Wohl berechneter Tabubruch

Von Matthias Bertsch · 02.10.2009
Was haben die Marx Brothers, Woody Allen und Sascha Baron Cohen - alias Borat - gemeinsam? Sie sind Komiker und sie sind Juden. Wer in Deutschland nach dergleichen suchte, hatte bislang nicht viel Glück. In diese Lücke tritt nun Oliver Polak, der erste jüdische deutsche Stand-Up-Comedian. Sein Thema ist vor allem eines: das deutsch-jüdische Verhältnis nach dem Holocaust im Allgemeinen und seine eigene Geschichte im Besonderen.
Polak Show: "Sie verzeihen, dass ich mich kurz vorstelle. Mein Name ist Oliver Polak. Ich komme aus dem Emsland und ich bin Jude. (Licht geht an) Da geht gleich das Licht an. (Gelächter) Lassen Sie uns ganz unverkrampft miteinander umgehen. Ich meine, wie lange ist diese dumme Geschichte jetzt her: über 60 Jahre, oder? Machen wir vielleicht für die Dauer der Lesung folgende Vereinbarung: Ich vergesse die blöde Geschichte mit dem Holocaust und ihr verzeiht uns Michel Friedman."

Keine Frage: Harald Schmidt oder Stefan Raab würden sich solche Witze nicht erlauben. Bei Oliver Polak ist das anders. "Ich darf das, ich bin Jude". Das ist nicht nur der Titel seines Buches, sondern auch der Tenor seiner Comedy-Show, mit der der 32-Jährige seit Monaten durch Deutschland tourt.

Nimmt man die Zahl der Medienberichte über ihn zum Maßstab, dürfte Polak in der Bundesrepublik bald so bekannt sein wie Marcel Reich Ranicki. Im Unterschied zu diesem allerdings hat Polak nur ein Thema: die Oliver-Polak-Show, soll heißen, die tragisch-komische Geschichte eines Außenseiters, der das Glück - oder Pech - hat, in die einzige jüdische Familie in Papenburg hineingeboren worden zu sein. Sein Vater, ein Holocaustüberlebender, ist das lebende schlechte Gewissen der Stadt, seine Mutter die Frau, die ihrem Sohn das Leben durch ihre liebevolle Umsorgung zur Hölle gemacht hat - zum Beispiel durch die regelmäßigen Fahrten zum Bar Mizwa-Unterricht nach Osnabrück. Vier Stunden jeden Mittwoch: Noch heute ist Polak auf den "Führer" sauer, dass er von Papenburg nach Osnabrück keine Autobahn gebaut hat.

Polak spielt mit den Tabubrüchen, aber "anything goes" gibt es auch bei ihm nicht:

"Die Grenzen hab ich natürlich auch. Ich würd mein Programm 'beschnitten oder am Stück' nennen, ich würd es aber nicht nennen 'ein Jude gibt Vollgas'."

Der Großteil seines Programms besteht aus Anekdoten, die sich auch in seinem Buch befinden. Oder umgekehrt: Das Buch ist eine Schriftform seiner Comedy-Show: Irgendwie ist alles biographisch und irgendwie frei erfunden. Witze, die darüber hinausgehen, sind eher die Ausnahme:

Polak Show: "Ich hatte da letztens zehn positive Bewertungen bei Ebay, da hab ich von denen ein Geschenk zugeschickt bekommen. Weiß jemand, was man von Ebay zugeschickt bekommt, wenn man zehn positive Bewertungen hatte? Magnet, Stern, und welche Farbe hat der? Gelb, genau ... (Gelächter) das ist kein Witz, Ebay hat mir für zehn positive Bewertungen einen gelben Stern zum Anstecken zugeschickt (Gelächter) Soll noch mal einer sagen, in Deutschland hätte sich nichts geändert. Vor 70 Jahren reichte eine negative Bewertung für 'nen gelben Stern." (Gelächter)

Oliver Polak: "Ich möchte halt als Komiker die Leute zum Lachen bringen und ich möchte sie unterhalten und ich möchte sie berühren, und wenn sie nach Hause gehen und sagen: Mensch, das ist ganz interessant, was er da erzählt hat, und sich noch Gedanken drüber machen, dann ist das ja 'ne gute Sache."

Worüber man sich allerdings Gedanken machen soll, lässt Polak offen: über die Gedankenlosigkeit von Ebay, über das Verhältnis von Juden und Nichtjuden in Deutschland oder über die political correctness? Wer nachfragt, erhält vor allem eine Antwort:

"Mich nerven Gutmenschen, Bildungsbürgertum und dann nerven mich Deutschlehrer, das sind die drei Gruppierungen, die gehen mir auf den Zeiger. Ich finde, allein dieses Wort "political correctness" geht mir auf den Zünder, aber als Komiker oder wenn man Kabarett macht, muss man genau das alles aufgreifen und den Leuten vielleicht 'nen Spiegel vorhalten."

Anstelle eines Spiegels hat Polak auf der Bühne allerdings einen Schäferhund bei sich - mit Davidstern um die Brust und einer Mütze der Waffen-SS auf dem Kopf. Buchcover und Plakate werben mit dem gleichen Motiv. Ein Eyecatcher, keine Frage. Nur: Ist das ein Tabubruch mit Tiefgang oder doch eher seichte Komik?

Zuschauer: "Mich hatte das Plakat angesprochen und ich muss sagen, ich find's nicht wirklich lustig, kann an meiner Art des Humors liegen, aber ich versteh jetzt noch nicht so wirklich das Plakat mit dem, was ich bislang gehört hab, weil es halt seine persönliche Geschichte ist eben, und es haut mich vom Humor von der Stand Up Comedy Mischung und ein bisschen Lesung nicht so vom Hocker, ich musste noch nicht wirklich lachen."

Zuschauerin: "Ich fand's ziemlich flach, es hat überhaupt nichts damit zu tun. Also, dass er Jude ist, ist ja schön und gut, aber das zu missbrauchen um darauf irgendwelchen billigen Comedy-Krempel aufzubauen, find ich schade und ein bisschen wenig. Also es hat keine Substanz, es ist durchschaubar und es ist auch leider nicht besonders charismatisch. Also ich bin nicht wirklich begeistert, wie man merkt."

Oliver Polak ist Jude und in der Provinz groß geworden - und er macht seine Witze darüber. Er darf das. Er ist Jude. Aber reicht das für ein gutes Comedy-Programm? "Sie müssen nur amüsiert sein, wenn es Ihnen wirklich gefällt", betont er am Anfang seiner Show. Man sollte ihn in diesem Punkt beim Wort nehmen.
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