Regulierung gegen Gentrifizierung
Der Wohnungsmarkt sollte mehr reguliert werden, um die Stadtentwicklung zu steuern, findet der Soziologe Andrej Holm. Die Mietenbremse im Koalitionsvertrag sei ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Sinnvoll wäre auch, Sozialwohnungen zurückzukaufen.
Der Stadtsoziologe Andrej Holm hat sich für mehr Regulierung in der Stadtplanung ausgesprochen. Die Mietenbremse im Koalitionsvertrag sei ein Schritt in die richtige Richtung. Sinnvoll wäre auch Sozialwohnungen zurückkaufen.
André Hatting: Es ist immer das gleiche Muster: Ein reicher Investor kauft ein Mietshaus, saniert es mehr oder weniger sinnvoll, darf deswegen die Miete erhöhen und vertreibt die Alteingesessenen. So passiert es seit Jahren in allen deutschen Metropolen – oft eher geräuschlos, aber wenn, wie in Hamburg, es um symbolgeladene Objekte wie ein Kulturzentrum geht, dann kann es schon mal knallen. Und zwar richtig. Bis heute hat sich der Zorn linker Gruppen noch nicht abgekühlt. Doch was bringt der? Die Investoren haben das Recht auf ihrer Seite und in zehn, zwanzig Jahren spricht niemand mehr von der Roten Flora oder den Esso-Häusern.
Am Telefon ist jetzt Andrej Holm, er ist Soziologe an der Humboldt-Universität, Schwerpunkt Gentrifizierung. Guten Morgen, Herr Holm!
Andrej Holm: Guten Morgen!
Hatting: Ist die Entwicklung so zwangsläufig, wie gerade von mir beschrieben?
Holm: Na, wenn wir die ganz normalen Marktkräfte in den Städten wirken lassen, dann hat das eine gewisse Zwangsläufigkeit. Ja, das ist ganz nachvollziehbar, dass Eigentümer vor allen Dingen Geld mit Wohnungen verdienen wollen. Wohnungsmarkt, das ist ein großes Investmentfeld und da gelten die ökonomischen Gesetze. Und nicht zwangsläufig ist es aber, wenn wir uns überlegen, dass natürlich der Wohnungsmarkt und die Stadtentwicklung generell ein hoch reguliertes Feld sein könnten, wo man mit einer Reihe von Regularien, von Einschränkungen, von Auflagen tatsächlich Stadtentwicklung steuern kann.
Hatting: Zum Beispiel?
Mietenbremse ist "kleiner Schritt in die richtige Richtung"
Holm: Na, wir haben jetzt eine große Debatte, die auch in der Regierungserklärung oder in der Koalitionsvereinbarung eine Rolle spielt, die Mietenbremse. Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, weil er deutlich macht, man kann Miete beeinflussen. Grundsätzlicher wäre aber eigentlich wichtig, tatsächlich nicht-profitorientierte Eigentümer viel stärker ins Spiel zu bringen.
Das Problem, was wir in vielen Städten haben, fängt eigentlich immer mit demselben Satz an. Also, wenn wir Mieterinitiativen oder auch Kulturinitiativen wie die Rote Flora in Hamburg uns anhören, dann fängt die Geschichte der Verdrängungsangst immer mit dem Satz an: "Und dann kam der neue Eigentümer." Und der hat dann neue Verwertungsinteressen und versucht die natürlich auch – mit dem Recht auf seiner Seite – durchzusetzen. Und genau da müsste Politik eigentlich ansetzen, müsste überlegen, wie können wir denn verhindern, dass profitorientierte Eigentümer die Stadtentwicklungsgeschichte unserer Städte so stark beeinflussen?
Es gibt ja eine ganze Reihe von Alternativen: Es gibt öffentliche Wohnungsträger, es gibt Genossenschaften, es gibt kleine Projekte wie das Mietshäusersyndikat, die inzwischen, glaube ich, 80 oder 90 Projekte in der Bundesrepublik realisiert haben. Und das wären Perspektiven, die man viel, viel stärker auch politisch fördern müsste.
Hatting: Nun versuchen es einige Städte wie Hamburg, Köln, aber auch Berlin wieder mit verstärktem sozialem Wohnungsbau. Ich habe im Augenblick aber eher das Gefühl, das ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein?
Sozialen Wohnungsbau rekommunalisieren
Holm: Ja, allerhöchstens. Selbst in Städten wie Köln oder Hamburg, da werden ja 1.000 – oder in Hamburg sogar 2.000 – Wohnungen pro Jahr angestrebt, die man baut. Das reicht in beiden Städten nicht einmal aus, um den Verlust an sozialen Wohnungen aus früheren Förderperioden tatsächlich aufzuheben. Das heißt, der Staat gibt im Moment relativ viel Geld aus, oder die Städte geben relativ viel Geld aus, um am Ende eine Bilanz zu haben, wo es weniger bezahlbaren Wohnraum gibt als vorher. Und da sind viel grundsätzlichere Fragen, die gestellt werden müssen.
Und was eigentlich ein wichtiger Schritt wäre, das ist gerade in Städten wie Hamburg, wie Köln oder auch Berlin eine zentrale Fragestellung: Gibt es vielleicht Strategien, wie ich die bisherigen sozialen Wohnungsbauten rekommunalisieren kann? Wie ich die vielleicht dauerhaft im Bestand halten kann? Weil, wir haben in Deutschland die absurde Situation – das gibt es in keinem anderen europäischen Land –, dass wir millionenschwere Förderprogramme auflegen, um uns eine temporäre, eine zeitlich begrenzte soziale Bindung von privaten Eigentümern zu verkaufen.
Es wäre viel, viel sinnvoller zu sagen, wenn öffentliche Gelder für die soziale Wohnungsversorgung ausgegeben werden, dann sollen die in einen dauerhaft sozialen Bestand gesteckt werden, sonst reproduziert sich das Problem, das wir zurzeit haben, dann in den 15 Jahren wieder, wenn die aktuellen Bindungen aus den jetzigen Förderwohnungen auslaufen.
Hatting: Was aber bedeuten würde, dass man tatsächlich einen Großteil der auch verkauften sozialen Wohnungen wieder zurückkaufen müsste. Woher soll das Geld kommen?
Holm: Das ist eine gute Frage. Geld ist natürlich für eine gute Wohnungspolitik und für eine soziale Wohnungspolitik eine zentrale Voraussetzung. Aber wir haben, wenn wir beispielsweise nach Nordrhein-Westfalen sehen, da musste eine Enquetekommission des Landtages darüber befinden, was für Probleme die Finanzinvestoren in den privatisierten Beständen für die MieterInnen bedeuten. Und da ist es tatsächlich eine Perspektive, dass man sagt, man wird Teile dieser Bestände zurückkaufen müssen, einfach um die Wohnungsversorgung in den Städten sicherzustellen.
Und man darf sich nicht vormachen, dass eine soziale Stadtentwicklungspolitik ohne eine Umverteilung auch von öffentlichen Geldern zu handhaben ist, sondern das ist deshalb eine große zentrale und politische Frage, die eben auch öffentlich diskutiert gehört. Das ist nicht mit einem einzelnen Instrument durchzusetzen, sondern das bedeutet, dass wir tatsächlich grundsätzlich anders darüber nachdenken, wie sollen unsere Städte sein, für wen sollen die Städte Wohnungen vorhalten und wie kann das dann umgesetzt werden. Das gehört ganz oben auf die Tagesordnung, wenn man soziale Stadtpolitik ernst meint.
Hatting: Ein paar Vorschläge dazu haben Sie ja gemacht. Andrej Holm von der Humboldt-Universität Berlin. Der Stadtsoziologe ist Experte für Gentrifizierung. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Holm!
Holm: Bitte schön!
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