"Tautes Heim": Die Hufeisensiedlung in Berlin
Sie ist ein Wohnungsbauklassiker der 1920er-Jahre: Die Hufeisensiedlung von Bruno Taut in Berlin-Britz. Vor zehn Jahren wurde sie in das Weltkulturerbe aufgenommen. Inzwischen leben dort viele echte Fans der Architektur.
Der erste Eindruck: Unscheinbarer geht’s nicht mehr. Ein schmaler Fußweg führt von der Parchimer Allee zu den Häusern A bis R. Rotbraune Fassaden, davor reihen sich Gärten aneinander. Vorgärten, die sich gleichzeitig wie intime Außenwohnräume anfühlen. Man durchschreitet den Garten zur Hauseingangstür – bei Katrin Lesser und Ben Buschfeld ist er auffallend schön bepflanzt. Überhaupt ist das alles sehr geschmackvoll.
Unscheinbar und geschmackvoll
"Ja, kommen Sie herein", sagen sie. "Hier im unteren Stock haben wir drei Räume, das Wohnzimmer, das Esszimmer und die Küche, wenn man gerade durchläuft. Vom Garten kann man einmal durch das Haus durchgucken, das ist Ost-West-Ausrichtung, lichtdurchflutet!"
Die 124 qm Wohnfläche verteilen sich auf drei Geschosse. Pro Geschoss bleibt da gar nicht mehr viel Raum übrig, wenn man die Treppe abzieht. Trotzdem wirkt das großzügig.
Die 124 qm Wohnfläche verteilen sich auf drei Geschosse. Pro Geschoss bleibt da gar nicht mehr viel Raum übrig, wenn man die Treppe abzieht. Trotzdem wirkt das großzügig.
"Wir haben sehr wenig Möbel, und das vergrößert die Räume natürlich optisch", sagt Katrin Lesser. Und Ben Buschfeld ergänzt: "Das mit den wenigen Möbeln ist auch durchaus eine Idee, die der Architekt Bruno Taut propagiert hat, man hatte damals eine eigene Redewendung, das hieß seine Wohnung zu 'tauten', was nichts anderes heißt als von unnötigem Nippes, Deko, Kitsch, Zierrat zu befreien."
Katrin Lesser und Ben Buschfeld sind vor 20 Jahren als Mieter hier eingezogen. Die Siedlung wurde später privatisiert, als Berlin begann, sein Tafelsilber zu verscherbeln, und das Ehepaar erwarb die Immobilie als Eigentum. Die Tochter ist inzwischen aus dem Haus.
Gleich um die Ecke ist ihr "Tautes Heim", ein weiteres Häuschen, das die beiden an Architekturliebhaber als Ferienwohnung vermieten. Kurzum: sie sind echte Fans und Kenner. Sie Landschaftsarchitektin, er Grafikdesigner.
"Wir haben hier z.B. ein Klappfenster, das für Ventilation sorgt und hier hätten wir einen Flügel, der höher liegt, sodass ich nicht alles abräumen muss. Wir nennen das Fenster immer das Paternoster-Fenster."
Von der Küche führt eine Tür direkt in den Keller – sehr praktisch für Vorräte. Man schaut auf die Unterseite der Treppe. Hunderte alte Weinetiketten kleben da, teilweise aus den 50er-Jahren. Vom Vormieter. "Das haben wir persönlich unter Denkmalschutz gesetzt", sagen die beiden.
"Wir haben hier z.B. ein Klappfenster, das für Ventilation sorgt und hier hätten wir einen Flügel, der höher liegt, sodass ich nicht alles abräumen muss. Wir nennen das Fenster immer das Paternoster-Fenster."
Von der Küche führt eine Tür direkt in den Keller – sehr praktisch für Vorräte. Man schaut auf die Unterseite der Treppe. Hunderte alte Weinetiketten kleben da, teilweise aus den 50er-Jahren. Vom Vormieter. "Das haben wir persönlich unter Denkmalschutz gesetzt", sagen die beiden.
Der Denkmalschutz ist manchem zu lasch
Natürlich steht die gesamte Siedlung längst auch unter Denkmalschutz. Doch die Bedürfnisse von 679 Eigentümern unter einen Hut zu bringen ist schwierig, sagt Katrin Lesser. Ihr ist der örtliche Denkmalschutz zu lasch.
"Weil die Homogenität durch die vielen Einzelaktionen der vielen Eigentümer ja doch verloren geht. Hier ein Briefkasten, da ein Fahrradplatz, da die Hecke weggenommen, da wurde ein Baum weggenommen, da ein falscher Baum gepflanzt."
Die Grünräume waren damals in den 1920er-Jahren ebenfalls wichtiger Teil der Planung von Bruno Taut und Leberecht Migge. Und das einheitliche Bild – so piefig das klingen mag – trägt ganz entscheidend dazu bei, Piefigkeit zu vermeiden. Zumal wenn man sich die Idee des Architekten vergegenwärtigt.
Die Grünräume waren damals in den 1920er-Jahren ebenfalls wichtiger Teil der Planung von Bruno Taut und Leberecht Migge. Und das einheitliche Bild – so piefig das klingen mag – trägt ganz entscheidend dazu bei, Piefigkeit zu vermeiden. Zumal wenn man sich die Idee des Architekten vergegenwärtigt.
"Hufeisen" – der konzeptionelle Kern der Siedlung ist ein kleiner eiszeitlicher Teich, um den sich eine 360 Meter lange Wohnzeile herumlegt – in Form eines Hufeisens. Von dort aus strecken sich weitere Zeilenbauten dann wie Käferbeine in verschiedene Richtungen. Wie bizarr, auch wie mutig das damals gewesen sein muss!
Das Bad oben im 1. Stock ist nur 2,2 Quadratmeter groß. Man denkt sofort: Reicht völlig aus! "Da haben wir mit dieser Spiegelwand gearbeitet um den Raum optisch zu vergrößern." Überhaupt kann man hier in der Hufeisensiedlung viel über Oberflächen erfahren. Schaut man zum Beispiel vom Schlafzimmer aufs gegenüberliegende Haus, merkt man: Der Außenputz ist tiefmatt, schimmert aber auch gleichzeitig. Kratz- oder Madenputz - da sind kleine Kieselsteinchen drin.
Der Garten als Außenwohnzimmer
"Hier können sie mal sehen wie der Putz von Nahem aussieht – das sind diese hellen Kieselsteine, die dann leuchten." Wir sind wieder unten im Garten, dem Außenwohnzimmer des Ehepaars. Rechts und links stehen die Original-Ligusterhecken, vorne am Eingang zwei Reihen mit Obstbäumen.
Auch hier am Außenrand der Hufeisensiedlung fühlt man sich noch ganz wie in einem grünen Mikrokosmos. Hundert Meter weiter ist Neukölln. Nicht das migrantisch geprägte, sondern eher das kleinbürgerliche Milieu.
Ein Bioladen wäre noch nett in der Nähe, sagt Katrin Lesser.
Sonst: Alles perfekt.