Als ich vor drei Monaten zum ersten Mal im Internet geschaut habe, konnte man für etwa ein Viertel meines Gehalts etwas finden, aber jetzt muss ich die Hälfte einplanen. Wer weiß, wie das in nochmal drei Monaten aussieht.
Immobilienblase in der Türkei
Brennpunkt Istanbul: Bei Neuvermietungen wird inzwischen das Drei- bis Vierfache der alten Miete verlangt. © imago images / Westend61 / A. Tamboly via www.imago-images.de
Wohnungssuchende unter enormem Druck
21:51 Minuten
Bei einer Inflation von über 80 Prozent sind die Lebenshaltungskosten in der Türkei derzeit enorm. Eine neue Wohnung zu finden, wird immer schwieriger, ist für viele fast unmöglich - sei es zur Miete oder zum Kauf. Kreativität in der Not ist gefragt.
Ein beschauliches Viertel in Istanbuls Stadtteil Üsküdar. Die Gegend besteht hauptsächlich aus Wohnhäusern. Es gibt wenig Autoverkehr, dafür einen großen Spielplatz. Hier und da ein paar Geschäfte und Cafés, vor denen Leute in der Sonne sitzen und Tee trinken.
Abdullah Tabakçi, Anfang dreißig, Dreitagebart, freundliches rundes Gesicht, ist gerade in Istanbul angekommen. Der junge Arzt würde gern in diese Gegend ziehen, denn er tritt ganz in der Nähe eine neue Stelle an – schon in zwei Wochen.
Halbes Gehalt für die Miete ausgeben
Aber die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig.
"Ich suche eine Mietwohnung mit zwei Zimmern plus Wohnzimmer, eine ganz normale Wohnung, wo ich nach einem harten Arbeitstag bequem ausruhen kann. Sie sollte möglichst fußläufig zum Krankenhaus liegen, denn das Benzin ist ja auch so teuer geworden. Und diese Gegend gefällt mir. Aber seit einiger Zeit sind die Mieten sehr gestiegen. Ich werde etwa die Hälfte meines Gehalts dafür ausgeben müssen."
Abdullah kommt aus Ankara und hat sich auf Gynäkologie und Geburtshilfe spezialisiert. Die neue Stelle ist ein Traum für ihn, denn das Zeynep Kamil Hospital ist eine der bekanntesten Geburtskliniken in der ganzen Türkei.
Nur die Sache mit der Wohnung hat er sich leichter vorgestellt. Fürs Erste ist er bei einem Freund untergekommen. Der wohnt jedoch weit draußen auf der europäischen Seite von Istanbul. Für seine Wohnungssuche fährt Abdullah jeden Tag über eine Stunde hier herüber und auch wieder zurück.
"Als ich vor drei Monaten zum ersten Mal im Internet geschaut habe, konnte man für etwa ein Viertel meines Gehalts etwas finden, aber jetzt muss ich die Hälfte einplanen. Wer weiß, wie das in nochmal drei Monaten aussieht. Ich bin seit zehn Tagen hier. Jeden Tag laufe ich bestimmt 20 bis 30 Kilometer herum, um mir Wohnungen anzuschauen. Ich bin wirklich müde."
Abdullah steht mit diesem Problem bei Weitem nicht allein da. Die Mieten in der Türkei sind besonders in den großen Städten binnen eines Jahres stark gestiegen.
War vor gut einem Jahr eine Wohnung, wie Abdullah sie sucht, in einem Altbau in dieser Gegend noch für etwa zwei bis dreitausend Lira zu haben, kostet sie nun sechs bis zehntausend Lira für Neumieter. Abdullah wird rund 15.000 Lira netto verdienen. Das sind derzeit etwa 830 Euro.
Keine guten günstigen Wohnungen mehr
An diesem Nachmittag ist er wieder einmal zu Cem Doğusoy gekommen. Der große, untersetzte Mann mit Hornbrille und kinnlangen zurückgekämmten Haaren betreibt ein kleines Maklerbüro. Es liegt an einer Straßenecke im Erdgeschoss eines Altbaus und besteht aus einem einzelnen Raum mit Fenstern zu zwei Seiten.
Abdullah erkundigt sich regelmäßig bei ihm nach neuen Angeboten. Und er schaut auch auf die Immobilienangebote im Internet. Doch dort findet sich kaum etwas Brauchbares.
"Es gibt einfach keine günstigen Wohnung mehr. Naja, es gibt schon welche, aber das sind sehr schlechte Wohnungen: im Souterrain, dunkel, feucht, niedrige Decken, es scheint keine Sonne hinein. So etwas möchte ich nicht."
An den Fenstern des Maklerbüros hängen ein paar aktuelle Wohnungsangebote, allerdings allesamt Kaufanzeigen.
Zum Mieten kommt derzeit selten etwas herein, sagt der Makler Cem Doğusoy. Er stammt aus diesem Viertel.
"Es ziehen kaum Leute von hier weg. Die Lage ist sehr gut. Die Anbindung ist gut und auch die Leute, die hier wohnen, sind ganz in Ordnung. Es gibt nicht viele freie Häuser und neue werden nicht so viele gebaut. So ist das."
Praktisch wöchentlich kann man zuschauen, wie die Mieten und Kaufpreise steigen. Die Türkei ächzt unter einer Rekordinflation von offiziell 83 Prozent. Die Immobilienpreise steigen überall in der Türkei, besonders aber in den beliebten Städten wie Istanbul und Izmir. Abdullah Tabakçi weist nach draußen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkt ein großes Wohnmobil.
"Dieses Wohnmobil da, als ich das gesehen habe, habe ich mir ernsthaft überlegt, so etwas zu kaufen und erst mal darin zu wohnen. Das stell ich dann neben dem Krankenhaus auf. Ich habe einen kleinen Hund, und mit dem wohne ich dann da."
Angebot und Nachfrage unausgeglichen
Der Journalist Muhammed Kafadar beschäftigt sich seit langem mit dem türkischen Immobilienmarkt. Der 28-Jährige mit leicht gelockten, schwarzen Haaren und schwarzer Hornbrille arbeitet bei der Tageszeitung "Hürriyet".
Die Inflation sei nur ein Grund für die steigenden Mieten, sagt er.
"In den letzten vier Jahren gab es drei hauptsächliche Entwicklungen. Einmal begann der lange Verfall der Lira, dann kam die Pandemie und jetzt haben wir eine Inflation. Und die Baukosten haben sich allein im letzten Jahr verdoppelt. So ist ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage entstanden."
In normalen Zeiten unterhält die staatliche Wohnungsbaugesellschaft TOKI viele Neubauprojekte. Bürger können dort zu recht günstigen Konditionen Wohnungen kaufen und mit Krediten finanzieren.
Aber dort, wie auch bei den privaten Neubauten, habe es während der Pandemie einen Stau gegeben, sagt Muhammed.
"Während der zwei harten Lockdowns in Istanbul stoppten alle Bauprojekte. Nach zwei Jahren Pandemie wollten sie wieder anfangen, aber dann schlugen die Preissteigerungen zu Buche: die Inflation und hohe Kosten für Kredite. Deshalb sind die großen Baufirmen bisher keine neuen Projekte angegangen."
Die Inflation sorgt nicht nur per se dafür, dass die Preise steigen. Sie hat auch noch einen zusätzlichen Effekt auf den Immobilienmarkt. Wegen des Währungsverfalls suchen viele Türken nach Möglichkeiten ihre Ersparnisse zu schützen.
Und Immobilien gelten in der Türkei ohnehin als beliebte Wertanlage. Auch das treibt die Nachfrage an, und sie übersteigt längst das Angebot.
Preise klettern immer weiter
Auf den Immobilienportalen im Internet kann man fast wöchentlich beobachten, wie die Preise immer weiter klettern. Beliebte Wohngegenden in Istanbul und Izmir verzeichnen Preissteigerungen von 200 bis fast 300 Prozent binnen nur einen Jahres.
In der türkischen Kultur gelten Versprechen eigentlich sehr viel, aber jetzt sind sie nichts mehr wert. Das sind seltsame Zeiten. Früher brauchten wir nicht einmal einen Kaufvertrag. Jeder stand zu seinem Wort.
Für Makler, wie Cem Doğusoy müssten das goldene Zeiten sein, aber auch sie haben Stress. Das Ganze bringt Probleme, an die er zuvor nie gedacht hat. So erlebt er immer wieder, dass jemand über ihn eine Wohnung verkaufen möchte, aber wenn er einen Käufer gefunden hat, springt der Eigentümer plötzlich wieder ab oder erhöht den Preis. Das sei früher nie passiert, sagt Cem.
"In der türkischen Kultur gelten Versprechen eigentlich sehr viel, aber jetzt sind sie nichts mehr wert. Das sind seltsame Zeiten. Früher brauchten wir nicht einmal einen Kaufvertrag. Jeder stand zu seinem Wort. In Europa wäre das unmöglich, aber bei uns war das so", sagt er.
"Aber jetzt ist das anders. Nachdem jemand schon einen Käufer gefunden hat, schlägt er auf, weil er glaubt, sonst keinen guten Preis zu bekommen. Oder ein Verkäufer sieht, dass er für den gleichen Preis nichts Neues finden kann und ändert seine Meinung. Und manche listen sogar ihre Wohnungen nur um herauszufinden, wie viel sie dafür bekommen könnten."
Alle Makler können derzeit solche Geschichten erzählen. Der Ende 40-Jährige Feyzi Turan hat ebenfalls ein Maklerbüro. Es liegt in Kadiköy, einem vor allem bei den Jungen und Kreativen beliebten Viertel.
Fand man hier bis vor zwei Jahren noch problemlos eine Zweizimmerwohnung für 600.000 Lira, damals umgerechnet etwa 60.000 Euro, muss man jetzt etwa zwei Millionen Lira einplanen. Das sind derzeit ungefähr 100.000 Euro.
"Die Leute sind so gierig geworden"
Und die Preise steigen weiter. Auch Feyzi erzählt von einer Art Goldrauschmentalität unter denen, die verkaufen wollen.
"Es ist furchtbar, einfach furchtbar. Ich hatte vor einiger Zeit einen Käufer für eine Wohnung in einem sehr alten Gebäude gefunden, für 950.000 Lira. Wir unterschrieben die Vorabvereinbarung und eine Woche später sagte der Eigentümer: 'Nein, wir wollen doch nicht verkaufen.' 'Warum?' 'Weil es zu billig ist'", erzählt er.
"Er ging mit dem Preis um 200.000 Lira hoch. Okay. Dann fand ich einen neuen Käufer und wieder änderte er den Preis. Oh mein Gott! Der Käufer war sehr wütend. Die beiden wären fast aufeinander losgegangen und ich stand dazwischen. Die Leute sind so gierig geworden."
In der Türkei gelten die Vermieter immer als Bösewichte, aber natürlich sind sie das nicht. Also wir haben offiziell eine Inflation von 83 Prozent. Wie soll man da erwarten, dass 25 Prozent Mieterhöhung für jemanden ausreicht, dessen einziges Einkommen vielleicht aus der Vermietung einer Wohnung besteht.
Steigende Kaufpreise wirken sich natürlich auch wieder auf die Mieten aus. Um die Preisspirale zu bremsen, hat die Regierung einen Mietpreisdeckel verhängt. Vermieter dürfen jetzt nur noch um 25 Prozent binnen eines Jahres erhöhen. Doch viele Eigentümer halten sich nicht daran. Internetforen laufen heiß mit Posts über Vermieter, die mal eben die Miete verdoppeln oder verdreifachen. Und bei Neuvermietungen gelten diese Grenzen natürlich nicht.
Vermieter als Bösewichte?
Der Journalist Muhammed Kafadar hat durchaus Verständnis auch für die Vermieter, sagt er.
"In der Türkei gelten die Vermieter immer als Bösewichte, aber natürlich sind sie das nicht. Also wir haben offiziell eine Inflation von 83 Prozent. Wie soll man da erwarten, dass 25 Prozent Mieterhöhung für jemanden ausreicht, dessen einziges Einkommen vielleicht aus der Vermietung einer Wohnung besteht. Alles ist so teuer geworden. Die Eigentümer sehen also, wenn sie nicht auch so stark erhöhen, können sie ihre eigenen Rechnungen nicht mehr bezahlen. Das ist wirklich schwierig."
Derzeit sind die türkischen Gerichte überlastet mit Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern. Manche Vermieter wenden allerdings rabiate Mittel an, um ihre Mieter loszuwerden.
Die 32-jährige Rama musste das gerade erleben. Sie arbeitet als Online-Consultant und wohnt ebenfalls im Szeneviertel Kadiköy. In ihrer Straße gibt es Bars, Cafés, viele junge Leute, immer ist etwas los. Deshalb ist sie vor etwa sechs Jahren hierhergezogen. Ihre Wohnung ist eine typische Altbauwohnung: Ein großes und ein kleines Zimmer plus ein Wohnzimmer mit altem Fischgrätenparkett und breiter Fensterfront. Von dort schaut sie hinunter auf eine enge, trubelige Straße.
"Dann bekommst Du Angst"
Im Sommer erhielt sie plötzlich einen Anruf der Immobilienmaklerin, die die Wohnung für die Eigentümer verwaltet.
"Ich war verreist, und eine Freundin wohnte in der Zeit bei mir und kümmerte sich um meine Katze. Die Verwalterin rief mich unerwartet an und schimpfte sofort los: 'Ich schmeiß dich raus, dein Vertrag wird gecancelt. Die Nachbarn mögen dich auch nicht.' Ich bekam Angst und bat meine Freundin, sofort das Haus zu verlassen", erzählt sie.
"Die Maklerin sagte eine Menge Sachen, die nicht okay sind und Dinge, die sie auch nicht einfach tun darf. Aber wenn jemand so mit dir redet, dann bekommst du Angst, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Mieten so sehr steigen und viele Menschen ihre Wohnungen verlieren."
Das türkische Gesetz steht in solchen Fällen eher auf Seiten der Mieter, ähnlich wie in Deutschland. Man kann niemandem einfach so die Wohnung kündigen. Aber viele Mieter kennen ihre Rechte nicht genau und lassen sich einschüchtern.
Bei Rama, die eigentlich anders heißt, kommt hinzu, dass sie aus Syrien stammt und nicht sehr gut Türkisch spricht. Syrer und andere Geflüchtete stehen in der Türkei ohnehin unter stärkerem Druck. Oft werden sie zu Sündenböcken für die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Rama holte sich Rat bei einem Anwalt.
"Dann ging ich zu der Maklerin. Sie war sehr aggressiv, verdrehte die Fakten und versuchte mich dazu zu bringen, etwas zu unterschreiben, das ich nicht verstand. Ich fühlte mich bedroht."
Am Ende einigte Rama sich mit einem anderen Mitarbeiter des Maklerbüros darauf, dass im Februar der Mietpreis neu verhandelt wird.
Ausländer als Sündenböcke der Rechten
Viele Türkinnen und Türken glauben, dass vor allem der Zustrom von Ausländern dazu führt, dass die Mieten und Immobilienpreise steigen. In den letzten acht Jahren sind zunächst viele Syrer und Iraker vor dem Krieg in die Türkei geflohen, dann kamen Afghanen, jetzt kommen Ukrainer und Russen. Daneben haben viele reiche Leute aus den Golfstaaten in der Türkei investiert. Das Vorurteil, Ausländer seien Schuld daran, dass die Preise so stark steigen, wird vor allem von der politischen Rechten bedient.
Aber auch die größte Oppositionspartei, die in Westeuropa gern als sozialdemokratisch bezeichnet wird, schlägt solche nationalistischen Töne an. Nächstes Jahr sind Wahlen und da wollen alle punkten. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage sind Ausländer willkommene Sündenböcke.
Aber die Zahlen sprechen gegen diese Vorurteile. Der Anteil an Ausländern mit Wohnsitz liegt in Istanbul derzeit bei etwa 5 Prozent, bezogen auf die gesamte Türkei bei nur etwa 1,6 Prozent. Und bei den Wohnungsverkäufen gingen lediglich rund 4 Prozent an Ausländer. ihr Einfluss auf die Preise dürfte also gering sein. Zudem schauen zumindest die arabischen und russischen Käufer eher nach hochpreisigen Wohnungen, die für die türkische Mittelschicht sowieso nicht in Frage kommen.
Langfristig kann nur eine Erholung der Wirtschaft dazu führen, dass sich der Markt wieder stabilisiert und die Mieten wieder in einem vernünftigen Verhältnis zu den Löhnen stehen, sagt der Journalist Muhammed.
Mehr bauen als Lösung
Seine Meinung: Um kurzfristig das Problem abzumildern, müsse mehr gebaut werden.
"Die Regierung versucht dem Problem mit dem Mietpreisdeckel entgegenzuwirken. Davon abgesehen hat sie kürzlich angekündigt. 315.000 neue Wohnungen zu bauen, vor allem in fünf oder sechs der größten Städte. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz. Jedenfalls sagen die Experten immer, dass man mehr bauen muss, um die Preise in den Griff zu bekommen. Das gleiche gilt für Berlin und New York zum Beispiel", sagt er.
"Wenn die türkische Lira wieder stärker wird, wird sich das auch auf die Inflation auswirken, und dann werden wir vielleicht auch sehen, dass sich die Mieten wieder normalisieren. Aber bis dahin besteht die einzige Möglichkeit darin, mehr zu bauen."
Bis diese neuen Wohnungen stehen, wird es jedoch noch dauern, und so werden sich die Menschen am Bosporus erst einmal mit den hohen Preisen arrangieren müssen. Das werde zu sozialen Veränderungen führen, glaubt Muhammed.
So etwas wie bisher, dass man in einer eigenen Wohnung wohnt, das wird es im Zentrum kaum mehr geben. Das heißt, entweder man ist offen, eine Wohnung zu teilen, oder man muss rausziehen in die Randgebiete.
"Es gibt es zwei Möglichkeiten. Ich denke, in Zukunft werden wir sehen, dass Leute eher zusammen wohnen, dafür gibt es schon Beispiele: ein 40-jähriger Lehrer, den ich kenne, wohnt jetzt mit einem anderen Lehrer zusammen. Wir werden auch sehen, dass Familien wieder mehr zusammen wohnen. So etwas wie bisher, dass man in einer eigenen Wohnung wohnt, das wird es im Zentrum kaum mehr geben. Das heißt, entweder man ist offen, eine Wohnung zu teilen, oder man muss rausziehen in die Randgebiete."
Özge hat solch eine Lösung gefunden. Die schlanke 34-Jährige mit langen dunkelbraunen Haaren arbeitet als freie Fotografin. Sie wollte raus aus dem Randgebiet von Istanbul, wo ihre Eltern wohnen. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt war sie zunächst wieder zu ihnen gezogen. Bis dorthin fährt man von den zentralen Gegenden mehr als eine Stunde.
Nicht viel Handlungsspielraum als Mieter
Özge zog es in eines der älteren Viertel, nach Üsküdar, dahin, wo auch der Arzt Abdullah eine Wohnung suchte. Und auch sie sah sich mit den hohen Mieten konfrontiert. Deshalb tat sie sich mit ihrer Cousine zusammen.
"So etwa im Februar begannen wir, etwas zu suchen. Aber wir sahen, wie die Mieten gestiegen waren. Das war einfach zu viel Geld nur für die Miete. Und als Mieter hast du nicht viel Handlungsspielraum. Du läufst immer Gefahr, dass du irgendwann ausziehen und dann bei verdoppelten oder verdreifachten Preisen etwas Neues suchen musst", sagt sie.
"Wir haben dann gerechnet und uns entschieden, lieber etwas zu kaufen. Also zahlen wir lieber den Kredit statt die Miete, und am Ende haben wir dann etwas, das uns gehört."
Özge und ihre Cousine hatten Glück. Sie fanden eine Wohnung in einer beschaulichen Familienwohngegend, mit alten Häusern, nicht weit vom Fähranleger und einer neu gestalteten Uferpromenade. Es gibt eine kleine verwinkelte Fußgängezone mit Cafés und die großen historischen Moscheen und ein weitläufiger Friedhof, auf dem viele berühmte Bürger Istanbuls begraben sind, sorgen für ein besonderes Flair.
"Lass uns jetzt den Mut haben"
Özge zahlt jetzt gemeinsam mit ihrer Cousine 9500 Lira an monatlichen Raten für den Kredit. Das sind derzeit umgerechnet gut 500 Euro. So viel würden die beiden inzwischen auch an Miete in dieser Gegend zahlen müssen.
Nun kann sie sogar hoffen, dass die Inflation und der Währungsverfall sich am Ende sogar positiv für sie auswirken.
"Ich hoffe, dass der Kredit uns in ein zwei Jahren nicht mehr so sehr belasten wird, denn wegen der Inflation wird der Betrag auch weniger wert sein, und dann können wir uns das relativ leicht leisten. Wir haben uns gesagt, lass uns jetzt den Mut haben und ein Risiko eingehen und in ein paar Jahren wird uns das hoffentlich zu Gute kommen."