Witzige Geschichtsgroteske
Der Roman "Feuerköpfe" ist der zweite Teil von Vladimir Zarevs Weltschev-Trliogie, mit der er anhand einer weitverzweigten Familie die Geschichte Bulgariens erzählt: recht unterhaltsam, mit vielen grotesken und burlesken Szenen.
Der bürgerliche Realismus des 19. Jahrhunderts feiert seit Jahrzehnten Erfolge, in der Literatur ebenso wie in einigen derzeit hochgelobten Fernsehserien des In- und Auslands. Dass sein Bruder im Geiste, der sozialistische Realismus vor allem der späten Jahre vor 1989, ihm nicht allzu fern steht, zeigt Vladimir Zarevs Roman "Feuerköpfe", 1983 in Bulgarien veröffentlicht.
Sozialistische Parteilichkeit und historischer Optimismus wirken bei Zarev eher unauffällig. Seine Figurenzeichnung ist hinreichend fein, ohne zu überfordern, und die Mischung aus Akademikern und Bauern, Alten und Jungen mag sich der erwünschten Volksverbundenheit verdanken – heute überzeugt sie als Versuch, gesellschaftliche Totalität darzustellen. Zudem vermittelt "Feuerköpfe" auf 700 Seiten viele Informationen über die Geschichte Bulgariens nach 1946. Warum also nicht Bücher aus dem Sozialismus als das entdecken, was sie auch waren: als Unterhaltungsromane?
Vladimir Zarev erzählt in "Feuerköpfe", dem zweiten Teil seiner Trilogie der Weltschev-Familie, vom Aufbau der sozialistischen Volksrepublik im Dorf Widin an der Donau und in der Hauptstadt Sofia. Beinahe sämtliche Hauptrollen, von denen es nicht wenig gibt, sind mit Weltschevs besetzt. Nicht alle wissen allerdings von ihrer Zugehörigkeit zu der Familie, deren Männer blaue Augen und eine hohe Stirn haben: Es gibt einige illegitime Kinder. Daher befinden sich die Weltschevs zuweilen auf beiden Seiten, wenn die Partei die Landwirtschaft zwangskollektiviert und die Fabriken enteignet, wenn die Kommunisten gegen bürgerliche Strömungen an der Universitäten vorgehen und das Privatvermögen durch eine Währungsreform mindern. Parallel dazu wird geliebt und gelitten, gezeugt und fremd gegangen.
Zarev verbindet das öffentliche und das private Geschehen zwischen 1946 und 1976 ohne Mühe miteinander. Seine Lust an grotesken und burlesken Szenen, von Thomas Frahm mit erheblichem Sprachwitz ins Deutsche transportiert, treibt den Roman voran – etwa wenn der unbeugsame, knorrige Parteisoldat sich mit nicht weniger dickköpfigen Großbauern für Tage in einer Scheune einschließen lässt, bis sie der Kollektivierung zustimmen.
Im Zentrum steht allerdings ein großes Thema: der Gegensatz zwischen Moral und Politik, Individuum und Gesellschaft. Der Juradozent Assen Weltschev schreibt ein Buch über die Macht, verbrennt es, weil es in Stalins Zeiten inopportun erscheint, und schreibt es erneut, so die Brücke schlagend zwischen dem untergehenden bürgerlichen, auch religiösen, und dem atheistischen, über die stalinistischen Anfänge hinauswachsenden, sozialistischen Bulgarien. Das philosophisch-religiöse Thema gehört unverkennbar einer untergegangenen Gesellschaft an. Weil der Konflikt aber zur harmonischen Lösung drängt – schließlich ist der Sozialismus grundsätzlich optimistisch –, löst sich auch für heutige Leser alles in Wohlgefallen auf. "Feuerköpfe" ist ein historisch gewordener historischer Roman, der ungeachtet dessen über weite Strecken bestens unterhält.
Besprochen von Jörg Plath
Vladimir Zarev: Feuerköpfe
Aus dem Bulgarischen von Thomas Frahm
Deuticke Verlag, Wien 2011
701 Seiten, 25,90 Euro
Sozialistische Parteilichkeit und historischer Optimismus wirken bei Zarev eher unauffällig. Seine Figurenzeichnung ist hinreichend fein, ohne zu überfordern, und die Mischung aus Akademikern und Bauern, Alten und Jungen mag sich der erwünschten Volksverbundenheit verdanken – heute überzeugt sie als Versuch, gesellschaftliche Totalität darzustellen. Zudem vermittelt "Feuerköpfe" auf 700 Seiten viele Informationen über die Geschichte Bulgariens nach 1946. Warum also nicht Bücher aus dem Sozialismus als das entdecken, was sie auch waren: als Unterhaltungsromane?
Vladimir Zarev erzählt in "Feuerköpfe", dem zweiten Teil seiner Trilogie der Weltschev-Familie, vom Aufbau der sozialistischen Volksrepublik im Dorf Widin an der Donau und in der Hauptstadt Sofia. Beinahe sämtliche Hauptrollen, von denen es nicht wenig gibt, sind mit Weltschevs besetzt. Nicht alle wissen allerdings von ihrer Zugehörigkeit zu der Familie, deren Männer blaue Augen und eine hohe Stirn haben: Es gibt einige illegitime Kinder. Daher befinden sich die Weltschevs zuweilen auf beiden Seiten, wenn die Partei die Landwirtschaft zwangskollektiviert und die Fabriken enteignet, wenn die Kommunisten gegen bürgerliche Strömungen an der Universitäten vorgehen und das Privatvermögen durch eine Währungsreform mindern. Parallel dazu wird geliebt und gelitten, gezeugt und fremd gegangen.
Zarev verbindet das öffentliche und das private Geschehen zwischen 1946 und 1976 ohne Mühe miteinander. Seine Lust an grotesken und burlesken Szenen, von Thomas Frahm mit erheblichem Sprachwitz ins Deutsche transportiert, treibt den Roman voran – etwa wenn der unbeugsame, knorrige Parteisoldat sich mit nicht weniger dickköpfigen Großbauern für Tage in einer Scheune einschließen lässt, bis sie der Kollektivierung zustimmen.
Im Zentrum steht allerdings ein großes Thema: der Gegensatz zwischen Moral und Politik, Individuum und Gesellschaft. Der Juradozent Assen Weltschev schreibt ein Buch über die Macht, verbrennt es, weil es in Stalins Zeiten inopportun erscheint, und schreibt es erneut, so die Brücke schlagend zwischen dem untergehenden bürgerlichen, auch religiösen, und dem atheistischen, über die stalinistischen Anfänge hinauswachsenden, sozialistischen Bulgarien. Das philosophisch-religiöse Thema gehört unverkennbar einer untergegangenen Gesellschaft an. Weil der Konflikt aber zur harmonischen Lösung drängt – schließlich ist der Sozialismus grundsätzlich optimistisch –, löst sich auch für heutige Leser alles in Wohlgefallen auf. "Feuerköpfe" ist ein historisch gewordener historischer Roman, der ungeachtet dessen über weite Strecken bestens unterhält.
Besprochen von Jörg Plath
Vladimir Zarev: Feuerköpfe
Aus dem Bulgarischen von Thomas Frahm
Deuticke Verlag, Wien 2011
701 Seiten, 25,90 Euro