Wohin mit der Straßenkunst?
Die Stadt Hannover hat im Laufe der Jahrzehnte über 200 Skulpturen und Plastiken angesammelt. Kaum eine andere deutsche Stadt weist eine so hohe Dichte an künstlerischen Objekten auf. Über eine falsche Dimensionierung der Objekte gab es zwar schon vor über 15 Jahren leise Klagen. Heute wird in deutschen Kommunen zunehmend mutiger diskutiert, ob Kunst im öffentlichen Raum versetzt oder gar entfernt werden darf. Hannover reagierte mit Einsetzung einer <papaya:link href="http://www.strassenkunst-hannover.de" text="Expertenkommission" title="Expertenkommission" target="_blank" />.
Unter Sandpyramiden wollte eine Künstlergruppe vor einiger Zeit fast 200 Skulpturen verschwinden lassen, die sich im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte in Hannovers öffentlichen Raum angesammelt haben, die sich an manch städtischem Ort geradezu drängeln - und die, abgesehen von Niki de Saint-Phalles grellbunten "Nanas", in der harten Konkurrenz mit Reklame und Schaufenstern oder Flaniermeilenkitsch in der Art der plumpen Berliner Bären-Monstrositäten meist vergeblich um Aufmerksamkeit werben.
"Manches ist wirklich heute nur noch harmlos oder nur noch schnöde Illustration. Und da gewinnen dann natürlich die großen Tempel des Konsums deutliche Dominanz der Kunst gegenüber. Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir in Zukunft auch mal wieder zu Konzepten kommen, wo die Kunst gestalterische Dimensionen in die Stadt hinein bringt - und nicht nur dem Allerlei folgt, was sie da vorfindet."
Ulrich Krempel, Direktor des Sprengel Museums, kann vor seinem Kunsthaus am Maschsee regelrecht die Schichten, die Jahresringe der öffentlichen Kunst ausmachen: Da steht auf einem 18 Meter hohem Sockel ein heroischer "Fackelträger" von 1936, noch aus Nazizeiten, neben dem knallroten "Hellebardier" von Alexander Calder und einem jener hübsch designten, aber ästhetisch doch eher belanglosen "Bus-Stops", mit denen Hannover zum Expo-Jahr 2000 den öffentlichen Nahverkehr zur Künstlerrallye adeln wollte.
"Man hat immer mal wieder etwas Neues dazugestellt, immer wenn sich ein Fleckchen irgendwo anbot, was dann doch noch nicht mit Kunst besetzt war. Wir sind ja eine extrem aufstellungsfeudige Stadt gewesen. Früher hat es sogar gezielte Programme gegeben, in den letzten Jahren ist es eher den Initiativen Einzelner, oft Privater überlassen geblieben. Und das hat natürlich dann doch dazu geführt, dass es ein ziemliches Kuddelmuddel gibt."
In diesem Gemischtwarenladen nun wollten die Architekten Nils Nolting und Arne Hansen 2005 mit ihrer Sandpyramiden-Aktion aufräumen. Bürger, die sich für eine der Skulpturen interessierten, sollten gefälligst selbst Hand anlegen und ihre Lieblinge wieder ausbuddeln.
Der Galerist Robert Simon, dessen Engagement für die Straßenkunst Hannover eine veritable "Skulpturenmeile" verdankt, kanzelte diese Idee als unverantwortliche "Scharlatanerie" ab. Museumsdirektor Krempel dagegen fand den Gedanken aufgrund seiner eigenen Erfahrungen im besten Sinne bedenkenswert:
"Wir haben so etwas vor vielen Jahren mal in Essen gemacht und Bürger der Stadt gefragt nach Denkmälern in ihrem Stadtteil. Und da stellte sich zum Beispiel raus, dass wir auf Denkmäler hingewiesen wurden - von Menschen, die dort schon lange lebten - die es schon gar nicht mehr gab, die abgeräumt worden waren."
Immerhin bewirkte die Architekten-Initiative eines "Entsorgungsparks" für Stadtskulpturen, dass Hannover eine Expertenkommission einsetzte. Die hat sich Gedanken gemacht - und ihre Empfehlungen unter www.strassenkunst-hannover.de im öffentlichen Raum, sprich: im Internet, platziert. Dort allerdings wird niemand spüren, was den Hannoveraner stört. Hochbahnsteige etwa, die als ungeschlachte Metallkonstruktionen den Straßenraum wie Fremdkörper zerschneiden.
"Es gibt keine spürbare ästhetische Stadtplanung. Und oft genug bestehen auch wirkliche Widersprüche zwischen der baulichen Situation und den Kunstwerken, die da stehen. Nicht immer sind es glückliche Arbeiten. Manchmal haben die sich durch Stehenbleiben auch schon ästhetisch erledigt."
Nur leider lassen diese Kunstwerke sich nicht - wie neuerdings so manches Museumsstück - auf dem Markt versilbern. Die finanziellen Ressourcen sind im Wortsinne verbaut, vergraben - und wären vielleicht doch besser in andere, konventionelle Kanäle umgeleitet worden?
"Es sind selten genug Gelder, die alternativ auch für Kunst im Museum gedacht wären. Oft sind es 'Kunst am Bau'-Mittel, die benutzt worden sind oder anderes. Und damals, als die Idee der Straßenkunst geboren wurde, da hat die natürlich eo ipso einen demokratischen Impetus gehabt, und das Museum galt als Ort eines hochnoblen, elitären Umgangs mit der Kunst. Das hat sich ja sehr geändert inzwischen."
Nun ist Ulrich Krempel, der selber nicht an dem Straßenkunst-Gutachten mitgewirkt hat, durchaus kein Gegner von Skulpturen im öffentlichen Raum, aber einiges ästhetisches Gewicht verlangt der Museumsmann schon, wenn Kunst auf der Straße oder im Park, neben Kaufhäusern oder vor Amtsgerichten bestehen soll:
"Große Kunst im öffentlichen Raum war in den 60er Jahren, wenn Sie an Serra und seine Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit denken, immer auch ein gewollter Störfaktor, ein ästhetischer Irritationsfaktor. Und solche Dinge gibt es möglicherweise viel zu wenig in einem so friedlichen städtischen Ensemble wie in Hannover. Vielleicht ist das zu verstehen, aber dass dann die Größe des künstlerischen Entwurfs manchmal nicht ganz mit der Größe der Aufgabe entspricht, das ist etwas, was an der Straßenkunstkonzeption auch abzulesen ist."
Dieses Konzept nun will die Kommission verändert wissen, zunächst einmal durch - so wörtlich - "Einrichtung einer dauerhaften Kommission mit klaren Kompetenzen". Vom radikalen Abräumen oder auch nur dem Entfernen einzelner Werke ist kaum die Rede, wohl aber von Stärkung der "Diskursstrukturen", von "interdisziplinären Projekten" oder dem "Thematisieren von Teilöffentlichkeiten".
Immerhin empfehlen die Experten "Mut zum konsequenten Umgang mit Temporalität", soll heißen: Gerade wenn eine Arbeit nach festgesetzter Zeit wieder verschwindet, muss sie so überzeugend ausfallen, dass nicht nur Kunstfreunde sich gerne daran erinnern. Andererseits soll "Permanenz neu definiert" werden, was ganz einfach bedeutet, dass die Verträge mit den Künstlern nicht auf alle Ewigkeit oder bis zum materiellen Verfall der Skulptur abgeschlossen werden.
An eine Art "betreuter Kunst" muss man allerdings denken, wenn in geradezu patriarchalischer Manier ein neues Straßenkunstkonzept angekündigt wird, das "Hemmschwellen für die Entwicklung einer Kunstszene senkt und zugleich Alleingänge und Beliebigkeiten reduziert". Das alles wäre auch im Museum zu haben:
"Insofern ist manchmal auch die Überlegung, ob nicht das Arbeiten im geschützten Raum des Museums viel interessanter ist für Künstler als draußen irgendwelche Denkmäler auf Sockel zu wuchten. Dabei sollte man aber auch überlegen, ob denn alles, was in der Gegend steht, sakrosankt ist, immer da stehen muss oder nicht gelegentlich auch bewegt werden kann."
"Manches ist wirklich heute nur noch harmlos oder nur noch schnöde Illustration. Und da gewinnen dann natürlich die großen Tempel des Konsums deutliche Dominanz der Kunst gegenüber. Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir in Zukunft auch mal wieder zu Konzepten kommen, wo die Kunst gestalterische Dimensionen in die Stadt hinein bringt - und nicht nur dem Allerlei folgt, was sie da vorfindet."
Ulrich Krempel, Direktor des Sprengel Museums, kann vor seinem Kunsthaus am Maschsee regelrecht die Schichten, die Jahresringe der öffentlichen Kunst ausmachen: Da steht auf einem 18 Meter hohem Sockel ein heroischer "Fackelträger" von 1936, noch aus Nazizeiten, neben dem knallroten "Hellebardier" von Alexander Calder und einem jener hübsch designten, aber ästhetisch doch eher belanglosen "Bus-Stops", mit denen Hannover zum Expo-Jahr 2000 den öffentlichen Nahverkehr zur Künstlerrallye adeln wollte.
"Man hat immer mal wieder etwas Neues dazugestellt, immer wenn sich ein Fleckchen irgendwo anbot, was dann doch noch nicht mit Kunst besetzt war. Wir sind ja eine extrem aufstellungsfeudige Stadt gewesen. Früher hat es sogar gezielte Programme gegeben, in den letzten Jahren ist es eher den Initiativen Einzelner, oft Privater überlassen geblieben. Und das hat natürlich dann doch dazu geführt, dass es ein ziemliches Kuddelmuddel gibt."
In diesem Gemischtwarenladen nun wollten die Architekten Nils Nolting und Arne Hansen 2005 mit ihrer Sandpyramiden-Aktion aufräumen. Bürger, die sich für eine der Skulpturen interessierten, sollten gefälligst selbst Hand anlegen und ihre Lieblinge wieder ausbuddeln.
Der Galerist Robert Simon, dessen Engagement für die Straßenkunst Hannover eine veritable "Skulpturenmeile" verdankt, kanzelte diese Idee als unverantwortliche "Scharlatanerie" ab. Museumsdirektor Krempel dagegen fand den Gedanken aufgrund seiner eigenen Erfahrungen im besten Sinne bedenkenswert:
"Wir haben so etwas vor vielen Jahren mal in Essen gemacht und Bürger der Stadt gefragt nach Denkmälern in ihrem Stadtteil. Und da stellte sich zum Beispiel raus, dass wir auf Denkmäler hingewiesen wurden - von Menschen, die dort schon lange lebten - die es schon gar nicht mehr gab, die abgeräumt worden waren."
Immerhin bewirkte die Architekten-Initiative eines "Entsorgungsparks" für Stadtskulpturen, dass Hannover eine Expertenkommission einsetzte. Die hat sich Gedanken gemacht - und ihre Empfehlungen unter www.strassenkunst-hannover.de im öffentlichen Raum, sprich: im Internet, platziert. Dort allerdings wird niemand spüren, was den Hannoveraner stört. Hochbahnsteige etwa, die als ungeschlachte Metallkonstruktionen den Straßenraum wie Fremdkörper zerschneiden.
"Es gibt keine spürbare ästhetische Stadtplanung. Und oft genug bestehen auch wirkliche Widersprüche zwischen der baulichen Situation und den Kunstwerken, die da stehen. Nicht immer sind es glückliche Arbeiten. Manchmal haben die sich durch Stehenbleiben auch schon ästhetisch erledigt."
Nur leider lassen diese Kunstwerke sich nicht - wie neuerdings so manches Museumsstück - auf dem Markt versilbern. Die finanziellen Ressourcen sind im Wortsinne verbaut, vergraben - und wären vielleicht doch besser in andere, konventionelle Kanäle umgeleitet worden?
"Es sind selten genug Gelder, die alternativ auch für Kunst im Museum gedacht wären. Oft sind es 'Kunst am Bau'-Mittel, die benutzt worden sind oder anderes. Und damals, als die Idee der Straßenkunst geboren wurde, da hat die natürlich eo ipso einen demokratischen Impetus gehabt, und das Museum galt als Ort eines hochnoblen, elitären Umgangs mit der Kunst. Das hat sich ja sehr geändert inzwischen."
Nun ist Ulrich Krempel, der selber nicht an dem Straßenkunst-Gutachten mitgewirkt hat, durchaus kein Gegner von Skulpturen im öffentlichen Raum, aber einiges ästhetisches Gewicht verlangt der Museumsmann schon, wenn Kunst auf der Straße oder im Park, neben Kaufhäusern oder vor Amtsgerichten bestehen soll:
"Große Kunst im öffentlichen Raum war in den 60er Jahren, wenn Sie an Serra und seine Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit denken, immer auch ein gewollter Störfaktor, ein ästhetischer Irritationsfaktor. Und solche Dinge gibt es möglicherweise viel zu wenig in einem so friedlichen städtischen Ensemble wie in Hannover. Vielleicht ist das zu verstehen, aber dass dann die Größe des künstlerischen Entwurfs manchmal nicht ganz mit der Größe der Aufgabe entspricht, das ist etwas, was an der Straßenkunstkonzeption auch abzulesen ist."
Dieses Konzept nun will die Kommission verändert wissen, zunächst einmal durch - so wörtlich - "Einrichtung einer dauerhaften Kommission mit klaren Kompetenzen". Vom radikalen Abräumen oder auch nur dem Entfernen einzelner Werke ist kaum die Rede, wohl aber von Stärkung der "Diskursstrukturen", von "interdisziplinären Projekten" oder dem "Thematisieren von Teilöffentlichkeiten".
Immerhin empfehlen die Experten "Mut zum konsequenten Umgang mit Temporalität", soll heißen: Gerade wenn eine Arbeit nach festgesetzter Zeit wieder verschwindet, muss sie so überzeugend ausfallen, dass nicht nur Kunstfreunde sich gerne daran erinnern. Andererseits soll "Permanenz neu definiert" werden, was ganz einfach bedeutet, dass die Verträge mit den Künstlern nicht auf alle Ewigkeit oder bis zum materiellen Verfall der Skulptur abgeschlossen werden.
An eine Art "betreuter Kunst" muss man allerdings denken, wenn in geradezu patriarchalischer Manier ein neues Straßenkunstkonzept angekündigt wird, das "Hemmschwellen für die Entwicklung einer Kunstszene senkt und zugleich Alleingänge und Beliebigkeiten reduziert". Das alles wäre auch im Museum zu haben:
"Insofern ist manchmal auch die Überlegung, ob nicht das Arbeiten im geschützten Raum des Museums viel interessanter ist für Künstler als draußen irgendwelche Denkmäler auf Sockel zu wuchten. Dabei sollte man aber auch überlegen, ob denn alles, was in der Gegend steht, sakrosankt ist, immer da stehen muss oder nicht gelegentlich auch bewegt werden kann."