Früher Stahl, heute rechtsradikal
Der Abstieg der Stahlstadt Ozd begann mit dem Ende des Sozialismus. Fachkräfte wanderten ab, es blieben Frust, Armut, Perspektivlosigkeit. Inzwischen regiert hier Ungarns jüngster Bürgermeister: David Janiczak von der rechtsradikalen Partei Jobbik.
Zweiter Stock im Rathaus von Ozd, das Bürgermeisteramt: Der lange Flur erinnert an ein Jugendzentrum oder eine Disko, auffällig gestrichen, mit breiten roten und weißen Streifen. Auf einem kleinen Lesetisch: Werbebroschüren der Stadt, gleich daneben, die neueste Ausgabe der "Barrikade", dem Magazin für Ungarns ganz rechte Szene. Zu der wird auch Jobbik gezählt, die Partei von David Janiczak, Ungarns jüngstem Bürgermeister.
Seit über zwei Jahren im Amt
Der 29-Jährige bittet ins Büro. Er trägt Bluejeans zum Jacket, modisches Kinnbärtchen, schwarzgerandete Brille. Vor zweieinhalb Jahren wurde er ins Amt gewählt.
Das Amtszimmer: ein dreieckiger Raum, in der Spitze Janiczaks Schreibtisch, darauf eine Topfblume, Schoko-Eier und ein paar Akten. Dahinter drei Flaggen: links die rot-weiß-grüne für Ungarn, in der Mitte die Stadtflagge von Ozd und rechts eine Fahne mit roten Streifen, so wie die, draußen im Flur.
David Janiczak: "Das ist die historische Flagge unserer Arparden-Könige. Wir können auf unsere Arparden-Könige sehr stolz sein. Denn das waren diejenigen, die sich als Erste in Ungarn angesiedelt haben. Vor mehr als tausend Jahren."
Rot-weiße Streifen als Erkennungszeichen
Die rot-weißen Arparden-Streifen sind die Erkennungsfarben von Jobbik. Das mittelalterliche Königreich soll nationale Identität stiften. Seine Wiederherstellung ist ein Ziel der Radikal-Nationalisten. Wann der letzte Arpaden-König abgetreten ist? Da muss Janiczak passen.
Janiczak muss sich jetzt vor allem mit der Gegenwart befassen und um die Zukunft kümmern. Denn die einst wohlhabende Industriestadt Ozd hat viele Probleme. Nach dem Ende des Sozialismus machte das Stahlkombinat dicht. 13.000 Menschen verloren ihre Arbeit, die Einwohnerzahl schrumpfte um ein Drittel – von 48.000 auf 34.000. Noch immer sucht man nach einer neuen Perspektive.
"Ich glaube, die Strategie für die Stadt muss auf drei Säulen stehen. Und zwar Landwirtschaft, Tourismus und Leichtindustrie. Die Landwirtschaft aus dem Grund, weil sie Arbeit für die einfachen Leute schafft. Der Tourismus, weil er Ozd die Möglichkeit gibt, sich von den negativen Stereotypen einer schmutzigen Industriestadt zu befreien. Und in der Leichtindustrie können qualifizierte Leute eine Arbeit finden. Und das macht Ozd dann automatisch wieder attraktiv."
Mit Law-and-Order gegen die Roma
Der größte Arbeitgeber heute ist das staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramm. Die Mehrzahl der dort Beschäftigten sind Roma. Überwiegend extrem arme und unqualifizierte Menschen. Vielen Ozder-Bürgern sind sie ein Dorn im Auge. Sie wählten deshalb Jobbik. Er kümmere sich intensiv um das "Zigeuner-Problem", sagt Janiczak:
"Ich habe die Siedlungen persönlich besucht. Alle. Was mich sehr gestört hat, war dieser Müll. Ich habe sie darum gebeten, dort Ordnung zu machen."
Law-and-Order, mehr Peitsche als Zuckerbrot, heißt das in der Praxis. Das Projekt seines Vorgängers ließ der Jobbik-Bürgermeister gleich nach seiner Wahl stoppen. Es passte nicht zur Roma-Politik der Rechtsradikalen:
"Also es war die Rede von einem Zigeunerkultur-Zentrum, in dem Soziologen forschen würden. Die Idee hat mir und den Leuten in Ozd gar nicht gefallen. In Ozd hatten die Leute schon genug von dieser Roma-Forschung."
Beim Thema Europa zurückgerudert
Bei einem anderen Kernthema ist die Jobbik-Partei jetzt zurückgerudert: Ungarns Austritt aus der Europäischen Union. Einst verbrannten die Radikal-Nationalisten öffentlich die EU-Flagge. Jetzt hofft Jobbik-Bürgermeister Janiczak auf europäische Fördergelder für seine Stadt.
Doch die werden vom politischen Konkurrenten in Budapest vergeben, den Gefolgsleuten von Fidesz, der Partei des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
"Wir befürchten, dass die Fonds-Gelder eher in Städte fließen, die von Fidesz regiert werden, als in die Städte, in denen der Bürgermeister von einer anderen Partei stammt. Aber wir hoffen, dass es bei den EU-Fonds gerechter zugeht. Denn es ist die letzte Möglichkeit für die Stadt, sich noch zu entwickeln."