Wissenschaftshistoriker über Nobelpreise

Das "Weihespiel" bedarf einer grundlegenden Reform

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Das Foto zeigt das feierliche Bankett, das an die Übergabe der Nobelpreise in Stockholm anschließt, in der Mitte sitzt Schwedens König Carl XVI. Gustaf.
Feierliches Nobelpreis-Bankett mit Schwedens König Carl XVI. Gustaf (5.v.r.): Ist der wichtigste Wissenschaftspreis der Welt noch zeitgemäß? © dpa / picture alliance / AP Photo / Henrik Montgomery
Ernst Peter Fischer im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Die Woche der Nobelpreise hat begonnen. Der Wissenschaftspublizist Ernst Peter Fischer blickt eher kritisch nach Stockholm: Seiner Ansicht nach erfüllt der Nobelpreis nicht mehr seinen ursprünglichen Zweck.
Ab heute wird erneut jeden Tag ein Nobelpreis vergeben. Den Anfang macht der Nobelpreis für Medizin. Es folgen die Auszeichnungen in Physik, Chemie, Literatur und der Friedensnobelpreis, am nächsten Montag schließlich der Wirtschaftsnobelpreis.
Offiziell geehrt werden die Preisträger am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. Wer die Preise erhält, wird vorab wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dafür spekulieren die Medien in der Regel ausdauernd, in diesem Jahr steht Greta Thunberg im Mittelpunkt des Interesses. Bekommt sie den Friedensnobelpreis?

Hohes Preisgeld, feierliche Zeremonie - und ein König

Hohes Preisgeld, feierliche Zeremonie, Urkunde, die Übergabe durch den schwedischen König: Die Nobelpreise werden zelebriert. Sie machen den Träger oder die Trägerin nicht nur wohlhabend, sondern bringen auch viel Ansehen. Universitäten schmücken sich mit Nobelpreisträgern.
Die wichtigsten Preise der Welt verbreiten Spannung und Glamour, sind aber nicht unumstritten. So wird der Nobelpreis nach Ansicht des Wissenschaftshistorikers und Wissenschaftspublizisten Ernst Peter Fischer nicht mehr seiner Satzung und damit seinem ursprünglichem Ziel gerecht.
Dort steht, dass diejenigen geehrt werden sollen, die der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben. Das werde nicht mehr eingelöst, sagt Fischer. Alfred Nobel habe den Preis im späten 19. Jahrhundert gestiftet. Seitdem ist viel Zeit vergangen: Die Wissenschaft habe sich weiterentwickelt, es gebe andere wichtige Disziplinen. Und in der Forschung werde inzwischen oft in Gruppen gearbeitet - was der Vergabe des Preises an höchstens drei Einzelpersonen entgegensteht.

Marketing für Stockholm und Schweden

Für Fischer ist der Nobelpreis nur noch eine Art "Weihespiel". Es gebe inzwischen sehr viele Preise und jede Menge gute Forschung, betont er. Der Grund dafür, dass "alle auf den Nobelpreis starren", liege darin, dass ein König den Preis vergebe. Und das auch noch kurz vor Weihnachten: "Da wird ein Weihespiel inszeniert."
Der Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller (links) verneigt sich vor König Carl XVI. Gustaf während der Nobelpreisverleihung in Stockholm im Dezember 2013.
Schöne Tradition oder erstarrtes Ritual? Der Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller (links) verneigt sich vor König Carl XVI. Gustaf während der Nobelpreisverleihung in Stockholm im Dezember 2013.© AP/Frank Augstein
Der "wichtigste Effekt des Nobelpreises" ist Fischer zufolge ohnehin Marketing: für Stockholm und Schweden. "Wann würden Sie denn über Stockholm reden, wenn die nicht den Nobelpreis vergeben würden?"
Der Publizist schlägt vor, den Preis zu reformieren: neue Kategorien einführen, auch Teams auszeichnen. Und einen Preis für das Lebenswerk vergeben, um die "Elder Statesmen" der Wissenschaft auszuzeichnen. Denn: Es gebe große Persönlichkeiten, die Einsicht in die Bedeutung und den Nutzen der Wissenschaften und deswegen der Menschheit "was zu sagen" hätten, so Fischer.
(ahe)
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