Fußball- und Autometaphern in der Sprache

Die Macht der Vergleiche

06:36 Minuten
Grafik sprechende Personen
Sprachbilder sollen das Verstehen untereinander vereinfachen. Es kommt aber sehr darauf, welche sprachlichen Bilder verwendet werden, haben Forschende herausgefunden. © imago/ Ikon Images / Gary Bates
Von Johannes Döbbelt |
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Zum besseren Verständnis des Coronavirus versuchte es Christian Drosten etwa mit Vergleichen aus der Autowelt. Auch in anderen Bereichen werden in der Kommunikation viele Sprachbilder verwendet. Wie wirkmächtig sind also Vergleiche und Metaphern?
Virologe Christian Drosten ist offenbar ein Fan von KFZ-Vergleichen. Mal ist es ein Lkw, mit dem er im NDR-Podcast die schnelle Verbreitung des Virus erklärt.
„Unser Lastwagen ist schon ganz schön schnell, wie er diesen Berg hier runterfährt.“
Und zum Thema Omikron hat Drosten in der Bundespressekonferenz ausführlich über Autos gesprochen, die auf einem matschigen Weg fahren.
„Die Immunität in der Bevölkerung ist für so ein Virus so etwas wie ein unwegsames Gelände, stellen sie sich nen Sandweg vor, voller Matsch. Und jetzt sehen Sie, das ist ein Auto, das fährt schneller als ein anderes. Und Sie überlegen woran könnte das liegen?“
Am Anfang ist soweit noch alles klar. Der matschige Weg ist die Immunität in der Bevölkerung, die Autos sind die Viren. Durch den Vergleich wird das Ganze anschaulich und für viele wohl auch verständlicher.
„Und wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie, dieses Auto, das hat eigentlich gar keinen größeren Motor, das hat breitere Reifen, das kann über diesen Matsch besser drüber fahren mit einem gleich starken Motor. Und das ist, glaub, ich im Moment ein bisschen das Omikron-Virus in unserer Bevölkerung.“

Was will der Virologe einem sagen?

Irgendwann wird es dann aber auch ein bisschen verwirrend: Wofür steht jetzt noch mal der Motor? Und die Reifen der Autos – sind jetzt noch mal was genau beim Virus? Und was bedeutet das alles zusammen jetzt konkret?
Wir haben das hier natürlich verkürzt dargestellt, im Original erklärt Christian Drosten das alles ausführlicher – trotzdem ist es nicht so leicht, seiner Autoanalogie bis zum Ende zu folgen. 

„Ich weiß nicht, ob dieses Beispiel nachvollziehbar ist.“
Sagen wir: zum Teil.

Vergleiche sind erst einmal gut

Metaphern und Vergleiche sind jedenfalls überall in unserer Sprache zu finden. Und sie sind natürlich erst mal ein Segen: Sie helfen uns dabei, unsere wahnsinnig komplexe Welt zu verstehen. Und das ist ja vor allem dann wichtig, wenn wir alle von dieser Komplexität so sehr betroffen sind wie während einer Pandemie.
„Es geht darum, Dinge, die man vielleicht nicht versteht, in die Dinge zu übersetzen, die man versteht, und damit etwas zu schaffen, was man als lebensweltliche Relevanz bezeichnet. Das bedeutet, dass man einfach Themen nimmt, die für Menschen einfach verständlich sind.“
Das ist Dr. Moritz Kirchner, er arbeitet als Kommunikationstrainer und ist studierter Politologe und Psychologie.
„Ein anderes Beispiel sind natürlich Fußballvergleiche – da es einfach viele Menschen gibt, die Fußballfans sind. Und es geht eben darum, etwas Vertrautes zu schaffen und etwas, das man versteht.“

„Der Ball liegt jetzt im Feld der SPD“

Eine klassische Fußballanalogie ist zum Beispiel: „Der Ball liegt jetzt im Feld der SPD.“ Das war nach der letzten Bundestagswahl ziemlich oft zu hören.
Metaphern bestimmen auch mit, wie wir über etwas denken. Dazu gibt es eine spannende Studie von der Stanford University. Die Versuchsteilnehmer bekamen zwei Versionen eines Textes vorgelegt, der die Kriminalitätsprobleme in einer fiktiven Stadt beschrieb. Die beiden Versionen unterschieden sich nur in einer Metapher: Einmal wurde die Kriminalität als „wildes Tier“ bezeichnet und einmal als „Virus.“
Der Rest war komplett gleich. Das Ergebnis: Die Teilnehmer, die den Text mit dem „Wilden Tier“ gelesen hatten, schlugen vor, die Verbrecher hartnäckig zu jagen und sie in den Knast zu stecken. Die anderen Teilnehmer, denen die Kriminalität als Virus beschrieben worden war, schlugen meist einen weicheren Weg vor: die Ursachen erforschen, Bildung verbessern, Armut bekämpfen. Nur eine einzige Metapher hatte den Unterschied gemacht.

Was passiert in unserem Gehirn?

Was in unserem Gehirn passiert, wenn wir solche Metaphern hören, daran hat Friedeman Pulvermüller geforscht.
„Wir schauen uns an, welche Gehirnprozesse mit sprachlicher Verarbeitung zusammenhängen.“
Friedeman Pulvermüller ist Professor für Neurowissenschaft der Sprache an der FU Berlin –und hat früher an der Uni Cambridge in England geforscht. Während dieser Zeit hat er auch Metaphern genauer untersucht. In einer Studie ging es um Sätze, die etwas mit Arm- oder Beinbewegungen zu tun hatten.
Manche waren wörtlich gemeint, zum Beispiel „Pablo kicked the ball“ – also: Pablo schoss den Ball. Andere waren metaphorisch, zum Beispiel „Pablo kicked the bucket“, Pablo schoss den Eimer. „Kick the bucket“ heißt im Englischen so viel wie: Pablo stirbt, er beißt ins Gras. Für die Studie haben sich Probanden diese Sätze angehört – und parallel wurde ihre Gehirnaktivität gemessen.
„Dann war die Frage: Können wir die Gehirnsignaturen, die Gehirnkennzeichen der konkreten plastischen Verarbeitung auch erkennen, wenn wir metaphorisch reden?“

Interessante Forschungsergebnisse

Pulvermüller wollte wissen: Werden die Bereiche im Gehirn aktiv, die für Bewegungen von Armen oder Beinen zuständig sind, wenn wir die passenden Metaphern hören? Also eben so etwas wie das Schießen, das „Kicken“ in „kick the bucket“?

„Es hat sich gezeigt, dass für die Metaphern also bei einer übertragenen Verwendung des Wortes dann eben auch diese motorischen Gebiete aktiv werden können.“
Im Gehirn schwingt also tatsächlich die wörtliche Bedeutung – die Bewegung – mit, wenn wir entsprechende Metaphern hören. Was das genau bedeutet fürs Verstehen des Gesagten – das ist noch unklar. Eine Möglichkeit:
„Dann verarbeite ich das tiefer. Dann habe ich konkretere Assoziationen und ich verarbeite es dann in einer Weise, die mich mehr involviert auch als handelnde Person.“

Manche Vergleiche hinken aber sehr

So oder so können Metaphern in unserer Sprache einiges bewirken, meint Kommunikationstrainer Moritz Kirchner. Man dürfe es nur nicht übertreiben.
„Dass man zum Beispiel auch Vergleiche nimmt, die unpassend sind, also wenn ein Menschen zum Beispiel als eine Bestie bezeichnet oder etwas mit einem Sachverhalt-Vergleich, der völlig unpassend ist. Ich erinnere an Bolsonaros Vergleich, dass man sich wie ein Krokodil führt, wenn man geimpft wurde, oder zum Krokodil wird, das ist natürlich etwas, was nicht funktioniert.“
Moritz Kirchner sagt außerdem: Wenn man einen Vergleich zieht und eine Weile in diesem Bild bleibt, ist das gut – aber irgendwann muss man auch wieder zurück zum eigentlichen Thema.
„Die Frage ist ja, was ist die Moral oder was ist die Botschaft, die sich aus der Metapher oder dem Vergleich ergibt, das heißt, man startet ins Thema, vergleicht es mit etwas anderem und sagt dann, was die Botschaft hinter dem Vergleich ist und deswegen könnte man es möglicherweise an der Stelle auch übertreiben.“
Virologe Christian Drosten hat hier wohl so gerade noch die Kurve bekommen – auch wenn sein Autovergleich vielleicht nicht völlig verständlich war. Oder, um im Bild zu bleiben: Metaphern und Vergleiche helfen uns, durch diese komplexe Pandemie zu navigieren – und hoffentlich auf der richtigen Spur zu bleiben.

„Der Sandweg bremst jedes Auto ab, die Impfung bremst jedes Virus ab. So eine Situation haben wir jetzt.“

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