Gegen Desinformation hilft nur verlässliche Information
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"Lasst die Impfgegner in Ruhe", schreibt Mai Thi Nguyen-Kim in ihrem Buch. Deren harten Kern erreiche man wohl nicht, so die Wissenschaftsjournalistin. Man solle diejenigen adressieren, die berechtigte Sorgen hätten. Am Ende glaube sie an die Vernunft.
Mai Thi Nguyen-Kim ist eines der bekanntesten Gesichter im deutschen Fernsehen, wenn es um das Thema Wissenschaft geht: Ihrem Youtube-Kanal "MaiLab" folgen zudem 1,3 Million Menschen. Die promovierte Chemikerin freut sich über ihren Erfolg und sagt, das Schöne daran sei, dass der Erfolg auch die große Wertschätzung für Wissenschaft zeige.
Fakt oder Meinung
In ihrem neuen Buch "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit. Wahr, falsch, plausibel – die größten Streitfragen wissenschaftlich geprüft" geht es um viele gesellschaftliche Themen – von Drogen, über Videospiele, den Gender Pay Gap, Intelligenz bis hin zum Impfen – und darum, was in diesen Diskussionen Fakt ist und was bloß Meinung.
Mit dem Buch – vollgepackt mit präziser Wissenschaft, Zahlen, Grafiken – steht sie auf der "Spiegel"-Bestsellerliste ebenso wie auf der Sachbuchbestenliste von Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Zeit".
Sie habe beim Schreiben von den Recherchen zu früheren Arbeiten profitiert, sagt sie. "Meistens ist es ja so, dass mein Team und ich viel recherchieren, und es kommt nur ein Bruchteil davon in der Sendung an – was total schade ist. Und das hab ich dann wieder hervorgekramt, bin dann selbst bei der erneuten Recherche in unterschiedlichen Rabbitholes versunken, wie man so schön sagt, und kam dann mit auch selbst ganz neuen Erkenntnissen heraus."
Aufklären über Impfen und Risikoabwägung
Sehr heiß diskutiert wird angesichts der Corona-Pandemie aktuell über das Theme Impfen, kein Wunder, dass das auch im Buch aufgegriffen wird, allerdings vor allem anhand der Masern-Impfung.
Sie habe das Buch im Januar beendet, damals sei noch nicht klargewesen, wie sich das Impfen gegen Corona entwickle, erklärt die Wissenschaftsjournalistin. "Es ging eigentlich nur darum klarzumachen, dass jede Impfung mit einem gewissen Restrisiko zugelassen wird. Und dass es aber in der Risikoabwägung ganz klar für die Impfung ausfällt."
Im Kapitel "Wie sicher sind Impfungen" heißt ein Unterkapitel "Lasst die Impfgegner in Ruhe". Ihr sei bewusst, dass die Kritik an ihr aus der Ecke der Impfkritiker von einer sehr kleinen Gruppe komme, "die zwar laut ist und deswegen viel Aufmerksamkeit bekommt, die man aber, platt gesagt, gar nicht bräuchte, um Herdenimmunität zu erreichen."
Sie schlägt stattdessen vor, sich an die anderen zu wenden "Es geht ja darum: Sind Menschen vielleicht skeptisch? Haben sie berechtigte Sorgen? Was ich beim Impfen grundsätzlich total nachvollziehen kann, wo ich sage, da brauchen wir gute Aufklärung, auch mehr im Detail."
"Lasst uns aufklären"
Wer denke, dass sie zusammen mit Bill Gates die Deutschen vergiften wolle, den werde sie nicht mehr erreichen können. "Aber wie gesagt: lasst sie einfach." Stattdessen solle man an die große Mehrheit der Menschen adressieren, die berechtigte, rationale Sorgen hätten. "Lass uns die aufklären und dann, wenn man aufgeklärt ist, ist Impfen die einzig rational vernünftige Entscheidung."
Selbst bei Masern, wo man eine unglaublich hohe Immunisierung brauche, also von 95 Prozent aufwärts, würde man diese Quote ohne die knallharten Impfgegner erreichen, sagt Mai Thi Nguyen-Kim.
Sie glaube auch, dass man den Großteil der Menschen erreichen könne. "Die allermeisten sind stille Zuschauer, und diese ganz abgefahrenen, extrem Stimmen sind eine Minderheit. Und deswegen denke ich nicht, dass es kein Kampf gegen Windmühlen oder ein alleiniges Predigen der Bekehrten ist, sondern dass ich ganz viele Menschen, die wirklich offen sind, die nach Antworten suchen, dann doch erreichen kann."
Die Aufmerksamkeit nutzen
Jetzt habe die Wissenschaft gerade viel Aufmerksamkeit: "Ich versuche den Moment zu nutzen, um möglichst viel zur öffentlichen Aufklärung beizutragen – denn anders anders geht es nicht. Das einzige Mittel gegen Desinformation ist verlässliche Information."
"Ich glaube an die Vernunft", betont Mai Thi Nguyen-Kim, "zumindest an eine vernünftige Mehrheit. Diesen Optimismus, den brauche ich eben auch für meine Arbeit."
(mfu)