Wo bleibt die Kapitalismuskritik aus der Mitte?
Kapitalismuskritik ist inzwischen ein Massenphänomen, denn es eignet sich sogar unter Handwerkern, Ärzten und Unternehmern als Partygesprächsthema. Daran ist erst einmal nichts Falsches, denn zu kritisieren gibt es genug.
Die öffentliche Debatte zu diesem Thema allerdings, die läuft an der gesellschaftlichen Mitte bisher komplett vorbei. Das ist ein Fehler. Man könnte sagen: Diejenigen, die dieses Land voranbringen, die persönliche Risiken auf sich nehmen und Verantwortung für sich und andere tragen, verschlafen gerade ihren Einsatz. Es reden andere - die bestens organisierten Lobbyisten der Banken und Fonds einerseits oder die politische Linke mit ihrem jaulenden Protest andererseits. Zwischen Großkapital und Antikapitalismus geht die Idee der Sozialen Marktwirtschaft verloren.
Dabei war es doch genau die Mitte der Gesellschaft, welche diese Idee groß gemacht hat - und die gleichermaßen durch sie groß geworden ist. Der deutsche Mittelstand ist das Kind dieses Gesellschaftsmodells, das selbst wiederum kerngesund dafür sorgt, dass Deutschland im weltweiten Vergleich gut dasteht. Man könnte also meinen, es gäbe etwas zu verteidigen. Doch wo bleiben die neuen, konkreten Vorschläge aus der Mitte, wie man aus einem ungeordneten kapitalistischen Selbstbedienungsladen wieder eine echte soziale Marktwirtschaft machen könnte? Bisher: Fehlanzeige. Und dieses Vakuum lockt die Falschen auf den Plan.
So jongliert etwa Sahra Wagenknecht, bekennende Kommunistin innerhalb der Linkspartei, mit Begriffen und Namen, die ihr in der Vergangenheit eher fremd schienen. Von Ludwig Erhards Konzept eines "Wohlstands für alle" sei das Land weit abgekommen. Es wäre ja auch nur im Rahmen eines modern gedachten Sozialismus zu erreichen.
Ich bin mir sicher: Weder Erhard noch Eucken oder Müller-Armack wollten sich von der Frontfrau der Linken vereinnahmen lassen. Zufrieden aber wären sie mit der derzeitigen Situation ebenso wenig. Sie würden sich daran machen, Alternativen zu entwickeln - ohne dabei gleich das ganze System infrage zu stellen. Die Frage bleibt: Wer nimmt sich heute an ihrer Stelle dieser Aufgabe an?
Erhard und seine Mitstreiter würden feststellen, dass es zu viele Märkte gibt, in denen der Wettbewerb zu gering ist und einzelne Spieler zu groß sind. Kleine Startups werden von diesen in die Knie gezwungen - nicht etwa durch bessere Ideen, sondern beispielsweise durch ihre Abmahnwucht. Alte Großstrukturen werden subventioniert, während neue, kreative Ansätze ersticken, weil Bürokratie sie hemmt und es an Risikokapital mangelt. Ein neuer Gründergeist entsteht so nicht.
Ich bin mir sicher, die großen Ordnungspolitiker würden heute fordern, dass endlich schnelles Internet auch an entlegene Standorte gelangt; dorthin, wo zwar keine "großen Namen" mit entsprechendem Druck dafür sorgen, aber trotzdem Ideen entstehen. Sie würden ein Klima schaffen, in dem man Neuerungen nicht nur beklatscht, sondern auch wirklich unterstützt. Und sie würden zu Recht fragen, warum kaum ein Arbeitnehmer Anteile an einem Unternehmen hat. Denn damals, zu ihrer Zeit, galt dies als Königsweg marktwirtschaftlicher Kontrolle.
Ein fairer Wettbewerb mit klaren Regeln, an dem jeder teilnehmen und teilhaben kann, schafft gute Rahmenbedingungen für alle. Die Idee der klugen Ordnungspolitik bleibt also aktuell. Womit wir im Prinzip immer noch bei Ludwig Erhard sind, nur eben in unsere Zeiten übersetzt.
Niemand darf sich dabei aus der Verantwortung stehlen, nicht die Privatwirtschaft und auch nicht die Politik. Es braucht Menschen, die bereit sind, diese Ordnungspolitik zu gestalten. Kommt die politische Mitte auch weiterhin nicht hinter dem Ofen hervor, dann gibt sie die Verantwortung ab - und zwar an die, die mit dem Gedanken eines freien und fairen Wettbewerbs wirklich gar nichts am Hut haben. Damit macht man dann den Bock zum Gärtner - oder eben die Kommunistin zur Wirtschaftsweisen.
Christoph Giesa arbeitet als Publizist und Unternehmensberater in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz, Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis".
Er schrieb das Buch "Bürger. Macht. Politik” (Campus-Verlag 2011). Das Zeitgeschehen kommentiert er in seinem "blog.christophgiesa.de" und als Kolumnist von "The European".
Dabei war es doch genau die Mitte der Gesellschaft, welche diese Idee groß gemacht hat - und die gleichermaßen durch sie groß geworden ist. Der deutsche Mittelstand ist das Kind dieses Gesellschaftsmodells, das selbst wiederum kerngesund dafür sorgt, dass Deutschland im weltweiten Vergleich gut dasteht. Man könnte also meinen, es gäbe etwas zu verteidigen. Doch wo bleiben die neuen, konkreten Vorschläge aus der Mitte, wie man aus einem ungeordneten kapitalistischen Selbstbedienungsladen wieder eine echte soziale Marktwirtschaft machen könnte? Bisher: Fehlanzeige. Und dieses Vakuum lockt die Falschen auf den Plan.
So jongliert etwa Sahra Wagenknecht, bekennende Kommunistin innerhalb der Linkspartei, mit Begriffen und Namen, die ihr in der Vergangenheit eher fremd schienen. Von Ludwig Erhards Konzept eines "Wohlstands für alle" sei das Land weit abgekommen. Es wäre ja auch nur im Rahmen eines modern gedachten Sozialismus zu erreichen.
Ich bin mir sicher: Weder Erhard noch Eucken oder Müller-Armack wollten sich von der Frontfrau der Linken vereinnahmen lassen. Zufrieden aber wären sie mit der derzeitigen Situation ebenso wenig. Sie würden sich daran machen, Alternativen zu entwickeln - ohne dabei gleich das ganze System infrage zu stellen. Die Frage bleibt: Wer nimmt sich heute an ihrer Stelle dieser Aufgabe an?
Erhard und seine Mitstreiter würden feststellen, dass es zu viele Märkte gibt, in denen der Wettbewerb zu gering ist und einzelne Spieler zu groß sind. Kleine Startups werden von diesen in die Knie gezwungen - nicht etwa durch bessere Ideen, sondern beispielsweise durch ihre Abmahnwucht. Alte Großstrukturen werden subventioniert, während neue, kreative Ansätze ersticken, weil Bürokratie sie hemmt und es an Risikokapital mangelt. Ein neuer Gründergeist entsteht so nicht.
Ich bin mir sicher, die großen Ordnungspolitiker würden heute fordern, dass endlich schnelles Internet auch an entlegene Standorte gelangt; dorthin, wo zwar keine "großen Namen" mit entsprechendem Druck dafür sorgen, aber trotzdem Ideen entstehen. Sie würden ein Klima schaffen, in dem man Neuerungen nicht nur beklatscht, sondern auch wirklich unterstützt. Und sie würden zu Recht fragen, warum kaum ein Arbeitnehmer Anteile an einem Unternehmen hat. Denn damals, zu ihrer Zeit, galt dies als Königsweg marktwirtschaftlicher Kontrolle.
Ein fairer Wettbewerb mit klaren Regeln, an dem jeder teilnehmen und teilhaben kann, schafft gute Rahmenbedingungen für alle. Die Idee der klugen Ordnungspolitik bleibt also aktuell. Womit wir im Prinzip immer noch bei Ludwig Erhard sind, nur eben in unsere Zeiten übersetzt.
Niemand darf sich dabei aus der Verantwortung stehlen, nicht die Privatwirtschaft und auch nicht die Politik. Es braucht Menschen, die bereit sind, diese Ordnungspolitik zu gestalten. Kommt die politische Mitte auch weiterhin nicht hinter dem Ofen hervor, dann gibt sie die Verantwortung ab - und zwar an die, die mit dem Gedanken eines freien und fairen Wettbewerbs wirklich gar nichts am Hut haben. Damit macht man dann den Bock zum Gärtner - oder eben die Kommunistin zur Wirtschaftsweisen.
Christoph Giesa arbeitet als Publizist und Unternehmensberater in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz, Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis".
Er schrieb das Buch "Bürger. Macht. Politik” (Campus-Verlag 2011). Das Zeitgeschehen kommentiert er in seinem "blog.christophgiesa.de" und als Kolumnist von "The European".