Reich, reicher, Starnberger See
Nirgendwo in Deutschland leben mehr Millionäre als am Starnberger See: Seit eh und je der Treffpunkt der Schönen, Reichen und Berühmten. Für ein Grundstück in der gleichnamigen Gemeinde zahlen sie Rekordpreise. Das setzt die Einheimischen unter Druck.
Die Schönen, die Reichen am Starnberger See – Fritz Häring, Wirt am Seeufer, kennt sie alle. Auch die, die gerne dazugehören würden zu den Oberen vom Starnberger See.
"Diese Geschichten da, wir haben mal vor zwanzig, oder vor zehn Jahren, da draußen, da sind ja die Bentleys, die Rollies und die Ferraris da gestanden, und so weiter. Das war dann so: Wow toll und so. Heute, wenn da einer mit so einem Ding kommt, dann wird der ausgelacht, das hat sich schon geändert."
Kein Ort für Neureiche
Der Starnberger See ist nichts für Neureiche und Möchtegern-Wannabes. Auch wenn es natürlich der ein oder andere immer mal probiert, auf Fritz Härings exklusive Fotowand zu kommen. Der Wirt vom Tutzinger Seeufer posiert da unter anderem mit Schauspielstar Gérard Depardieu, mit Kanzlerin Angela Merkel und Daimler-Chef Dieter Zetsche. Alle wollen sie zu dem Wirt mit der Depardieu-Nase – und dem etwas scheuen Blick. Auch die weniger bekannten – und umso Reicheren. Wie SAP-Milliardär Hasso Plattner.
"Mei, der kommt rein, der klopft dir auf die Schulter: Was hast du denn heute gescheites gemacht? Hast du eine gescheite Rindsroulade und so? Sag ich: Ja. Hab ich. Okay, hat er gesagt. Dann setze ich mich da hinten hin, und dann mag ich erst mal eine Pfannenkuchensuppe und dann eine Rindsroulade. Da siehst du auch, wie die ticken. Das ist eigentlich… Dann ist er zum Segeln gegangen, nachher. Der hat auch bei mir gewohnt. Das sind auch so Typen, wo du sagst: Wahnsinn, das ist einer von den zehn Reichsten der Welt. Klar. Ist schon eine Ansage."
In Fritz Härings Wirtshaus mit Biergarten mischt sich der Geldadel unters Fußvolk, als ganz normale Menschen. Es ist ja auch ein ganz normales, bayerisches Wirtshaus – nur eben in exklusiver Nachbarschaft. Schlager-Star Peter Maffay und der König von Thailand residieren hier nur ein paar Villen entfernt, hinter hohen Hecken. Wie hier in Tutzing ist der Reichtum seit Jahrzehnten Normalität am Starnberger See, dem Königssee der Bayern. Und er verstärkt sich immer mehr. Wie normal lebt es sich im kaufkräftigsten Landkreis Deutschlands?
Reiche bleiben unter sich
Die Reichen schotten sich ab. Rein baulich. Das bekommt auch der Starnberger Landrat Karl Roth zu spüren. Der oft über die Bauwünsche der Reichen am See mitverhandelt.
"Das führt halt auch sicherlich zu Gesprächen, hier auch an dem Tisch, wo fast immer Anwälte dabeisitzen. Ich glaub, da ist der Anwalt mit Sicherheit genauso wichtig wie der Architekt, so hat man immer den Eindruck."
Der Landkreis will die Landschaft schützen – und den dörflichen Charakter der kleinen Orte am See. Die reichen Anwohner wollen vor allem ihre Ruhe – und erkaufen sie sich mit viel Geld. So erklärte ein Unternehmer die überhohe Sichtschutzmauer zu seinem Grundstück zum Kunstobjekt – und zog zu deren Durchsetzung bis vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Auch die Verkäufer von Seegrundstücken tricksen herum – zum Beispiel beim gesetzlichen Vorkaufsrecht, das der Landkreis hier hat. Denn der soll den Uferbereich möglichst der Allgemeinheit zugänglich machen, so wie es die Bayerische Verfassung vorsieht. Die Verkäufer teilen einfach das Grundstück, erhöhen den Preis für den Uferstreifen ins Uferlose – und hindern den Landkreis daran, ihn zum öffentlichen Spazierweg zu machen. So bleibt manche schöne Ecke im Privatbesitz. Doch der Landrat hat eigentlich ganz andere Probleme. Die horrenden Mietpreise auch in weit weniger schönen Lagen.
Für "Normalos" unerschwinglich
"Wer kann denn heute zwischen 800 und 1000 Euro pro Quadratmeter hinlegen? – Doch keiner von uns, von meinen 500 Mitarbeitern im Landratsamt. Nicht ein einziger. Allein das Mieten im Landkreis ist ein Riesenproblem für meine Mitarbeiter. Sie können nicht zwischen 10, 13, 14 Euro zahlen. Das ist das größte Problem überhaupt für die ganz normale Bevölkerung."
Was bleibt der ganz normalen Bevölkerung? Weite Strecken Pendeln oder träumen. Wie Michaela Schnell, selbständige Privat-Sekretärin. Sie steht an einem Acker zwei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, hier sollen Einheimische zu günstigeren Konditionen Bauland erhalten, für den hat sich Michaela Schnell wie viele Starnberger beworben.
"Momentan sind wir alle so heiß drauf, dass wir sagen: Okay, wir möchten jetzt wenigstens den Zuschlag bekommen, um mal die Möglichkeit realistisch zu bekommen, um zu sagen: Okay, man könnte erwerben. Aber wer es dann wirklich machen kann, ist eine andere Frage."
Mietwohnungen Mangelware
Wie lange suchst du schon nach einer Wohnung, nach einer neuen – mit genügend Platz?
"Ja, eigentlich schon seit acht Jahren, zehn Jahren eigentlich schon. Da sind wir aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und - ich bin alleinerziehende Mutter - und hab dann einfach Wohnraum gesucht und ich hab' einen Vermieter in Starnberg gefunden, der mir möglich gemacht hat bis heute, zwar in einer 60-Quadratmeter-Wohnung, aber noch in bezahlbaren Mietkonditionen zu leben. Alles andere ist – da sind wir bei Münchner Preisen – und das ist einfach nicht für eine Alleinerziehende nicht erschwinglich. Und ich merke, um mich herum, die Familien, die Doppelverdiener sind, denen geht’s ähnlich. Und die Schere geht immer mehr auseinander."
Also, das spürst du auch?
"Ja, das spüre ich schon sehr stark, ja. Dass es da keine gesunde Mittelschicht mehr gibt. Also es gibt die, die an der Mittelschicht unten kratzen, und die, die weiter darüber sind und die sagen, och, kommt: Kommt doch nach Spanien oder nach Kitzbühel in unser kleines Chalet, es ist echt nett."