Wissenschaft

Roboter für Mond und Meeresgrund

Von Christoph Kersting |
Raumfahrt- und Tiefseeforscher wollen gemeinsam Robotersysteme und Materialien entwickeln. Denn beide Gebiete haben einiges gemeinsam: Es herrschen beispielsweise tiefe Temperaturen. 2017 wollen die Wissenschaftler eine gemeinsame Forschungsmission starten.
Simon Knauber und Arne Kausche haben einen neongelben "Nachtfalter" an der Angel. Die beiden Schiffstechnik-Studenten stehen auf dem Hinterhof des Bremer Zentrums für Marine Umweltwissenschaften, kurz "Marum", und setzen den grellen Unterwasser-Gleiter behutsam mittels Kran in ein vier mal acht Meter großes Wasserbassin. "Moth", also "Nachtfalter", heißt das gelbe Gebilde mit 2,50 Meter Spannweite, weil es eher aussieht wie ein schlanker Flugdrachen. Das kommt nicht von ungefähr, erklärt Meeresphysiker Christoph Waldmann, der den Gleiter mit seinem Team entwickelt hat:
"Da haben wir uns Anregungen geholt von anderer Stelle, aus dem Flugmodellbau, und das haben wir dann umgesetzt für den Unterwassereinsatz. Das ist also ein Hohlkörper, man spricht davon: der geflutete Bereich. Das ist also im Wesentlichen eine Hülle, die innen hohl ist, und wenn man die ins Wasser reinbringt, füllt die sich mit Wasser..."
...und lässt den Gleiter später einmal in Tiefen bis zu 200 Metern sinken. Dort soll das Gefährt Bilder und Messungen von seiner unmittelbaren Umgebung liefern. Die Marum-Forscher interessiert dabei vor allem der Planktontransport in der Tiefsee:
"Das wäre von Interesse für Biologen, um herauszufinden, wie sich Planktonblüten entwickeln. Das ist ein Ereignis, das bislang noch ungeklärt ist. Im Nordatlantik haben wir ja diese massiven Planktonblüten."
Denn wo viel Plankton ist, zieht es auch Fischschwärme hin - Erkenntnisse über Wanderungsbewegungen der Tiere sind zum Beispiel für den Fischfang von Bedeutung.
"Und so ein System, nicht als Einzelsystem, sondern als Schwarm oder als Gruppe, wäre da sehr hilfreich, um solche Planktonblüten zu erklären."
Dabei sind die einzelnen Gleiter untereinander vernetzt und kommunizieren über ein Sonarsystem:
Der gelbe Gleiter ist zwar für die Tiefsee konzipiert - an seinem Design haben aber auch Luft- und Raumfahrtexperten aus Braunschweig mitgearbeitet. Denn das Nachtfalter-Projekt ist Teil der Forschungsallianz "Robex": einem Zusammenschluss von Meeres- und Raumfahrtexperten. Robex steht für "Robotische Exploration unter Extrembedingungen". Und genau diese Extrembedingungen verbinden beide Disziplinen, Tiefseeforschung und Raumfahrt, sagt Martina Wilde. Die Meeresforscherin vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut koordiniert die Arbeit der 15 deutschen an Robex beteiligten Forschungseinrichtungen:
"Die haben beide extreme Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen - ob nun auf Mond und Mars oder in der Tiefsee. Sie haben Herausforderungen, was das Thema Energieversorgung angeht, was das Thema Daten-Kommunikation angeht, Steuerung, Autonomie."
So gebe es weder für den Mond noch für die Tiefsee Roboter, die sich über mehrere Monate von ihrer Basis entfernen und autonom arbeiten könnten.
Die Raumfahrt profitiert laut Martina Wilde auch von den wesentlich unkomplizierteren Forschungsbedingungen der Meeresforscher: Denn Raummissionen sind extrem aufwendig und teuer. Expeditionen mit Forschungsschiffen, bei denen auch Roboter und neue Materialen unter realen Bedingungen getestet werden, finden hingegen häufiger statt. So entwickelt etwa die TU Dresden im Robex-Verbund einen speziellen Hochleistungsbeton, der eigentlich für den Bau von Mondbasen dienen soll. Weil der Beton extrem widerstandsfähig ist, könnten damit aber auch Druckgehäuse für die Tiefsee gebaut werden.
Die Kooperation von Meeres- und Raumfahrtexperten sei zu Beginn keine Liebesheirat gewesen, räumt die AWI-Forscherin schmunzelnd ein. Ursprünglich seien es Sparzwänge gewesen, die zur Zusammenarbeit geführt hätten:
"Trotzdem ist es so, dass nach sehr kurzer Zeit, muss ich sagen, diese beiden Welten in der Kommunikation und in der Offenheit auch zusammen gewachsen sind. Man merkt dann letztendlich: Es sind Naturwissenschaftler, es sind Ingenieure. Und wenn da vorne jemand steht und sagt: Ich habe beim Thema Energieversorgung oder Autonomie das und das Problem, dann wacht die Neugier und das Interesse der jeweils anderen Seite auf. Und es ist ihnen dann egal, ob das dann am Ende auf dem Mond oder in der Tiefsee landen würde."
Ziel der Robex-Allianz ist eine gemeinsame Forschungsmission: 2017 wollen Meeresforscher ein autonomes Unterwasserfahrzeug in der Arktis aussetzen, parallel dazu testen Raumfahrtexperten eine Gruppe von Robotern in einer mondähnlichen Landschaft in Skandinavien. Die mobilen Roboter, unter Wasser wie an Land, schwärmen dabei von einer Basisstation aus, mit der sie in stetigem Kontakt stehen.
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