Katars Fußballhoffnung liegt in Belgien
Die Scheichs in Katar wollen bis zur Fußball-WM 2022 im eigenen Land eine Nationalmannschaft haben, die nicht schon in der Vorrunde scheitert. Deshalb haben sie den ostbelgischen Provinzklub KAS Eupen gekauft. Dort bilden sie auch Fußballtalente aus Afrika aus.
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten streicht der Ball haarscharf über die Torlatte. Victor Curto hat aus knapp 30 Metern draufgehalten. Ein Schuss wie ein Strich, der das Tor zum Wackeln brachte. Vorausgegangen war eine Reihe schöner Spielzüge. Was sich dort unten auf dem Rasen abspielt, ist große Fußballkunst, zelebriert von Spielern wie Diawandou Diagne aus dem Senegal, Isaac Jeffren aus Venezuela und Raoul Kenne aus Nigeria. Lauter Nationalspieler in ihren Heimatländern und allesamt in Diensten der Königlichen Allgemeinen Sportvereinigung Eupen.
Gemischte Gefühle bei KAS-Fans
Und wieder eine knapp vergebene Chance. Die 1353 Zuschauer sind inzwischen trotz der erlesenen Spielzüge etwas unzufrieden:
"Null Null ist halt Scheiße, oder? – Ja, nicht so gut. – Wir hatten ein paar gute Versuche, klar. – Zu oft das Aluminium getroffen. Immer wenn´s drauf ankommt, verkacken sie es."
Die jungen Fans der KAS Eupen sind misstrauisch. Viele trauen dem Verein nicht mehr so recht. Nicht dem spanischen Trainer, nicht dem deutschen Management, und schon gar nicht den Scheichs von Katar. Seit die Regierung des kleinen, reichen Ölstaates den belgischen Provinzclub Eupen aufgekauft hat, seitdem ist nichts mehr so wie früher.
Sicher, vieles ist besser geworden. Die Sportanlagen, die Jugendarbeit, die Trainer, das Management, alles superteuer und hochprofessionell. Mit fast 100 gut bezahlten Angestellten ist die KAS Eupen inzwischen einer der größten Arbeitgeber in der ganzen Gegend.
"Wir sind froh, dass wir die haben. Wir könnten selbst nicht mehr bestehen. Wir hatten ja sehr viel Schulden. Als die Kataris kamen, die haben alle Schulden übernommen. Und haben die Spieler gebracht. Und so."
Die technisch stärkste Mannschaft der zweiten Liga
Aber irgendwie rätseln viele immer noch, was die Scheichs mit dem kleinen Verein in den Ardennen wirklich vorhaben. Einerseits wollen sie hier ihre künftige Nationalmannschaft ausbilden, soviel ist klar. Andererseits lassen sie ganz Afrika nach Talenten durchkämmen, die sie nach fünfjähriger Ausbildung nach Eupen schicken, damit sie hier in der zweiten Liga Spielpraxis sammeln. Supertalente, die Besten der Besten.
"Für die belgische zweite Liga spielen wir hier auf einem hohen Niveau. Technisch ist die AS Eupen die stärkste Mannschaft der Liga, aber körperlich haben sie Defizite."
Vor allem die Tore fehlen. Im entscheidenden Moment versagen den Stürmern die Nerven, oder wichtige Spieler sind auf einem Lehrgang oder die Trainer stellen ganz einfach offensichtlich nicht die beste Mannschaft auf. Gegen Coxyde fehlten alle sieben katarischen Spieler.
"Ich weiß nicht, wo sie sind, die sind jetzt wieder in so einer Vorbereitung für Qualifikationsspiele, so ne Cuppe, die die da unten spielen. Ja, na sind die weg, wenn die wieder zurück kommen, dann werden die direkt wiederhier gesetzt. Und das bringt ziemlich viel Unruhe in die Mannschaft."
Vier-, fünfmal im Jahr sind die katarischen Spieler für Turniere unterwegs, sind bei Asienmeisterschaften der verschiedenen Juniorenklassen dabei. Akram Afif, einer der besten asiatischen Nachwuchsspieler, fehlt dann im Eupener Sturm.
"Das ist hier das Projekt, die sind in der Ausbildung und da läuft auch oft was falsch. Dat ist als Fan manchmal nicht einfach hier."
Verhindert die Vereinsführung bewusst den Aufstieg?
Seit drei Jahren schrammen die Eupener immer knapp am Aufstieg in die erste Liga vorbei. Auch in dieser Saison sah es anfangs gut aus. Aber seit einigen Wochen rutscht der Verein immer weiter ab. Alles Absicht, glauben einige Fans.
"Das Blöde ist, die dürfen – aus unserer Sicht – dürfen sie nicht aufsteigen, weil die Spieler hier ausgebildet werden und in der ersten Liga dürfen sie nicht ausgebildet werden, weil das zu schwer ist. Weil die schon hier Probleme haben."
Die Zuschauer in Eupen sind anspruchsvoll geworden. Das geht schnell. Bis vor wenigen Jahren wurde hier, 20 Kilometer hinter Aachen, am Ausläufer der Ardennen, eine Spielart des Rumpelfussball gepflegt. 17.000 Einwohner hat Eupen, die Hauptstadt der deutschsprachigen Ostkantone Belgiens. Die ganze deutsch-sprachige Provinz zählt gerade einmal 70 000 Menschen. Wenn früher 500 davon zu den Heimspielen kamen, war das schon ein Erfolg. Der größte Stolz des Vereins war der Name, erzählt Pressesprecher Michael Reul:
"AS Eupen ist Allgemeine Sportvereinigung, also die AS Eupen, oder auch Alliance Sportive auf französisch. Und wenn ein Verein in Belgien 50 Jahre alt geworden ist und hat bis dahin sich nichts zuschulden kommen lassen, ist also in allen Gesichtspunkten ein Vorbildverein, dann verleiht das Königshaus den Titel Königlicher Sportverein, und so ist dann aus der AS Eupen die königliche AS Eupen geworden, die KAS Eupen."
Die Katarer retteten den Verein vor dem finanziellen Aus
1995 war das. Aber auch als königlicher Verein blieb Eupen eine typische Fahrstuhlmannschaft zwischen zweiter und dritter belgischer Liga. Bis dann vor fünf Jahren ein italienischer Investor die KAS Eupen mit viel Geld in die erste Division führte. Da musste ein neues Stadion her, für 8000 Zuschauer, weil das der belgische Fußballverband für Vereine der ersten Liga vorschreibt. Als die Mannschaft dann gleich wieder abstieg, verlor der Herr aus Italien die Lust. Ein reich gewordener Anlageberater aus Deutschland übernahm dann den Verein. Fünf Monate später war wieder Schluss. Der großzügige Deutsche war wegen Anlagebetrugsim Gefängnis gelandet.
Von da ging es dann erstmal ziemlich rasant bergab mit der königlichen Sportvereinigung, sportlich und auch finanziell. Kurz vor der ganz harten Landung tauchte plötzlich der Direktor der katarischen Sporthochschule Aspire Academy auf, ein smarter Deutscher mit Wohnsitz in Köln und in Doha. Die Aspire Academy sei bereit, die AS Eupen zu übernehmen. Nicht selbstlos, wie Andreas Bleicher einräumte, Katar brauche einen Verein als Spielplatz für seine künftige Nationalmannschaft.
"Wir haben den europäischen Fußball analysiert, die Regularien der Verbände, Aufenthaltserlaubnis, und so weiter, Spielberechtigung für Nicht-EU-Spieler und dann kommt man irgendwann auf Belgien. Und dann muss man gucken, welcher Club macht Sinn. Wir wollten nicht in eine Großstadt, weil wir denken, wir können in einer Kleinstadt, das ganze Umfeld etwas besser steuern. Und so sind wir irgendwann auf die Möglichkeit Eupen gekommen."
Ein Kölner leitet die Fußballakademie
Andreas Bleicher, ein immer noch durchtrainierter 50er, war früher einmal Leiter des Olympiastützpunktes Köln-Bonn. Vor elf Jahren entdeckten ihn die Headhunter der Scheichs und holten ihn nach Doha, wo er Sportdirektor der Aspire Academy wurde. Bekanntheit bekommt die Aspire Academy jedes Jahr im Januar, wenn der FC Bayern am persischen Golf sein Winterlager aufschlägt. Dann kann man im Fernsehen die wunderbare Sportanlage sehen, eine der besten und teuersten, die es weltweit gibt.
In der Wüste lässt sich zwar schöner Winterfußball spielen, aber im Rest des Jahres nicht viel dazu lernen. Von den zwei Millionen Einwohnern des Ölstaates sind die meisten Gastarbeiter, von denen viele wie Sklaven gehalten werden und keine Zeit für Fußball haben. Nur 300 000 sind Kataris, und die sind nicht gewohnt, sich bei 40 bis 50 Grad schnell zu bewegen. Kurz: Fußball hat in Katar weder Tradition noch die nötigen Strukturen. Wenn man 20 junge Talente findet, hat man zwar eine gute Mannschaft, aber keinen angemessenen Gegner.
"Wir haben die Situation des Fußballs in Katar analysiert und haben dann die Schlussfolgerung gezogen, dass die Jungs bis sie 18 sind, hervorragende Voraussetzungen in Aspire in Katar haben, aber dass danach die Betreuung nicht mehr ideal sein kann, aufgrund der Spielmöglichkeiten in der katarischen Liga und aufgrund der Qualität des Fußballs und auch der Kultur des Fußballs. Und wir wollten die jungen Spieler, wenn sie dann 18, 19 sind, an die europäische Kultur des Fußballs heranführen unter professionellen Wettkampfbedingungen."
Training in Membach
Freitagmorgen in einem gottverlassenen Seitental bei Membach. Vier Flutlichtmasten im Nirgendwo. Ganz hinten, zwischen den Bäumen, die weißgetünchten Backsteinmauern eines alten Bauernhofes. Vorne ein paar Kälber, die gelangweilt der seltsamen Hektik auf der Nachbarwiese zuschauen. Sonst weit und breit nichts..
"Weil der Haupttrainingsplatz heute wegen Rasenerneuerung im Strafraumbereich nicht zur Verfügung steht, ist das Training auf diesem ungewöhnlichen Platz im ländlichen Gebiet, wo sich ansonsten Fuchs und Hase gute Nacht sagen, angesetzt, aber schon strategisch alles vorbereitet. Eine mehr als gute Notlösung."
Der Rasen zwischen den Kuhweiden ist nicht nur gut, wie der Medienbeauftragte Micheal Reul zurückhaltend formuliert, er ist makellos. Seit die Kataris den Verein übernommen haben, wird nichts mehr dem Zufall überlassen. Selbst die Ausweichplätze sind in Bestzustand, die Freundschaft zu den Nachbarvereinen wird professionell gepflegt, viel Geld fließt in gemeinsame Jugendprojekte.
Hier spricht alles deutsch
Der plötzliche Wohlstand der KAS Eupen soll keinen Neid und keine Kritik auf sich ziehen. Dafür sorgt das deutsche Management, das die Scheichs in Eupen installiert haben. Hier, im deutschsprachigen Osten Belgiens, hegt man noch immer eine gewisse Bewunderung für deutsche Manager und freut sich, wenn sie in die Provinz kommen.
"Hier spricht alles deutsch. Ja gut, es gibt Trainer, die sprechen Spanisch, es gibt Spieler, die kommen aus Afrika, die sprechen französisch und englisch. Es gibt Spieler, die kommen aus Belgien, die sprechen flämisch und französisch und auch deutsch. Also, das ist schon ein Multi-Kulti-Getümmel hier und wir haben auch sieben Katarer in der A-Mannschaft und die sprechen dann halt arabisch."
Doch Mulit-Kulti sind heute fast alle Fußballvereine. Seine besondere Note bekommt die Königliche Sportvereinigung Eupen erst durch die Rolle der Scheichs. Man sieht sie nicht, man hört sie nicht, aber sie sind da. Manchmal wird der eine oder andere im Stadion gesehen, unauffällig im Anzug, nie im weißen Gewand. Es gibt sogar Gerüchte, dass der Emir irgendwo in den belgischen Ardennen ein Anwesen gekauft haben soll. Genaueres weiß man nicht.
Die Scheichs treten in Eupen nicht auf, sie reden nicht, sie geben keine Interviews. Das Gesicht und die Stimme Katars kommt jeden Tag 100 Kilometer aus Köln herübergefahren, hat eine klare Sprache:
"Ich bin Vorstand von Eupen, arbeite aber für Katar."
Andreas Bleicher kennt natürlich die Vorbehalte gegen seine Arbeitgeber, die Ölscheichs. Er kennt die Geschichten von den zahllosen Menschenrechtsverletzungen in Katar, von moderner Sklavenarbeit und von unwürdiger Behandlung der Bauarbeiter auf den Baustellen der WM-Stadien. Aber das alles habe mit dem Projekt Eupen nichts zu tun. Für die Kataris sei die Königliche Sportvereinigung Eupen Teil eines nationalen und eines humanitären Projektes, betont Bleicher, auch wenn das viele nicht so sehen würden:
"Wir kämpfen immer mit allem möglichen, aber wir sind da sehr gelassen, wir haben unsere Philosophie, wir wissen, dass wir was Gutes tun für die Jungs und auch für die afrikanischen Jungs. Und wollen den Club damit auch weiterbringen. Ich denke, dass der Club davon auch profitiert, das Umfeld auch. Wir sind da sehr guter Dinge."
Nur ein humanitäres Projekt?
Glaubt man dem Eupen-Vorstand Andreas Bleicher, dann sind es im Grunde zwei völlig getrennte Projekte, die das Emirat Katar in Eupen verfolgt. Da sind zum einen die sieben katarischen Spieler, die in Belgiens Profiliga an den internationalen Wettkampfstandard heran geführt werden sollen, sieben viel versprechende Junioren-Nationalspieler, alle um die 20 Jahre. Zur Weltmeisterschaft 2022 in Katar werden sie 26 sein und das Gerüst der Nationalmannschaft stellen.
Zum anderen sind da die zwölf afrikanischen Spieler, das Ergebnis des "Football Dreams"-Projektes der Aspire Academy. Das ist das humanitäre Projekt, von dem Bleicher gerne erzählt, das es dem Emir von Katar so am Herzen liege.
Vier Millionen 13-jährige Afrikaner wurden in diesem Football Dreams Projekt bisher gesichtet. Jedes Jahr eine halbe Million Jungen, die in ganz Afrikas beobachtet, getestet und ausgesiebt werden. Die besten 20 jedes Jahrgangs bekommen eine fünfjährige Ausbildung. Zwölf von ihnen sollen nun in Eupen zu Superprofis heranreifen.
Auch gutes Benehmen steht auf dem Trainingsprogramm
Diawandou Diagne ist auf dem Weg zum Mittagessen. Jeden Tag treffen sich die Spieler von Eupen in der VIP-Lounge des Stadions, wo gegen ein Uhr das Essen serviert wird. Diagne ist 21, ein kräftiger Verteidiger, den die Scouts aus Katar vor acht Jahren in Afrika aufgespürt haben.
"Im Senegal habe ich wie alle Kinder auf der Straße Fußball gespielt. Ich wurde dann in ein Ausbildungszentrum eingeladen, wo wir getestet wurden. Ich war einer der besten meiner Region und durfte nach Dakar fahren, zur nationalen Ausscheidung. Da waren 50 Jungs, und ich war wieder einer der Besten. Ich durfte nach Katar reisen, da gab es wieder Tests und am Ende wurde ich in die Aspire Academy aufgenommen."
Mehr als 6000 Scouts sind in mittlerweile 17 Ländern für Andreas Bleicher und den Emir unterwegs, immer auf der Suche nach dem neuen Drogba oder Eto´O. Wer irgendwie auffällt, ob im Verein oder auf dem Bolzplatz, der wird zu Sichtungsturnieren eingeladen. Dann wird ausgesiebt, immer wieder ausgesiebt, lokal, regional, national. Die Besten dürfen für sechs Wochen nach Katar.
"Die Schule dort ist absolute Spitze. Das ist meiner Ansicht nach die beste Akademie der Welt. Sie waren da vielleicht noch nicht, aber wenn Sie die Gelegenheit haben sollten, diese Schule zu besuchen, sollten Sie die Chance unbedingt nutzen. Alle Kinder in Afrika träumen davon, dort Fußball zu spielen."
Nach der Grundausbildung in Katar kam Diagne ins Afrikanische Trainingszentrum der Aspire Academy in Dakar, als einer von 20 Jugendlichen seines Jahrgangs. Fünf Jahre dauerte die Ausbildung dort. Gelehrt wird nicht nur Fußball, sondern auch Mathematik, Englisch und gutes Benehmen.
"Sie haben mich dort geformt, als Mensch und als Fußballspieler. Ich habe dort sehr viel gelernt. Was immer auf mich zukommt, ich werde damit fertig werden."
Am Ende der fünf Jahre in Dakar wurde Diawando Diagne von der Aspire Academy nach Eupen geschickt. Er bekam seinen ersten Profivertrag. Vor zwei Jahren holte ihn der FC Barcelona in seine B-Mannschaft. Zeitweise durfte er mit Messi, Iniesta und Neymar trainieren, für einen Platz in der ersten Mannschaft reichte es aber nicht ganz. Als die B-Mannschaft in die dritte Liga abstieg, verlieh ihn Barcelona wieder nach Eupen. Zweite belgische Liga ist besser als dritte spanische, sagt Diagne.
Seit einem Jahr ist Diawandou Diagne senegalesischer Nationalspieler. Das war sein großes Ziel, erzählt er. Seit er es geschafft hat, sei viel Druck von ihm abgefallen. Die hohen Erwartungen, sagt er, aber auch der ständige Verdacht, er wolle irgendwann den katarischen Pass beantragen.
"Hier werden wir nicht gedrängt, für Katar zu spielen. Alle Afrikaner wollen für ihre eigenen Nationalmannschaften spielen. Alle, und niemand kann dann noch für Katar spielen, jeder möchte in der eigenen Nationalmannschaft spielen. Das gehört einfach dazu. Das sind unsere Heimatländer, da muss man auch für diese Länder spielen."
Selbst der Fanblock wurde in Spanien gekauft
Christoph Henkel kennt die Diskussion um die Staatsbürgerschaft. Henkel war Leiter der Sportschule des 1. FC Köln und ist heute Generaldirektor der KAS Eupen.
Man sieht ihm an, dass ihn der Vorwurf nervt, in Eupen würden afrikanische Talente für die katarische Nationalmannschaft vorbereitet. Doch vor einem Jahr bekamen die Gerüchte ziemlich viel Nahrung. Bei der Handballweltmeisterschaft im eigenen Land präsentierte die katarische Regierung eine Nationalmannschaft mit sehr viel ausländischen Wurzeln. Sieben Handballer aus Europa und Amerika waren kurzfristig Katarer geworden. Selbst der lautstarke Fanblock zur Unterstützung der Mannschaft war komplett in Spanien eingekauft worden. Das kann man nicht vergleichen, sagt Vereinsdirektor Henkel. Anders als beim Handball müssten Fußballspieler fünf Jahre in einem Land gelebt haben, bevor sie Nationalspieler werden können. Es sei nicht das Ziel der KAS Eupen, aus Afrikanern Kataris zu machen:
"Gegen diesen Vorwurf wehren wir uns. Laut Fifa-Statuten ist es für die meisten unserer Spieler gar nicht mehr möglich. Viele dieser Spieler sind bereits Nationalspieler in ihrem eigenen Land und es ist auch die ausgesprochene Zielsetzung, dass die Spieler, die aus dem Aspire Football Dreams Projekt stammen, auch Nationalspieler in ihrem Land werden sollen."
Zweifel an der Nächstenliebe der Königsfamilie
Das Football Dreams Projekt in Afrika und Eupen sei ein rein humanitäres Projekt, wiederholen Generaldirektor Henkel und sein Präsident Bleicher immer wieder.
Doch irgendwie fällt es schwer zu glauben, dass ausgerechnet die katarische Königsfamilie Millionen und Abermillionen Dollar aus reiner Nächstenliebe ausgeben sollte. Die Herrscher von Katar sind nicht dafür bekannt, dass sie im Umgang mit Ausländern auch nur Ansätze von Menschlichkeit zeigen würden.
Menschenrechtsorganisationen beklagen regelmäßig, dass in Katar Gastarbeiter und selbst ausländische Fußballspieler oft gegen ihren Willen im Land gehalten würden. Dass ihnen die Ausweise abgenommen und zustehende Löhne unterschlagen würden.
Vielleicht geht es bei diesem Football Dreams Projekt genau darum, den schlechten Ruf des kleinen Königreiches aufzubessern. Und zwar aufzubessern, ohne dass man an den lukrativen Zuständen zuhause etwas ändern müsste.
Katar als Hoffnungsträger für junge Afrikaner?
Das Football Dreams Projekt hat Katar in Afrika als Hoffnungsträger für junge Menschen bekannt gemacht. Zwar gibt es bislang nicht einmal zweihundert Auserwählte, die es tatsächlich auf die Aspire Academy geschafft haben. Aber der irrsinnige Aufwand an Testspielen, Sichtungsturnieren und Ausscheidungswettkämpfen hat seine Breitenwirkung entfaltet. Junge Fußballspieler in ganz Afrika träumen von Katar und der Aspire Akademy. Und mit ihnen träumen unzählige Familien, wie Diawandou Diagne erzählt:
"Ich finanziere meine Familie. Das gehört einfach zu unserer Kultur in Afrika, dass man der Familie hilft. Und zwar nicht nur den Eltern, sondern allen Verwandten hilft. Darum geht es."
In Eupen glauben viele, dass es der katarischen Königsfamilie nur um ein gutes, neues Geschäft geht. Wer den afrikanischen Kontinent so systematisch nach neuen Talenten durchsucht, der wolle Diamanten finden. Rohdiamanten, die man nur noch ein bisschen schleifen muss, damit sie funkeln. Und die man dann teuer nach England, Spanien oder Deutschland verkaufen kann. Unter den vielen Millionen Straßenfußballern Afrikas müssten doch genügend Edelsteine zu finden sein, damit sich die Suche lohnt.
Sollten Aspire-Chef Bleicher und der Emir von Katar tatsächlich diesen Plan gehabt haben, dann ist er bislang nicht aufgegangen. Unter den Spielern, die aus der Aspire Academy hervorgegangen sind, ist kein Messi und kein Eto'o in Sicht. Auch kein Aubameyang und kein Yeboah. Die Transfersummen, die für Aspire-Zöglinge bislang genannt werden, liegen zwischen 40.000 und 400.000 Euro.
Fußballentwicklung 13-Jähriger schlecht voraussagbar
Eupen-Generaldirektor Christoph Henkel klingt etwas ernüchtert, wenn er einräumt, dass man kleinen Jungs vielleicht doch nicht ansieht, wer einmal ein ganz Großer wird.
"Wenn man das wüsste, mit 13 Jahren, glaube ich, dann würden es alle Vereine gerne machen. Jeder hat die Hoffnung, dass der Spieler, den er gesehen und gescoutet hat, dass er derjenige ist, der das Talent entwickelt. Aber auf dem Weg dann können natürlich viele Dinge passieren, im Umfeld des Spielers oder beim Spieler selbst, die nicht vorhersehbar sind. Und wo man dann einfach die Entwicklung abwarten muss."
Die Spieler aus Katar sind diesmal beim Training dabei. Junge Spieler, schnelle Spieler, geschickt am Ball. Aber die meisten jungen Afrikaner sind doch einen Tick besser, ehrgeiziger, hungriger. Einige könnten also durchaus eine Verstärkung sein für die katarische Nationalmannschaft. Eine Handvoll Spieler soll ernsthaft darüber nachdenken, im nächsten Jahr nach Katar zu wechseln. Der Umzug wäre notwendig, um fünf Jahre später zur Weltmeisterschaft spielberechtigt zu sein. Direktor Henkel und auch Vereinsvorstand Bleicher dementieren solche Absichten, wollen aber auch nicht ausschließen, dass sich der eine oder andere Spieler für Katar entscheiden könnte.
"Die anderen WM wurden ja auch gekauft"
Fan-Talk im Café Columbus in der Stadtmitte von Eupen. Pressesprecher Michael Reul hat ein paar Spieler mitgebracht, die für Fragen zur Verfügung stehen. Der kleine holzgetäfelte Schankraum ist gut zur Hälfte besetzt. Der größte Fanclub des Vereins, die Pandas, ist mit einer Handvoll Silberrücken vertreten, treue Fans, Durchschnittsalter um die 65. Sie wollen vor allem über Taktik reden, über neue Spieler und über die Schwächen der Mannschaft im Abschluss. Kein Wort zu Katar und zur Rolle der Scheichs. Sorgen macht den Fans, dass zu den Heimspielen so wenig Zuschauer kommen.
"Könnte man nicht für die Frauen oder Freundinnen von den Besuchern eine Preisreduktion geben, damit die mitkommen? Ich glaub, es ist für die Spieler auch schöner zu spielen vor 5000 Zuschauern als vor 1100."
Dabei läßt der Vereinsvorstand schon jetzt vor jedem Spiel reihenweise Freikarten verteilen, an Schulen, an Jugendmannschaften, an andere Vereine. Auch die Fans haben sich schnell an das Geld der Scheichs gewöhnt. Draußen, vor dem Cafe Columbus, erzählt ein älterer Herr, dass man sich in Eupen schon manchmal Gedanken mache über die Weltmeisterschaft in Katar – ob die Scheichs die Zustimmung gekauft haben könnten. Vor allem aber, was passieren würde, wenn die FIFA den Zuschlag für 2022 deshalb zurückzieht. Ob der Emir dann auch die Lust an der KAS Eupen verlieren würde.
"Ich will hoffen, dass die Weltmeisterschaft in Katar gespielt wird. Sie ist ja bei den anderen auch gespielt worden für Geld. In Katar sind sie gekauft, aber die anderen scheinbar auch, die bisher waren."