig, erzählt der stolze Intendant:
"Nicht ein Musiker hat sich beschwert, sie seien zu klein. Wir müssen nicht über das sprechen, was eh jeder weiß. Sonst verschwenden wir nur unsere Zeit."
In Zukunft soll an der Größe der Orchester-Tablets noch etwas getan werden und auch alle anderen Bugs, also Software-Fehler, sollen noch ausgebügelt werden. Denn bei der ersten Probe mit den Tablets ging noch so einiges schief:
"The day of the performance, there were a lot of bugs all the sudden in the software, and then, well it’s a difficult moment."
Bis April geben sich Gunter Broucke und die Philharmonie Brüssel noch Zeit. Dann soll das erste Mal ein Projekt, von der Idee bis zum Konzert, mit Tablets umgesetzt werden. Bis dahin bleiben sie unter Verschluss und reifen im Labor. Und der Intendant träumt weiter von einer Orchesterwelt ohne Papier:
"Es gibt nicht Schlechtes an Papier. Wir hätten noch 200, 300 Jahre so weitermachen können. Es gibt auch nicht Schlechtes an Fahrrädern, also bräuchten wir auch keine Autos. Ich meine, wir hätten auch weiter laufen können. Aber in diesem Prozess stehen wir nun mal."
Homepage der Philharmonie Brüssel