Schützen statt schießen
22:53 Minuten
Zwei- bis dreitausend Wölfe leben im Nordwesten der iberischen Halbinsel: so viele wie in kaum einer anderen Region in Europa. Obwohl der Bestand stabil ist, hat die spanische Regierung beschlossen, den Abschuss von Wölfen zu verbieten.
Auf dem Rasen vor dem spanischen Umweltministerium ist Volksfeststimmung. Männer in Lederwesten und Frauen in Holzfällerhemden, kerniges Landvolk. Der Wein fließt aus Ziegenhäuten – eine zünftige Bauernparty.
Wenn da nicht die grauenvollen Fotos wären, die sie mitgebracht haben. Fotos von verendenden Schafen, von zerfetzten Fohlen, von toten Kühen, aus deren Bäuchen Gedärme quellen. Die Schäfer und Viehzüchter sind aus den nördlichen Provinzen nach Madrid gekommen. Viele waren noch nie in der Hauptstadt. Aber jetzt, finden sie, muss es mal sein.
"Die Viehzucht verschwindet, je mehr der Wolf sich ausbreitet. Die Leute sind am Anschlag. Wenn das so weitergeht, werden wir aufgeben müssen."
"Die Viehzucht verschwindet, je mehr der Wolf sich ausbreitet. Die Leute sind am Anschlag. Wenn das so weitergeht, werden wir aufgeben müssen."
"Die Schäden werden immer größer – und wir, die noch in der traditionellen Weidewirtschaft arbeiten, werden immer weniger."
"Wir gehen täglich zu unserem Vieh raus und fast immer findet irgendeiner ein totes Kalb, eine Kuh oder sonst was. Das ist doch echt deprimierend – jeden Tag irgendwelche toten Tiere zu finden."
Vorne auf dem Podium steht eine Vertreterin des Bauernverbandes und heizt die Demonstranten an. Denn auf der anderen Seite des Rasens, im Umweltministerium, hat man sich festgelegt: Wölfe dürfen im ganzen Land nicht mehr geschossen werden. Auch im Norden nicht mehr, wo das bisher noch möglich war.
Eine Bestie unter Naturschutz?
Eine Bestie unter Naturschutz? Wer jetzt vom Aussterben bedroht ist, sagen die Bauern: Das sind wir.
"Da drin sitzen diese Wölfe im Schafspelz! Da drin sitzen die Killer des ländlichen Spaniens! Beraten von Salon-Umweltschützern, die keine Ahnung haben von unseren Dörfern, unserem Leben, unserer Kultur!"
Da, wo die Bauern herkommen, ein paar Autostunden nördlich von Madrid, sehen das fast alle so: Das Abschussverbot ist ein Frontalangriff auf ihren Lebensstil. Nur wenige Viehzüchter halten dagegen, es sind vor allem jüngere. Rosi González zum Beispiel, die zusammen mit ihrem Mann 850 Schafe besitzt und Wolfsattacken nur aus Erzählungen kennt:
"Das mit dem Wolf wird ziemlich aufgebauscht. Es gibt Wichtigeres, wofür wir kämpfen müssen. Die Bauern haben sich auf ihn eingeschossen, als ob es nichts anderes gäbe."
Der Nordwesten Spaniens ist zur Konfliktzone geworden. An kaum einem Ort in Europa gibt es mehr Wölfe – zwei- bis dreitausend Exemplare, wird geschätzt. Und an kaum einem Ort spalten sie so wie hier.
Riesige Mastíne-Hunde im Einsatz gegen die Wölfe
Alberto Fernández, Rosis Mann, "redet" gern mit seinen Schafen. Ich mag das, wenn sie mir "antworten", sagt er. Die Herde ist fast immer draußen, auch nachts. Und das mitten im Wolfsland. Aber Probleme haben die beiden so gut wie nie.
"Manchmal bleibt ein Schaf zurück und klar, das holt sich dann einer. Aber so eine richtig große Attacke mit 30, 40 toten Tieren – nee."
Der Unterschied ist unsere Hundearmee, sagen Rosi und Alberto. 17 Mastíne haben sie. Eine uralte spanische Rasse. Riesenkerle - 70, 80 Kilo schwer. Sie haben viel überschüssige Haut am Hals, das ist so gezüchtet. In diesem Fell können sich Wölfe oder Füchse ruhig festbeißen - Hauptsache, sie treffen nicht die Luftröhre.
Viehzüchter setzen Mastíne schon seit Jahrhunderten zur Verteidigung der Herden ein. Der ganze Hund ist gemacht, um zu kämpfen.
"Guck Dir mal diese Reißzähne an! Fast wie die von einem Wolf. Das sind sehr starke Hunde. Guck mal, wenn der meinen Arm erwischen würde … Oder hier: Was er für Pfoten hat – enorm! Und wiegen wird er wohl so um die 70 Kilo."
"Wo die Schafe sind, sind die auch"
Man sieht den Mastínen an, dass sie keinem Streit mit Wildtieren aus dem Weg gehen. Überall – an den Beinen, am Kopf, am Bauch: Wundschorf und Narben. Rosi und Alberto machen darum aber nicht viel Aufhebens – der Tierarzt ist teuer und wird nur im Notfall bemüht.
Die Hunde laufen bei ihnen einfach so mit, sind meistens sich selbst überlassen. Sie kommen als Welpen zur Herde, wachsen mit ihr auf und sind an Kühe oder Schafe mehr gewöhnt als an Menschen.
"Die sind Tag und Nacht bei der Herde. Gut, nachts spazieren sie gern auch mal durchs Dorf. Das lassen sie sich nicht nehmen. Aber ansonsten sind sie immer da. Wo die Schafe sind, sind sie auch."
"Und sie halten sich für einen Teil …?"
" ... der Herde? – Ja."
Sobald die Schafe grasen, entspannen sich die Hunde – gähnen, dösen oder kabbeln sich ein bisschen untereinander. Aber wenn sich Fremde oder Wildtiere nähern, sind sie sofort in Alarmbereitschaft.
Manchmal filmt Alberto mit dem Handy, wen sie dann in der Mache haben. Neulich erst ein Wildschwein. Das Video ist nichts für Tierliebhaber: Das Wildschwein steht zitternd in einem Tümpel, umringt von acht, neun wütenden Mastínen, am Kopf schon erste Bisswunden. Am Ende ist es aber davongekommen. Denn die Hunde lassen ab, wenn Alberto auftaucht. Ihm ist nur wichtig, dass Raubtiere abgeschreckt werden – vor allem Wölfe.
"Sie sind intelligent. Sie wissen, dass sie es dann mit meinen Mistkerlen zu tun kriegen. Also lassen sie die Schafe in Ruhe und jagen lieber andere Wildtiere. Das ist zwar anstrengender, aber nicht so riskant."
"Sie sind tolle Tiere"
Ein bisschen weiter westlich hackt Esther Marqués Fleisch für ihre Wölfe. Sie ist Tierpflegerin in einem Wolfszentrum und hat sensible Kundschaft. Zwei Wölfinnen lieben Kaninchen, andere fressen nur Kalb oder Geflügel.
"Wölfe sind kompliziert", sagt Esther. "Aber je länger ich mit ihnen arbeite, desto interessanter finde ich sie."
"Es ist, als ob Du eine neue Sprache lernst. Irgendetwas sagen sie uns immer: mit ihrer Körperhaltung, ihren Geräuschen, ihren Gesten. Sie sind tolle Tiere – sie sprechen ständig untereinander. Aber auch mit uns, weil wir Teil ihrer Meute sind."
14 Wölfe leben im Zentrum – in drei Meuten. Männchen und Weibchen, Alte und Jungtiere gemischt. Im großen Außengelände haben sie reichlich Platz. Eine halbwilde Haltung, in der sie sich fast so organisieren können, als würden sie in Freiheit leben.
Wenn Wölfe spielen wollen
Esther hat keine Angst. Es ist eher umgekehrt, sagt sie: Wölfe haben erst mal eine Heidenangst vor uns Menschen. Und trotzdem: Wenn sie ins Gehege geht, packt sie sich vorsichtshalber dick ein – in eine Motorradkluft.
"Sie gehen gerne mal an Dir hoch, vor allem die, die zutraulicher sind. Oder sie wollen spielen. Und wir haben halt nicht so ein superdickes Fell. Also ist das hier so was wie mein Pelz."
Heute hat Esther allein Schicht. Eigentlich gehen die Pfleger in Zweierteams ins Gehege, immer ein Mann und eine Frau. Die Wölfe wissen auch bei Menschen genau, wer Männchen und wer Weibchen ist, und gemischte Paare passen besser in ihre Rangordnung. Sich als Mensch da einzusortieren, ist nicht ganz unkompliziert.
"Dass ich ihnen Essen bringe, siedelt mich eher oben an. Aber man darf nicht vergessen, dass sie sehr starke Tiere sind. Und besonders in der Paarungszeit haben sie gern Machtkämpfe. Da bin ich besser nicht in einer Führungsposition."
Die Paarungszeit ist gerade vorbei, aber die Machtverhältnisse sind immer noch ein bisschen wacklig.
Konfliktpotenzial: Männchen und Weibchen trennen
In der ganz heißen Phase trennen die Pfleger Männchen und Weibchen, um Konflikte zu vermeiden. In Freiheit könnte ein Tier, das im Kampf unterliegt, die Meute verlassen – hier geht das nicht. Am Ende bleibt aber genug Natur übrig. Terrain markieren, Dominanzverhalten – das funktioniert wie draußen. Und nach ganz klaren Regeln.
"Am Ende sind sie wie Menschen: Sie leben in Familien und haben ein Sozialgefüge. Die Mitglieder der Meute passen aufeinander auf und sichern so das Überleben ihrer Art. Eine hochkomplexe Organisation – es ist bewundernswert".
Das Freigehege ist die Attraktion des Wolfszentrums. Mehr als 40.000 Besucher kommen jedes Jahr vorbei. Eine Ausstellung zeigt die Geschichte der Region. Der Wolf war schon immer hier, ist die Botschaft.
Koexistenz von Mensch und Wolf
Jahrhundertelang hat er die Vorstellungswelt der Menschen geprägt, und jahrhundertelang wussten sie, wie sie sich und ihr Vieh schützen. Zwischendurch, in den 1960er- und 70er-Jahren, gab allerdings mal eine lange Phase ohne Wölfe – Jagd und Futtermangel hatten sie fast ausgerottet.
Vielleicht gibt es jetzt ja deswegen so viel Ärger, vermutet Jesús Palacios, der Direktor des Wolfszentrums. Denn Artenschutz hat den Bestand wieder auf zwei-, dreitausend Exemplare gebracht.
"Man hatte den Wolf vergessen. Jetzt ist er zurückgekommen und man muss wieder lernen, nebeneinander zu leben. Das ist eine enorme Herausforderung. Miteinander leben würde ich es nicht nennen wollen, aber Koexistenz schon. Denn Koexistenz bedeutet, dass zwei Arten auf demselben Territorium leben können."
"Días de lobo" – "Wolfstage"
50 Kilometer westlich vom Wolfszentrum, in Sichtweite der Grenze zu Portugal, lebt José Ramón González. Der Viehzüchter hat mit der Koexistenz so seine Erfahrungen gemacht. Im Februar hat er eine Kuh und drei Kälbchen verloren. Es waren "Días de lobo" - "Wolfstage". So nennen sie in den Dörfern das feuchte, graue Winterwetter, denn im Nebel pirschen sich Wölfe besonders gerne an.
"Das eine Mal war es eine Kuh unter der Geburt. Sie war hilflos und konnte sich nicht bewegen. Und dann kam der Wolf und hat sie und das Kalb getötet. Eigentlich verteidigen sich Kühe immer in der Gruppe.
Ich glaube, Elefanten machen das auch: Sie nehmen die Jungen in die Mitte und schützen sie so. Aber wenn eine da nicht mitkommt, lassen sie sie allein und verteidigen lieber den Rest der Gruppe. Und das ist bei mir passiert."
Den Schaden schätzt José Ramón auf dreieinhalb- bis viertausend Euro. Anders als viele Bauern in der Gegend, die von der Hand in den Mund leben, hat er sogar eine Versicherung. Aber die hilft ihm nicht immer.
"Du musst nachweisen, dass es ein Wolf war. Was schwierig ist – der Wolf hinterlässt ja keine Unterschrift. Außerdem lassen sie gerade von Kälbern oft nichts übrig. Und dann kriegen wir den Schaden nicht ersetzt. Und dafür hast Du so ein Theater!"
Zwei, drei Attacken pro Winter – das kann bei unseren niedrigen Gewinnmargen darüber entscheiden, ob wir am Ende des Jahres mit einer schwarzen Null rauskommen oder ob wir Verluste machen, sagt José Ramón.
"Sie haben keine Ahnung von unserem Leben"
Er selbst arbeitet nebenher noch als Ingenieur und baut außerdem Wein an. Das sei lukrativer als Viehzucht und mache nicht so viel Ärger.
"Die in Madrid", sagt José Ramón, "halten doch nur Sonntagsreden auf uns. Und dann entscheiden sie, dass Wölfe nicht mehr abgeschossen werden dürfen. Sie haben keine Ahnung von unserem Leben."
"Die Leute denken, dass die Natur wie in einem Walt-Disney-Film ist, aber so ist sie eben nicht. Die Natur ist grausam. Man resigniert ein bisschen, und dann macht man weiter. Es erwischt uns ja leider jedes Jahr - und das ist schon schwierig genug. Wenn die Wolfspopulation jetzt auch noch wächst, wird es unmöglich."
Die Frage, ob Wölfe sich unkontrolliert vermehren, wenn sie nicht mehr abgeschossen werden dürfen, spaltet die Region. Die Mehrheit der Viehzüchter und Schäfer ist überzeugt: Ja, das wird jetzt so kommen. Javier Talegón, Biologe und Wolfexperte, meint: nein.
"Es gibt dieses Mantra, dass – wenn die Jagd wegfällt – die Wölfe zur Plage werden, in die Dörfer einfallen und so weiter. Das geht gar nicht. Die Wölfe regulieren sich selbst. Pro Territorium kann es nur eine bestimmte Anzahl von Tieren geben, das hängt von der Menge der Nahrung ab, die es dort gibt. Und bei der Anzahl bleibt es dann auch, mehr kann es nicht geben."
Javier Talegón vermutet hinter der Aufregung um das Abschussverbot etwas ganz anderes. Bisher konnten Jagdrechte lukrativ an wohlhabende Hobbyjäger verkauft werden. Eine gute Einnahmequelle für Landbesitzer im Norden, die jetzt natürlich wegfällt.
Es ist nicht sinnvoll, den Leitwolf zu schießen
Für die Region insgesamt ist es aber kein Schaden, meint Javier, im Gegenteil. Denn zahlende Jäger wollten immer das größte und beste Exemplar einer Meute erlegen, also: den Leitwolf. Und das sei, als ob man einer Fußballmannschaft den Trainer wegnehmen würde.
"Oft erreicht die Jagd genau das Gegenteil von dem, was sie bezwecken soll. Wenn Du eine Meute verkleinerst, schwächst Du sie. Und dann macht sie sich nicht mehr über Hirsche oder Rehe her, sondern über Tiere, die leichter zu erreichen sind. Also: das Nutzvieh."
Javier Talegón organisiert Wolfstouren. Die Teilnehmer werden mit Hochleistungsferngläsern ausgestattet. Denn Javier lehnt es ab, Wölfen auf die Pelle zu rücken oder sie gar mit Ködern anzulocken. Außerdem müssen die "Wolfswatcher" Geduld mitbringen. Oft vergehen Stunden, bevor sie ein Exemplar vor die Linse bekommen – und dann meist auch nur ganz kurz.
Javier will Verständnis für Wölfe wecken. Sie sind unglaublich wichtig, sagt er. Selbst für die Viehzüchter, die sie so fürchten.
"Es gibt Untersuchungen, die nahelegen, dass es in Wolfsgebieten beim Nutzvieh weniger Tuberkulose gibt. Weil Wölfe die Wildschweine, Hirsche oder Rehe reißen, die diese Krankheit haben könnten. So kommt sie nie beim Nutzvieh an."
"Der Wolf ist von Natur aus ein Mörder"
Rosi und Alberto – die Schäfer mit der "Hundearmee" – haben Besuch. Albertos Vater ist auf einen Kaffee vorbeigekommen. Die Schafherde gehörte mal ihm und seiner Frau. Er hat sie schon vor Jahren an Sohn und Schwiegertochter abgegeben.
Eigentlich verstehen sich die drei gut. Aber dass Rosi und Alberto behaupten, mit Wölfen könne man leben, hält Pedro Fernández für eine Flause. Er ist im Bauernverband. Und da sieht man die Sache anders.
"Der Wolf ist von Natur aus ein Mörder. Wer einen Mörder schützt, praktiziert Umweltterrorismus. "Doch, doch, doch! Er tötet, um zu töten! Aus Spaß, nicht weil er hungert!"
"Ich lache, weil – er sagt das so …"
"Ja, ich bin da halt sehr vehement. Und wenn ich mich einmal aufrege …"
Alberto hat Respekt vor seinem Vater. In vielem sind sich die beiden einig. Zum Beispiel darin, dass sie die eigentlichen Umweltschützer sind. Schließlich halten ihre Schafe den Boden sauber und verhindern Waldbrände. Nur das Thema Wolf ist heikel.
"Hör mal: Wie ich meine Schafe schütze, das hat er doch früher genauso gemacht. Ich rede nur offen drüber. Und er nicht."
Nachmittags versorgt Alberto Mutterschafe und Lämmer, die im Stall bleiben.
Der Streit um den Wolf ist doch nur ein Stellvertreterkonflikt, sagt er. In Wahrheit haben wir ganz andere Probleme. Mit der Viehzucht lässt sich schon seit Jahren kaum noch was verdienen. Die Einnahmen stagnieren, aber die Ausgaben, zum Beispiel für Futter, steigen.
Viehzüchter in Spanien haben es schwer
Traditionelle Weidewirtschaft, wie sie Alberto betreibt, ist in Spanien zwar so etwas wie ein nationales Kulturgut. Aber die Großbetriebe, in denen Tiere ausschließlich im Stall gehalten werden, produzieren viel billiger. Gegen die haben es Viehzüchter wie Alberto schwer.
"Im Moment – in der Pandemie – verkaufen wir mit Verlusten. Aber wie mal ein Banker gesagt hat: Das ist der Markt, Freunde. Friss oder stirb. Naja, Unterstützung könnten wir schon gebrauchen. Wir und die großen Intensivbetriebe – das ist ein bisschen David gegen Goliath."
Leicht wird es ihnen nicht gemacht, finden Rosi und Alberto. Wer sein Vieh schützen will, braucht mindestens ein Dutzend Mastíne, sagen sie. Denn obwohl sie starke Hunde sind – nur drei oder vier kommen gegen eine Wolfsmeute dann doch nicht an. 10.000 Euro pro Jahr kosten die Mastíne mindestens, schätzt Rosi. Ausgaben für Futter, Impfungen, Versicherungen.
Der Papierkram wird immer mehr
Der Papierkram wird immer mehr. Inventarlisten, Einnahmen, Ausgaben, Veterinärkontrollen. Allein 21 Impfpässe haben Alberto und Rosi – vier für die Border Collies, die die Schafherde treiben. Und 17 für die Mastíne, die sie bewachen. Auflagen und Vorschriften überall. An manche halten sie sich – an andere nicht.
"Die Mastíne sind als Haustiere katalogisiert, nicht als Arbeitstiere. Bei mir arbeiten sie aber. Theoretisch muss ich sie immer anleinen und Maulkörbe benutzen, sonst droht mir eine Geldstrafe. Aber wozu brauche ich so einen Hund? Der kann ja gar nicht seine Aufgabe erledigen."
Auch wenn die Mastíne erst mal bei der Herde aufwachsen – Rosi und Alberto ist es wichtig, dass die erwachsenen Tiere sich an den Umgang mit Menschen gewöhnen. Bisher haben die Behörden immer ein Auge zugedrückt. Aber wenn auch nur ein Spaziergänger angefallen würde, wäre es mit der Hundearmee schnell vorbei.
Nachbarn haben Rosi und Alberto in der einsamen Gegend wenige. Hin und wieder trifft man sich, wenn die beiden mit ihrer Herde über die Wiesen ziehen. Über die Hunde hat sich noch nie jemand beschwert.
Das Thema Wolf spaltet die Menschen auf dem Land
Und die Schafe lässt sowieso jeder gern auf sein Grundstück. Wenn die dort weiden, ist das besser als jeder Rasenmäher. Trotzdem weiß Alberto: Mit seiner Offenheit hat er sich in der Gegend nicht nur Freunde gemacht.
"Es wird so dargestellt, als ob ich den Wolf fördern wollte. Das stimmt nicht. Ich glaube nur, dass Koexistenz möglich ist.
Aber das ist teuer und kostet Arbeit. Wenn also eine Gesellschaft sich entscheidet, dass der Wolf nicht abgeschossen werden soll, müssen wir mal ein paar Scheinchen auf den Tisch legen."
Das wäre etwas, wofür die Bauern gemeinsam kämpfen könnten, finden Rosi und Alberto: Finanzielle Unterstützung für Schutzmaßnahmen gegen Wolfsattacken. Und: dass ihre Art der Hundehaltung legalisiert wird. Dann würde im Norden vielleicht wieder Frieden einkehren.
Denn das, sagen sie, wissen ja eigentlich auch die anderen schon seit Langem: Wenn wir es richtig anstellen, dann ist im Wolfsland Platz für alle.