Wohngemeinschaft mit dem Roboter

Von Marko Pauli |
Im dänischen Odense fand das AAL-Forum statt. AAL steht für "Ambient Assisted Living". Im Mittelpunkt standen elektronische Systeme, die ältere Menschen im Alltag unterstützen sollen, damit sie lange allein in ihren eigenen vier Wänden leben können.
"Still Rocking", ein Song von DJ Ruth Flowers, 70 Jahre alt und abendlicher Stargast des Forums. Eingeladen wohl auch als Beispiel für eine neue Generation älterer Menschen - aktiv, modern und Technik interessiert.

"What can I do for you?"

Kompai ist einer der Service-Roboter für Ältere, die beim AAL-Forum zu sehen sind. Er kann durch Sprache gesteuert werden, und er antwortet. Hier zum Beispiel bei der Einkaufsplanung. Noch ist die Einkaufsliste leer.

"What's on the shopping list? Your shopping list is empty. Ok, could you please add 3 apples to the shopping list. The List has been updated. Your shopping list contains three apple."

Kompai ist etwa 1,40 Meter groß und erinnert weniger an ein Lebewesen als an ein Informationsterminal auf Rädern mit einem Touchscreen im Zentrum.

Bei Bedarf folgt Kompai einem, sagt Francois Higuyen vom französischen Hersteller Robosoft, er erinnert an Termine, die Einnahme von Medikamenten oder stellt auf Wunsch eine Videoverbindung mit Freunden, Familie oder dem Pflegepersonal her, das umgekehrt in der Lage ist, über Kompai auch den Patienten zu kontaktieren.

Im Roboterinnern arbeitet ein Netzwerk an Sensoren, Scannern und Kameras zur Umgebungserfassung, koordiniert durch einen Computer und komplexe Software. Programme für den Benutzer sind webbasiert und liegen auf den Servern des französischen Herstellers, der seit 25 Jahren Roboter baut. Bei Service-Robotern ist das Aussehen entscheidend. Francois Higuyen:

"Die wichtigste Anforderung war, dass er freundlich aussieht. Ich finde, das ist uns gelungen, sagt Francois. Wir haben ganz bewusst keine Augen oder Arme eingebaut. Die in den Testphasen befragten Benutzer haben gesagt, dass bewegliche Körperteile sie ängstigen würden."

Im Gegensatz zum starren Kompai verdreht der neben ihm stehende Roboter Alias den Kopf und blinzelt.

"Das ist einfach, damit er Aufmerksamkeit erregt. Das ist momentan absoluter Zufall, wird aber so sein, dass er erkennt - das heißt dann Face-Recognition - dass er den User auch erkennt."

Alias wird seit diesem Juli an der Technischen Universität München entwickelt. Stephanie Lapp-Emden gehört zu einem Unternehmen, das an dem Projekt beteiligt ist. Beim Forum in Odense wurden Vorschläge gesammelt, welche Funktionen der Roboter beherrschen sollte. Alias wird, wie auch Kompai, neue, Kommunikationsdienste bieten. Lapp-Emden:

"Also gerade Menschen, die mit dem Internet konform sind, die wollen auch ihre alten Schulkameraden über Facebook in Kontakt halten. Wir werden ja auch alle älter, also die Generation kommt, die das alles haben will. Und wenn man dann noch älter wird und schlechter hört, sich nicht mehr so gut bewegen kann, dann kann mit ihm alles machen, ohne sich zu bewegen. Er wird dann rein über Sprachsteuerung funktionieren."

In beispielhaft eingerichteten Apartments wurden auf dem Forum neue Techniken vorgestellt. Da liegen zum Beispiel Geräte auf einem Tisch neben dem Fernseher, mit denen sich Blutdruck und Puls messen lassen. Die Resultate werden drahtlos zu einem Computer übertragen und per Mail an ein Pflegeheim geschickt. Bei Bedarf meldet sich ein Pfleger auf dem Bildschirm und nimmt Kontakt auf.

Ein anderes Apartment scheint eine ganz besondere Anziehungskraft zu besitzen. Menschen halten hier Robbenbabys auf dem Arm. Andere stehen entzückt drumherum und streicheln mit. Die niedlichen Robotertiere bewegen sich, reagieren auf das Verhalten der Menschen.

"Hier könnte Ella wohnen, alt und schwer demenzkrank. Sie kann ihr Leben alleine regeln, aber sie mag nicht gerne alleine sein. Sie liebt Haustiere, könnte sich aber nicht mehr verlässlich um Hund oder Katze kümmern. Also hat sie ein anderes Haustier und das ist Paro, ihr Robbenbaby."

Lone Gaedt kümmert sich um den therapeutischen Einsatz der Roboterrobbe in Europa. Paro quiekt, reagiert vibrierend auf Streicheleinheiten, hebt den Kopf und schaut einen sanft blinzelnd an. Innerhalb von Sekunden erobert die Robbe die Herzen. Sie erinnert sich an den Namen der ihr gegeben wird und auch an die Art wie der Besitzer mit ihr umgeht. Lone Gaedt:

"Für einige Demenz- und Alzheimerkranke oder auch autistische Kinder ist Paro genau das Richtige, für andere nicht. Es muss sorgfältig darauf geachtet werden, wie Paro benutzt wird. Wer Paro haben will, muss deshalb auch eine eintägige Lehrveranstaltung besuchen."

Lone Gaedt ist für das gemeinnützige Danish Technological Institute tätig. Es gehe darum, herauszufinden, warum Paro bei wem wirkt und für wen der Umgang eine Linderung der Krankheit bedeuten kann. Lone Gaedt:

"Die Hypothese ist, dass Paro verschiedene Regungen hervorruft, die förderlich sind. Gefühle, aber auch die Erinnerung an sie, Fürsorge, gesprochene Sprache und motorische Aktivitäten."

Die Idee der Roboterrobbe geht von der tiergestützten Therapie aus. Dass sie auf Berührung reagiert, hängt mit zahlreichen Sensoren zusammen, die unter dem weißen Kunstfell stecken, die dazu auch Position, Ton, Licht und Temperatur registrieren. Zwei interne Computerchips verarbeiten die Informationen und lösen davon abhängig Paros Reaktionen aus.

Paro wurde bereits 1993 entwickelt und das nicht ganz zufällig in Japan. Viele der hier zu sehenden Produkte kommen von dort, so auch vollautomatische Toiletten und Windeln, die absaugen, waschen und trocknen können.
Immer mehr elektronische Helfer werden zukünftig auf uns zukommen. Wer möglichst lange ohne sie leben will, der bleibt am besten so rege wie der abendliche Star-DJ in Odense, die 70-jährige Ruth Flowers.