Wissen Macht Gerechtigkeit

Wie fair ist der Zugang zu Wissen im Netz?

53:18 Minuten
Porträt der Autorin Emilia Roig vor einer Bücherwand. Ihr Buch "Why we matter - Ende der Unterdrückung" über Alltagsrassismus und Zusammenleben ist 2021 erschienen. Sie ist Gründerin und Direktorin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin.
Emilia Roig © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Moderation: Christine Watty |
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Von Videos über verstopfte Abflüsse bis zur Planung unserer Wege durch die Stadt: Wissen im Internet nutzen wir alle täglich. Aber wie gerecht ist der Zugang zum Netz und wie sehr bilden Wissensplattformen die Machtstruktur der Gesellschaft ab?
Der Politologin und Buchautorin Emilia Roig zufolge sind diejenigen, die Wissen ins Internet bringen, immer noch überwiegend weiß, männlich und aus den Ländern des industrialisierten Nordens. Dies gilt auch für die, die Wissen abrufen, denn die Zeit fürs Surfen, der Zugang zum Netz und das Knowhow sind nicht gleich verteilt:
"Es gibt immer noch die Illusion von einem neutralen, objektiven und rationalen, universellen Wissen," sagt Emilia Roig. Und die, die das Wissen schaffen, seien immer noch die Gleichen wie die Wissenseliten in der Zeit vor der Ausbreitung des Internets.

Die etwas wissen und über die etwas gewusst wird

Es gibt Subjekte und Objekte des Wissens: Menschen aus dem globalen Norden, weiße Menschen, überwiegend männlich – auch auf Wikipedia gibt es eine Genderkluft – schaffen Wissen im Netz, Frauen und Nichtweiße aus dem globalen Süden seien häufiger das Objekt von Wissensinhalten, über sie wird geforscht, ohne sie selbst miteinzubeziehen. "Es gibt noch Luft nach oben, was die Vielfalt und die Mulitperspektive von Wissen angeht," sagt Roig.
Christian Humborg von Wikimedia räumt ein, dass das Angebot der Online-Enzyklopädie Wikipedia noch von bestimmten Gruppen produziert wird, was im Grunde nicht die Intention seiner Organisation ist. Wünschenswert wäre für ihn, dass diejenigen, die die Wikipedia lesend nutzen, sie auch als Autoren und Autorinnen von Wissensinhalten bestücken. "Allerdings kann man auch anonym Wissen produzieren und das soll auch so bleiben. Nicht alle, die bei uns schreiben, trauen sich, dies offen zu tun."

Männlich, weiß und zeitreich

Der größte Teil sei männlich und habe Zeit, zu kommentieren. Denn lediglich Zeitreiche können in ihrer Freizeit editieren, ein Effekt, der bemerkenswert ist, aber nicht erwünscht und der in der Wikipedia bereits zu unkonventionellen Vorschlägen geführt hat: "Müssen wir nicht diejenigen, die weniger Zeit haben, dafür bezahlen, dass sie editieren," fragt Humborg. Dann aber käme es zu einer Ökonomisierung der Enzyklopädie, die auch niemand wolle.
Trotz dieses und anderer Dilemmata: Es lohnt sich, da ist sich das Podium einig, über neue Gerechtigkeitsmodelle in der Wissensproduktion im Netz nachzudenken. Es lohnt sich zu fragen, wie Wissen verteilt ist, ob es immer noch Herrschaftswissen gibt. Und es lohnt sich zu diskutieren, wie es auf den Wissensplattformen fairer zugehen kann.

- Emilia Roig ist Politologin und Buchautorin. Von ihr erschien jüngst das Buch "Why we matter - Das Ende der Unterdrückung" im Aufbau-Verlag

- Christian Humborg ist Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland

- Christine Watty ist Redakteurin und Moderatorin im DLF Kultur.

Diese Diskussion ist in Zusammenarbeit mit Wikimedia Deutschland entstanden.

(AB)
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