Woher kommt unser Seelenfrieden?
Der Theologe Friedemann Richert meinte kürzlich im Politischen Feuilleton, die Diakonie und die Caritas sollten sich gegen die Übermacht säkularer Therapeuten verwahren und wehren. Die Publizistin Astrid von Friesen sieht das anders - nämlich psychologisch differenziert.
Beansprucht die moderne Psychologie die "Deutungshoheit fürs Seelenleben"? Kann jeder Mensch durch Erkenntnis, was gut oder böse, was gottgefällig oder gesellschaftlich sinnvoll ist, sich, seine Handlungen und seine Seele "ordnen"?
Sigmund Freud formulierte vor über 100 Jahren, dass der Mensch gerade nicht "Herr im eigenen Haus" sei, vielmehr eine gebeutelte Kreatur ist, deren innere Instanzen, das heißt die Autoritäten, die Triebe und die Vernunft immer wieder mühsam eingefangen und ausbalanciert werden müssen.
Denn schwere Neurotiker ebenso wie die grenzgängerischen Borderliner und Psychotiker sind Getriebene ihrer inneren Konflikte: Einerseits wollen sie - wie wohl die allermeisten Menschen - anerkannte, respektierte und wertvolle Mitglieder der Gesellschaft sein und persönlich ein erfülltes Leben führen.
Andererseits brechen immer wieder überflutende Gefühle durch und schwemmen alle guten Vorsätze hinweg. Wie Süchtige, die alle heiligen Eide im Monatstakt schwören und doch beständig rückfällig werden.
So ist das Ziel "Herr im eigenen Seelenhaus" zu werden, für viele immer wieder verzweiflungsvoll, weit entfernt, was sie voller Scham, Reue, Selbstanklage bis hin zu Selbstverletzungen und Selbstzerstörungen konstatieren müssen. Manchmal täglich!
Deswegen laufen zumindest die tiefenpsychologisch orientierten Therapien nicht über den Verstand, sondern erreichen die Gefühle. Vom Verstand her wissen wir alle, was gut und böse, gesundheitlich sinnvoll und gesellschaftlich förderlich wäre. Nur die unbewussten, chaotischen, wegen zu heftiger Schmerzen verdrängten Gefühle machen immer wieder einen Strich durch unsere Rechnung und lassen uns an uns selbst verzagen und verzweifeln.
Ein Beispiel: Viele Menschen fühlen sich als Opfer, wie zum Beispiel viele Frauen oder auch Ostdeutsche, oftmals ein Leben lang, obwohl sie es objektiv nicht sind und nicht sein müssten. Erst wenn die damit verbundenen Gefühle der Ohnmacht, Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins in ihrer Kindheit und Jugend erkannt und aufgearbeitet werden, können sie von ihrem emotionalen Muster Abstand nehmen.
Sie müssen nicht mehr in jeder schwierigen Situation erstarren und in der Opferrolle nörgeln, klagen und klammern, sondern können Neues wagen. Und dadurch sich, die Mitmenschen und die normalen Lebensanforderungen völlig neu bewerten und ihr Leben aktiv gestalten.
Wir Therapeuten tun gut daran, uns religiös, spirituell und ideologisch neutral zu verhalten, um den Patienten einen Raum zu eröffnen, ihren jeweils ureigenen Weg zu finden. Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe und Heilung. Wenn die religiöse Dimension hinzukommt, die Hinwendung zu Gott oder Allah, zu selbstgebastelter Religiosität, zu Schamanen oder Heilslehrern kann es ein Gewinn sein. Kann jedoch - entsprechend der ursprünglichen Störung - auch in Zwanghaftigkeit, missionarischen Eifer, in die Isolation und schlimmstenfalls in den Fanatismus abgleiten und für den Patienten wie für seine Umgebung erneut zur Qual ausarten.
Um es positiv zu formulieren: "Herr im eigenen Seelenhaus" zu sein, bedeutet kein neurotisches Entweder-oder, Religion oder Hoheit der Psychologie, sondern ein gesundes und reifes Sowohl-als-auch, um fähig zu werden, die Fülle der eigenen, oftmals brachliegenden Fähigkeiten, die Möglichkeit von innigen, liebevollen Beziehungen ebenso wie die Schönheit der Welt zu erkennen, zu erleben und zu genießen - einschließlich aller nur denkbaren Gottesbezüge.
Astrid von Friesen, Jahrgang 1953, ist Journalistin, Erziehungswissenschaftlerin, sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin. Sie unterrichtet an den Universitäten in Dresden und Freiberg, macht Lehrerfortbildung und Supervision. Im MDR-Hörfunkprogramm "Figaro" hat sie eine Erziehungs-Ratgeber-Sendung. Außerdem schreibt sie Bücher, zuletzt: "Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer" (Ellert & Richter Verlag Hamburg).
Sigmund Freud formulierte vor über 100 Jahren, dass der Mensch gerade nicht "Herr im eigenen Haus" sei, vielmehr eine gebeutelte Kreatur ist, deren innere Instanzen, das heißt die Autoritäten, die Triebe und die Vernunft immer wieder mühsam eingefangen und ausbalanciert werden müssen.
Denn schwere Neurotiker ebenso wie die grenzgängerischen Borderliner und Psychotiker sind Getriebene ihrer inneren Konflikte: Einerseits wollen sie - wie wohl die allermeisten Menschen - anerkannte, respektierte und wertvolle Mitglieder der Gesellschaft sein und persönlich ein erfülltes Leben führen.
Andererseits brechen immer wieder überflutende Gefühle durch und schwemmen alle guten Vorsätze hinweg. Wie Süchtige, die alle heiligen Eide im Monatstakt schwören und doch beständig rückfällig werden.
So ist das Ziel "Herr im eigenen Seelenhaus" zu werden, für viele immer wieder verzweiflungsvoll, weit entfernt, was sie voller Scham, Reue, Selbstanklage bis hin zu Selbstverletzungen und Selbstzerstörungen konstatieren müssen. Manchmal täglich!
Deswegen laufen zumindest die tiefenpsychologisch orientierten Therapien nicht über den Verstand, sondern erreichen die Gefühle. Vom Verstand her wissen wir alle, was gut und böse, gesundheitlich sinnvoll und gesellschaftlich förderlich wäre. Nur die unbewussten, chaotischen, wegen zu heftiger Schmerzen verdrängten Gefühle machen immer wieder einen Strich durch unsere Rechnung und lassen uns an uns selbst verzagen und verzweifeln.
Ein Beispiel: Viele Menschen fühlen sich als Opfer, wie zum Beispiel viele Frauen oder auch Ostdeutsche, oftmals ein Leben lang, obwohl sie es objektiv nicht sind und nicht sein müssten. Erst wenn die damit verbundenen Gefühle der Ohnmacht, Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins in ihrer Kindheit und Jugend erkannt und aufgearbeitet werden, können sie von ihrem emotionalen Muster Abstand nehmen.
Sie müssen nicht mehr in jeder schwierigen Situation erstarren und in der Opferrolle nörgeln, klagen und klammern, sondern können Neues wagen. Und dadurch sich, die Mitmenschen und die normalen Lebensanforderungen völlig neu bewerten und ihr Leben aktiv gestalten.
Wir Therapeuten tun gut daran, uns religiös, spirituell und ideologisch neutral zu verhalten, um den Patienten einen Raum zu eröffnen, ihren jeweils ureigenen Weg zu finden. Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe und Heilung. Wenn die religiöse Dimension hinzukommt, die Hinwendung zu Gott oder Allah, zu selbstgebastelter Religiosität, zu Schamanen oder Heilslehrern kann es ein Gewinn sein. Kann jedoch - entsprechend der ursprünglichen Störung - auch in Zwanghaftigkeit, missionarischen Eifer, in die Isolation und schlimmstenfalls in den Fanatismus abgleiten und für den Patienten wie für seine Umgebung erneut zur Qual ausarten.
Um es positiv zu formulieren: "Herr im eigenen Seelenhaus" zu sein, bedeutet kein neurotisches Entweder-oder, Religion oder Hoheit der Psychologie, sondern ein gesundes und reifes Sowohl-als-auch, um fähig zu werden, die Fülle der eigenen, oftmals brachliegenden Fähigkeiten, die Möglichkeit von innigen, liebevollen Beziehungen ebenso wie die Schönheit der Welt zu erkennen, zu erleben und zu genießen - einschließlich aller nur denkbaren Gottesbezüge.
Astrid von Friesen, Jahrgang 1953, ist Journalistin, Erziehungswissenschaftlerin, sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin. Sie unterrichtet an den Universitäten in Dresden und Freiberg, macht Lehrerfortbildung und Supervision. Im MDR-Hörfunkprogramm "Figaro" hat sie eine Erziehungs-Ratgeber-Sendung. Außerdem schreibt sie Bücher, zuletzt: "Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer" (Ellert & Richter Verlag Hamburg).