Bereits ein Klassiker?
In dieser Woche erscheint eine Gesamtausgabe der Werke von Wolfgang Herrndorf. Diese frühe Kanonisierung seiner Bücher hätte Herrndorf vermutlich nicht gefallen, meint Tobias Rüther, Feuilletonredakteur bei der "FAS".
Am 12. Juni wäre Wolfgang Herrndorf 50 Jahre alt geworden. In dieser Woche erscheint eine Gesamtausgabe seiner Werke – eine Würdigung, die zeitgenössischen Schriftstellern nur selten zu Teil wird.
Ist Wolfgang Herrndorf also bereits ein moderner Klassiker geworden – obwohl er oft über den Literaturbetrieb gespottet hat? Mit dieser frühen Kanonisierung hätte Herrndorf vermutlich gehadert, meinte Tobias Rüther, Feuilletonredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Gegen Klassiker habe der Autor allerdings nie etwas gehabt:
"Er hatte überhaupt keine Berührungsängste mit den Klassikern der Literatur. Ich glaube, die Tatsache, dass er so viel im Internet geschrieben hat und dass das Internet für ihn eine Plattform war, sich auszudrücken und sich zu verbreiten – das bedeutet nicht, dass gleichzeitig nicht auch eine unglaubliche Traditionsliebe da ist."
Die Erfindung einer eigenen Welt
Entscheidend sei doch, wie man den Begriff "Klassiker" überhaupt definiere, sagte Rüther:
"Bei Herrndorf zeichnet sich, wenn man die sechs Bücher zusammen nimmt, sehr früh ab, dass da jemand einen klaren Blick auf die Welt hat. Dass er einen Ton gefunden hat, an dem er immer weiter und weiter feilt. Es bildet sich eine eigene Welt aus. Und das macht ein Werk aus."
Wolfgang Herrndorf nahm sich am 26. August 2013 das Leben. Er entschied sich dafür, seiner tödlichen Krebserkrankung zuvor zu kommen. Seit seinem Erfolgsroman "Tschick" galt Herrndorf als einer der interessantesten und aufregendsten deutschsprachigen Autoren. Posthum erschienen von ihm der Roman "Bilder einer großen Liebe" und die Tagebuchaufzeichnungen "Arbeit und Struktur", in denen er die körperliche und geistige Zerstörung durch seine Krankheit literarisch verarbeitete.