"Dr. Paul Wolff & Tritschler. Licht und Schatten – Fotografien 1920 bis 1950"
28.6.2019-26.1.2020
Ernst Leitz Museum Wetzlar
Fotografie als gutgelaunter Lifestyle
05:51 Minuten
In der Weimarer Republik gehörten Paul Wolff und Alfred Tritschler zu den gefragtesten Fotografen. Ihre Fotos strahlen Leichtigkeit aus, aber auch Begeisterung für die Moderne. Das zeigt eine Retrospektive im neu eröffneten Ernst Leitz Museum in Wetzlar.
Paul Wolff, immer tadellos gekleidet, gern mit langer Zigarettenspitze, war ein selbstbewusster Charmeur und wusste seine Auftraggeber auch mit seinem Mercedes-Cabrio zu beeindrucken.
Auf einem überdimensionalen Foto im Aufgang zur Ausstellung ist er selbst zu sehen: Fliege, Baskenmütze, lachend, umgeben von modernen jungen Frauen und einem Mann mit Pfeife in den erstaunlich schlechten Zähnen. Das Foto seines Kompagnons Tritschler zitiert die Jux-Bilder der Bauhäusler. Kurator Hans-Michael Koetzle:
"Dieses Bild strahlt eine Leichtigkeit, eine Fröhlichkeit aus, ein positives Weltbild – also mehrere Figuren, die hier lachend in die Kamera schauen, sehr dicht gruppiert. Was genau da passiert, wissen wir nicht, das Foto rangiert unter dem Überbegriff 'Es ist etwas passiert', was auch immer damit gemeint ist. Aber das Bild steht schon beispielhaft für das Weltbild des Paul Wolff: eben positiv gestimmt, optimistisch, fröhlich, eine Gruppe um sich herum scharen – das war so seine Sicht der Dinge".
Als Leitmotiv der Ausstellung ist dieses Foto gut gewählt. Da ist die Liebe zur Moderne, die überraschend verrückte Perspektive des Neuen Sehens, und zugleich eine gewisse Überdosis guter Laune, die Paul Wolff bei den Geschichtsschreibern der Fotografie in Ungnade fallen ließ.
Eher Geschäftsmann als Intellektueller
Bis hin zum völligen Verschweigen. Er war nun mal kein theoretisierender Intellektueller, der mit eindeutigem Markenzeichen Position bezog. Paul Wolff, das zeigen die vielen Publikationen in dieser Ausstellung, verstand sich weniger als fotografierender Autor denn als Geschäftsmann.
"Er hat genau die Grammatik des Neuen Sehens souverän genutzt, aber nicht nur. Und das macht ihn eben für viele verdächtig, dass er nebenher auch pflügende Bauern fotografiert hat oder Picknick unter blühenden Bäumen. Dieses Paul-Wolff-Bild grassiert immer noch ganz manifest und man muss Paul Wolff immer auch im Gegenteil dessen denken, was man meint zu kennen. Er ist ein ausgesprochen widersprüchlicher Fotograf und genau die Widersprüche wollen wir in der Ausstellung auch kenntlich machen", so Kurator Koetzle.
Die vielen Vintage-Prints – also Erstabzüge – dieser Ausstellung zeigen einen Fotografen, der mit weit geöffneten Augen durch die Weimarer Jahre ging, sich für Technik in jeder Form begeisterte, für Industriefotografie, für Architektur, für Landschaften, Luxusreisen, kurzum: den Aufbruch in die Moderne.
Ikonische Bilder der Frankfurter Altstadt
Als Frankfurter kennt man seine ikonischen Bilder der Altstadt, die der aktuellen Rekonstruktion zugute kamen. Aber eben auch die Fotos entspannter Paare auf den Dachterrassen der grade entstandenen Siedlungshäuser des Neuen Frankfurt, gemacht mit einer von der Stadt finanzierten Leica. Museumsdirektor Reiner Packeiser:
"Paul Wolff war tatsächlich derjenige, der die Möglichkeiten einer solchen kleinen Kamera, die sehr schnell wieder schussbereit war, als Erster erkannt hat. Der war beauftragt worden, Architekturfotos zu machen, wir haben seinen ersten Film in der Ausstellung, und fotografiert stattdessen erst mal spielende Kinder, weil er sieht, man kann ganz schnell, spontan irgendwelche spannenden Szenen, das Leben an sich, einfangen".
Die Ausstellung im Ernst-Leitz-Museum ist eine grandiose Geste der Rehabilitation eines umtriebigen, mit allen Kniffs und Tricks der Moderne gesegneten und gerne Geld verdienenden Starfotografen. Sein Mitläufertum in der Nazizeit, als er straffe Olympioniken und trommelnde Hitlerjungen fotografierte, wird ebenso wenig ausgespart wie seine Bilder vom 1945 kriegszerstörten Frankfurt.
Japanisch anmutende Komposition
Und dann und wann ein weißer Elefant. Zum Beispiel die als Fototapete reproduzierte "Eröffnung des Opelbades in Wiesbaden", 1934. Zehn anmutige Badenixen, drei davon auf dem kühnen Bogen der Planschbeckenbrücke, ein angeschnittener kahler Baum ragt grafisch perfekt ins schwarzweiße Bild.
"Ja, es hat sogar fast einen japanisch fernöstlichen Einschlag, diese Fragilität der Komposition, die Leichtigkeit, das Durchlässige. Es ist natürlich inszeniert, aber wie er hier Architektur, Raum und dann die Menschen in einen Zusammenhang bringt, das ist natürlich wunderbar und von einer großen Leichtigkeit", meint Kurator Koetzle.
Die Geschichte der modernen Fotografie nicht als blutleere Abstraktion, sondern als gutgelaunter Lifestyle, grundiert von deutlichem Erwerbssinn. Wer solche undogmatische Offenheit mag, ist im architektonisch großzügigen Ernst Leitz Museum genau an der richtigen Adresse.