Wohnungsmarkt

Mietpreis-Explosion in Hamburg

Die Fassade von einem Haus in der Hafencity in Hamburg
Unter Federführung des "Bündnisses für das Wohnen" sollen in Hamburg jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen gebaut werden. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Von Axel Schröder, Landeskorrespondent Hamburg |
In angesagten Hamburger Wohnvierteln wie Eppendorf, Winterhude oder dem Schanzenviertel ist die Nachfrage besonders groß – und die Mieten sind hoch. Der Mieterverein bilanziert in der ganzen Stadt eine "einkommensabhängige Wohnungsnot".
Die Freie und Hansestadt Hamburg wächst. Zuletzt zogen jedes Jahr rund 10.000 Menschen in die Elbmetropole und der Wohnungsmarkt kann die Nachfrage kaum befriedigen. Seit rund zehn Jahren steigen die Preise pro Quadratmeter schneller als je zuvor und das Rezept des Senats ist einfach: zusammen mit der Wohnungswirtschaft wurde das so genannte "Bündnis für das Wohnen" geschlossen. Die Investitions- und Förderbank der Hansestadt vergibt dafür günstige Kredite und ab und an auch günstigen Baugrund. In den letzten Jahren wurden so 6.000 Wohnungen jährlich gebaut, nun sollen es sogar 10.000 Einheiten werden.
Das einzige Problem dabei: Hamburgs Stadtgebiet ist begrenzt, die neu zu bebauende Fläche auch. Wie die Stadt die Mieten in den Griff bekommen will und welche Chancen dabei die Region rings um die Hansestadt hat, darüber berichtet unser Landeskorrepondent Axel Schröder.

Der Beitrag im Wortlaut:

Ganz oben unterm Dach wird ganz bald eine Wohnung frei. Mitten im feinen, begehrten Hamburg-Winterhude, mit Südbalkon in ruhiger Lage. Zwei Dutzend Interessenten sind gekommen, stecken die Köpfe in Schlaf- und Badezimmer, füllen die Bewerbungsbögen aus. Der Preis für die 70-Quadratmeter-Wohnung: 1.200 Euro kalt. Für einige Interessenten ist das zu viel:
"Ich finde – ich komme aus einer Kleinstadt, da sind natürlich die Mietpreise günstiger – aber ich finde schon, dass ist sehr hoch! Wenn man normal verdient, ist es schwierig, sich sowas zu leisten."
"Auch wenn ich die Miete mit der vergleiche, die ich vor vier Jahren gezahlt habe, dann ist das eine ordentliche Steigerung. Nicht nur gefühlt würde ich sagen."
Der Anstieg der Mieten in Hamburg ist deutlich ablesbar am Mietspiegel. Eine Ursache war das Fehlen effektiver Wohnungsbauprogramme, erklärt Dr. Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg:
"Vor zehn, fünfzehn Jahren begann das Elend. Anfang der Neunzigerjahre gab es nur wenige fertig gestellte Wohnungen. Anfang der Nullerjahre gab es mehrere Jahre eine große Stagnation. Und erst 2013, unter SPD-Regierung, gab es dann eben das 'Bündnis für das Wohnen' und 6.000 neue Wohnungen pro Jahr. Also da sieht man eine Trendumkehr, die jetzt tatsächlich stattgefunden hat."
Mittlerweile hat der rot-grüne Senat unter Bürgermeister Olaf Scholz sich das Ziel gesetzt, jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen zu bauen. Umgesetzt werden soll das durch die Neuauflage des "Bündnisses für das Wohnen", federführend ist die Behörde für Stadtentwicklung von Dorothee Stapelfeldt (SPD):
"Hamburg ist eine wachsende Stadt. Und zwar schon seit Jahren. In den letzten Jahren sind ungefähr 10.000 neue Menschen zu uns gekommen. Wir rechnen damit, dass wir bis 2030 eine Zunahme der Bevölkerung um 100.000 Personen haben werden. Das sind ungefähr 70.000 Haushalte mehr. Und für diese brauchen wir Wohnungen. Das heißt, wir müssen neuen Wohnraum schaffen, um der großen Nachfrage tatsächlich Herr zu werden."
Und die Flächen dazu sind längst in einer Datenbank erfasst. Kleine Brachen, eingeschossige Häuser oder Dachausbauten können für die Nachverdichtungen im städtischen Raum genutzt werden.
"Das sind natürlich in Hamburg immer noch größere Flächen wie zum Beispiel die Konversionsflächen, also ein altes Bahngelände, alte Gewerbebereiche, Krankenhausgelände. Das größte Konversionsgebiet ist die Hafencity, das zweitgrößte, das wir in Angriff nehmen, ist die Mitte-Altona. Für 3.500 Wohnungen in beiden Bauabschnitten."

Bei allen Neubauten gilt der Drittel-Mix

Und bei allen Neubauten in Hamburg gilt der sogenannte Drittel-Mix: Ein Drittel dürfen Eigentumswohnungen sein, ein Drittel sind frei finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel Sozialwohnungen. Zugrunde liegt der Berechnung allerdings die Anzahl der Wohneinheiten und nicht die entstandene Quadratmeterzahl. Im Ergebnis entsteht weit weniger Wohnfläche für Geringverdiener. Und: Die meisten Neubauten sind hochpreisig, erklärt Heinrich Stüven vom Grundeigentümerverband Hamburg:
"Und zwar gerade weil in den letzten zwei, drei Jahren auch sehr, sehr viel gebaut worden ist und natürlich diese Bauten relativ teuer sind. Die bekommen sie nicht unter 12, 13, 14 Euro. Jedenfalls nicht auf dem freien Markt. Das bedeutet also auch, das natürlich im Gesamtwohnungsbestand die Durchschnittsmiete damit höher wird. Das wird natürlich beim Mieterverein einen Aufschrei geben und es wird gesagt: 'So stark steigen die Preise in Hamburg!' Was aber nicht der Fall ist. Man muss aber eben sehen, dass unendlich viel neu gebaut worden ist und damit natürlich auch die Miete – im Durchschnitt gesehen – teurer wird als vorher."
Tatsächlich, so Heinrich Stüven, gäbe es in Hamburg keine Wohnungsnot, sondern lediglich eine besonders hohe Nachfrage nach Wohnraum und damit ein höheres Mietniveau in angesagten Vierteln wie Eppendorf, Winterhude oder dem Schanzenviertel. Rolf Bosse vom Mieterverein hält dagegen:
"Aus meiner Sicht gibt es über ganz Hamburg hinweg eine Wohnungsnot. Das ist aber nicht unbedingt eine Wohnungsnot an Wohnraum zu jedem Preis, sondern eben zu einem leistbaren Preis. Es gibt so gesehen eine einkommensabhängige Wohnungsnot. Und da kenne ich sehr viele Fälle im privaten wie im beruflichen Umfeld, wo also Menschen und Familien zusammenleben auf deutlich engerem Raum, als sie es gerne würden, weil eben die Mieten es nicht zulassen, größeren Wohnraum anzumieten. Und das ist für mich eine Wohnungsnot!"
Dazu käme, dass auch die neu gebauten Wohnungen mit einer Sozialbindung, für sechs, sieben oder acht Euro pro Quadratmeter, den Wegfall von bestehenden Sozialwohnungen nicht ausgleichen können. Denn die Sozialbindungen gelten nur für eine begrenzte Zeit. Für zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre. Nach dieser Zeit können die Wohnungen dann auf dem freien Markt zu höheren Preisen vermietet werden. Nach Angaben des Statistikamts Nord ist der Anteil von Sozialwohnungen am Gesamtmarkt von 26 Prozent Anfang der Neunzigerjahre auf knapp über zehn Prozent gesunken.

Mehr als 300.000 Pendler

Natürlich gilt auch in Hamburg die Mietpreisbremse, und die in der Hansestadt abgesenkte sogenannte Kappungsgrenze führt dazu, dass bei Neuvermietungen die Preise pro Quadratmeter nicht allzu sehr steigen. Trotzdem verlassen viele Menschen das Stadtgebiet, auf der Suche nach mehr Ruhe, nach ländlicher Atmosphäre und bezahlbarem Wohnraum. Jakob Richter, Leiter der Geschäftsstelle der Metropolregion Hamburg:
"Wir beobachten schon seit längerem den Effekt, dass große Städte - das gilt zum Beispiel auch für Lübeck, in der Metropolregion aber erst Recht für Hamburg - Menschen anziehen. Die ziehen in die großen Städte und dann erleben wir auch einen Effekt, der lautet: die großen Städte verteilen dann wieder nach außen in ihre Randbereiche. Wir haben das Anziehen der großen, kleinen Weltstadt Hamburg von überall her und dann das Verteilen, insbesondere in bestimmten Lebensphasen in die Umgegend."
Angesiedelt ist die Geschäftsstelle der Metropolregion Hamburg bei der Wirtschaftsbehörde der Hansestadt. Alle sechs Monate tritt der sogenannte Regionsrat zusammen, sechsmal im Jahr tagt der Lenkungsausschuss und berät darüber, wie die Region attraktiver werden kann für Unternehmen und Arbeitskräfte. 5,3 Millionen Menschen leben in der Metropolregion, die mittlerweile weite Teile von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern umfasst. Nach der jüngsten Pendlerstudie haben 330.000 von ihnen ihre Arbeitsstelle in Hamburg und sind entweder auf das Auto oder gute Zugverbindungen, auf das private Unternehmen "Metronom" oder den HVV, den Hamburger Verkehrsverbund angewiesen.
"Das heißt, wir müssen mit dem HVV darüber reden, wie man tatsächlich weiterhin in die Region kommt. Das tun wir auch, das wird intensiv besprochen in der Metropolregion. Wir haben unsere letzte Regionalkonferenz zum Thema 'Nachhaltige Mobilität' gemacht. Da haben wir all diese und viele mehr intensiv besprochen. Ein Aspekt davon ist sicher Elektromobilität. Insofern Elektromobilität, weil das hier an der Küste gut aus regenerativen Energien gespeist wird."

Modellregion für Elektromobilität und Radwege-Routen

Und Hamburg ist ohnehin eine der deutschen Modellregionen für Elektromobilität. Wenn die Menschen schon pendeln, dann sollen sie es möglichst umweltfreundlich tun, so die Logik. Und damit nicht auch noch das bestehende Stickoxid-Problem der Hansestadt verschärfen. Dazu sollen auch die Fahrradautobahnen beitragen, ein weiteres Projekt der Metropolregion Hamburg:
"Radschnellwege sind üblicherweise dadurch definiert, dass sie möglichst breit sind, das heißt drei bis vier Meter breit. Und dass sie möglichst unterbrechungsfrei die Radfahrer fahren lassen können, ähnlich wie andere Verkehrsteilnehmer auch. Und insbesondere: Wo wird der Radschnellweg sinnvoll nach Hamburg rein weitergeführt. Denn wir gehen wirklich davon aus, dass es sich um Pendler handelt und nicht, dass es sich um Freizeitradler handelt, sondern dass es Leute sind, die das Rad als Verkehrsmittel für ihren täglichen Bedarf benutzen."
Für die geplanten Machbarkeitsstudien zu möglichen Radwege-Routen und einer engeren Taktung des Schienenverkehrs im Hamburger Umland kann sich auch Robert Bosse von Hamburger Mieterverein begeistern. Immerhin sei dadurch ein emissionsfreies Pendeln aus Hamburg heraus und nach Hamburg hinein möglich. Einig ist er sich mit Jakob Richter von der Geschäftsstelle der Metropolregion Hamburg auch in einem weiterem Punkt:
"Es kann aber jetzt nicht die Antwort sein, dass jemand, der sagt: 'Ich würde gerne bezahlbar urban in der Schanze wohnen!', dass man dem sagt: 'Wohne doch bitte bezahlbar in Bienenbüttel!' – ohne Bienenbüttel zu nahe treten zu wollen. Es kann nicht sein, dass das Metropolregions-Konzept das Stadtentwicklungskonzept 'Bezahlbarer Wohnraum' in der Stadt ersetzt! Es soll es ergänzen."
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