Ein Volk von Immobilienbesitzern
Wer es irgendwie vermeiden kann, der wohnt in Großbritannien nicht zur Miete. Das Mietrecht wurde in den 1980er-Jahren dereguliert, und deshalb versucht jeder, lieber eine Wohnung zu kaufen, um nicht vor die Tür gesetzt zu werden. Doch der Markt ist überhitzt.
Immobilienmakler Peter Wetherell führt durch ein Penthouse in Knightsbridge – der Preis: schlappe 35 Millionen Pfund, umgerechnet fast 50 Millionen Euro. Dafür gibt’s knapp 1.000 Quadratmeter Wohnfläche, einen Ausblick auf den Hyde Park und einen Parkplatz in der Tiefgarage. Willkommen auf dem Londoner Immobilienmarkt.
Wetherells Kunden – ob aus Russland, Indien oder dem Nahen Osten – zahlen gerne bar; ihr Motiv: ein Haus oder eine Wohnung in London als sichere Kapitalanlage. Diese internationalen Käufer lassen die Immobilienpreise ebenso in weniger betuchten Stadtteilen steigen; zumal auch die Briten selbst ungern mieten und sehr gern kaufen. Es gehöre einfach zur Mentalität auf der Insel, ein eigenes Häuschen samt Garten zu besitzen, meint dieser Brite.
In Großbritannien liegt die Eigentumsquote bei 65 Prozent, in Deutschland sind es weniger als 50 Prozent. Die Briten zu einem Volk der Haus- und Wohnungsbesitzer zu machen, das hatte sich die konservative Premierministerin Margret Thatcher vorgenommen.
Besonders gefördert werden junge Paare und Familien, die ihre erste Immobilie anstreben und wenig Eigenkapital haben. Die Wochenend-Beilagen der Zeitungen sind gefüllt mit Immobilienannoncen von der Mini-Wohnung in Kentish Town bis zum Landsitz in Kent – und unzählige Wohnzeitschriften geben Tipps zum Kauf, zur Renovierung und zur Inneneinrichtung.
Kein besonders ausgeprägter Mieterschutz
Wer es irgendwie vermeiden kann, der wohnt nicht zur Miete, sagt Professor Danny Dorling von der University of Oxford – und erklärt auch, warum:
"Wir haben das Mietrecht in den 80er-Jahren dereguliert. Seitdem ist es für Vermieter sehr einfach, ihre Mieter sehr kurzfristig loszuwerden. Daraufhin hat jeder versucht, sich lieber eine Immobilie zu kaufen. Und wir haben außerdem kaum Standards, an die sich Vermieter halten müssen."
Der britische Mieterschutz ist also nicht besonders ausgeprägt, es regiert der Markt: Da das Angebot knapp ist und die Nachfrage riesig, ziehen auch die Mieten an. So sehr, dass sich diese Londonerin fragt, ob ihre Kinder es sich noch werden leisten können, hier zu leben: Die Regierung lasse das Land ins viktorianische Zeitalter zurückfallen, meint sie.
Es wächst – gerade in London - eine "Generation Rent", eine Generation Miete, heran; und nicht selten wohnen die Hauptstädter noch weit nach ihrem 30. Lebensjahr in einer WG. Diesen Trend beklagt auch Toby Lloyd von der Wohlfahrtsorganisation "Shelter":
"Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten einfach nicht genug Wohnungen gebaut – ganz gleich, wie es der Wirtschaft ging und ganz gleich, welche Partei an der Macht war. Wir müssen jetzt endlich deutlich mehr Wohnungen bauen, sonst kriegen wir dieses Problem nie den Griff."
Nichts für den kleinen Geldbeutel
Zwar drehen sich überall in London die Baukräne, aber meist nicht für Käufer oder Mieter mit kleinem Geldbeutel. Das weiß auch der konservative Bürgermeister Boris Johnson, der aber von einer Mietpreisbremse trotzdem nichts hält:
"Das funktioniert einfach nicht. Wo auch immer man versucht hat, den Markt zu kontrollieren, passiert folgendes: Die Eigentümer nehmen ihre Immobilien vom Markt, weil sie sagen, es lohnt sich nicht mehr. Und damit tritt das Gegenteil des Gewünschten ein: Die Mieten steigen sogar."
Eine Abkühlung des ordentlich aufgeheizten Marktes ist nicht in Sicht. Aber auch deshalb nicht, weil die Briten auf der Immobilienleiter am liebsten eine Stufe nach der anderen erklimmen: kaufen, verschönern, teurer verkaufen – und bei ihrem nächsten "Home" alles wieder von vorn.