Wischroboter auf dem Tanzparkett

Von Julie Metzdorf |
Aufgehübscht, aufgefrischt und entschlackt: Die diesjährige Biennale der Künstler im Münchner Haus der Kunst konzentriert sich auf etwa 40 Werke rund um das Motto "Vanity Flair – Luxus und Vergänglichkeit". Dabei geht es ausgesprochen munter und humorvoll zu.
Bayern hat seine erste Kunst-Biennale – und die läuft ausgerechnet unter dem Motto "Vanity Flair – Luxus und Vergänglichkeit". Zugegeben: Kein besonders originelles Thema für eine Kunstausstellung, aber eines, das zu Kunst an sich passt und zu dem Künstler offenbar etwas zu sagen haben. Und in diesem Fall ist das Motto auch nicht ganz grundlos gewählt, gibt der Ort der Ausstellung besagtes "Vanity Flair" ohnehin schon vor, denn der Westflügel im Münchner Haus der Kunst ist renovierungsbedürftig: die Dachfenster marode, die Wände schmutzig, entsprechen die Räume nicht gerade dem Ideal eines White Cube.

Doch die Künstler haben sich gern auf die besondere Situation vor Ort eingelassen. Michael Hofstetter etwa arbeitet mit recyceltem Material: Aus alten Neonbuchstaben längst vergangener Geschäftsnamen und Werbebanner hat er einen 26 Meter langen Schriftfries mit einem Satz aus Theodor W. Adornos "Ästhetik" gebildet: Die Wirklichkeit der Kunstwerke zeugt für die Möglichkeit des Möglichen.

Michael Hofstetter: "Eigentlich ist es eine Antwort auf Freud, dass die Kunst keine Sublimation der Wirklichkeit ist, sondern dass die Wirklichkeit nur künstlerisch zu ertragen ist, also Wirklichkeit, die wie in der Werbung kristallisiert ist, im Objekt, in der Ware, ist für Adorno keine Wirklichkeit, sie ist nur ein totes Gebilde."

Ganz einer kühlen Sinnlichkeit verschrieben ist die Arbeit "Eine Erregung" von Rose Stach. Das uralte Prinzip des Kaleidoskops ist hier gewissermaßen ins digitale Zeitalter übertragen worden. Ein großer Spiegeltrichter führt direkt auf einen Monitor zu, auf dem ein Film zu sehen ist.

"Ich hab' die Hände von einer Frau gefilmt, die sinnlich aber auch gierig in ihrem Schmuck wühlt, ganz bizarre Formen an den Kanten, sexuelles, erotisches erinnert aber auch an Formen aus der Tier- und Pflanzenwelt."

Eine zweite Arbeit von Rose Stach zeigt eine Reihe speziell bearbeiteter Teppiche. In Anlehnung an sogenannte "War carpets" afghanischer Warlords, die sich Waffen und anderes Kriegsgerät in ihre Teppiche einweben lassen, hat Rose Stach große Teile heimischer Wohnzimmerteppiche mit schwarzer Farbe übermalt. Wie bei einem riesigen Scherenschnitt hat sie nur die Silhouetten von Kalaschnikows, Pistolen oder Handgranaten als Teppichmuster stehengelassen.

"Die Arbeit bezieht sich aber nicht nur auf die Kriege, es ist auch der Krieg, der sich in den Wohnzimmern abspielt, der Kampf in den Wohnzimmern."

Die Ausstellung zeigt eine Fülle unterschiedlicher Positionen zum Thema: eine Fotografie von Vera Mercer zeigt ein klassisches, fast barock anmutendes Memento-Mori-Motiv mit einem verstörend schönen toten Vogel. Barbara Spaett begegnet dem Thema Luxus und Vergänglichkeit mit ebenso frechem wie hintergründigen Witz, wenn sie auf ein Bettlerschild schreibt "Lost paradise, need garden". Manfred Mayerle mischt die Pigmente für seine monochromen Farbquadrate mit Asche. Daniel Bräg wiederum verweist in acht Kühlschränken auf den zum Scheitern verurteilten Versuch, das Gesetz der Zeit aufzuheben und Schönheit haltbar zu machen: Große Gläser zeigen in Gelatine eingelegtes Obst, Blüten oder Zweige. Trüb und verfärbt erinnern sie so an die ekligen Aspekte der Vergänglichkeit, während Felix Weinold und das Lab Binaer aus Augsburg das Thema mit Putzen in Verbindung gebracht haben:

Felix Weinold: "Ich hab' zwei Bodenreinigungsroboter, der eine wischt feucht, der andere saugt trocken, normalerweise darauf abgerichtet, den Raum zu säubern. Wenn man aber zwei in begrenztem Raum aufeinander loslässt, verwirren sich die Programme, sie wissen nicht mehr wo sie sind und beginnen ein Art Tanz aufzuführen."

Erschüttert oder verstört verlässt sicher niemand diese Ausstellung, keine der Arbeiten verletzt Tabus. Die Schau ist eher eine kleine, sehr sinnliche Erinnerung an die Vergänglichkeit, lässt den Besucher dabei aber alles andere als deprimiert zurück, denn die ausgewählten Arbeiten sind so stringent und überzeugend, dass man das Haus der Kunst mit dem guten Gefühl verlässt, die Kunst diesmal auf den ersten Blick und ohne große Erklärungen wirklich verstanden zu haben.