Der Autor, der die deutsche Theaterszene elektrisiert
Der Modeschöpfer Rudolph Moshammer und ein somalischer Pirat: Wolfram Lotz bringt Figuren der Zeitgeschichte auf die Bühne, vielen gilt er als Autor der Stunde. In Paderborn inszeniert Katharina Kreuzhage nun seine Monologe "Mode und Wirklichkeit".
Wolfram Lotz ist der Autor der Stunde. Sein Stück "Die lächerliche Finsternis" wurde von Kritikern zum Drama der Saison erkoren und von vielen Bühnen inszeniert. Nun erreicht die Lotz-Welle auch das Theater Paderborn. Intendantin Katharina Kreuzhage hat im Studio die Uraufführung einiger Monologe unter dem Titel "Mode und Wirklichkeit" inszeniert. Davon zwei als Uraufführungen.
Pechschwarzes, aufgetürmtes Haar, Schnurrbart, der voluminöse Körper steckt in einem edlen Anzug. Der Modeschöpfer Rudolph Moshammer steht vor dem Publikum im Studio des Theaters Paderborn. Die schillernde Verkörperung der Münchner Schickeria, 2005 wurde er ermordet. Sein Lebensgefährte, der Hund Daisy, fehlt.
"Ich weiß, manche Leute denken, der Moshammer zum Beispiel – also ich – sei der und der und fertig. Aber das ist ja Unsinn. Ich gebe ja auch nicht vor, über andere Menschen, von denen ich eigentlich nichts weiß, Bescheid zu wissen."
Wolfram Lotz geht es in seinem Monolog nicht um einen biografischen Abriss. Sondern um das Verhältnis von "Mode und Wirklichkeit". So heißt dieser Monolog, er gibt dem ganzen Abend den Titel. Moshammer hat ein rotes Tuch designt. Damit will er gegen den Hunger in Afrika protestieren und erklärt, was das eine mit dem anderen in seiner Gedankenwelt zu tun hat.
Wolfram Lotz zeigt Wahrheit im scheinbar Lächerlichen
Das klingt versponnen und seltsam. Aber es ist ernst gemeint. Weil er einen Zweireiher trägt, erzählt Moshammer die Geschichte von zwei Reihern, die ihn zu seinem Modeentwurf inspiriert hat. Es gibt viel zu lachen an diesem Abend, aber die Ironie dient nicht dazu, Menschen lächerlich zu machen. Im Gegenteil, Wolfram Lotz bringt Figuren der Zeitgeschichte auf die Bühne und geht respektvoll mit ihnen um.
Der somalische Pirat, dessen Rede aus dem Erfolgsstück "Die lächerliche Finsternis" stammt, wird zum Verbrecher, weil die Meere leergefischt sind und er keine Perspektive sieht, sich zu ernähren. Auch in diesem Monolog verbindet Lotz satirische und berührende Momente. Der Autor steht auch selbst auf der Bühne, verkörpert vom Schauspieler Lars Fabian. Ein verklemmter, schüchterner, stummer Mann. Die Stimme seiner Mutter tönt aus dem Radio und erzählt peinliche Dinge, dass der Junge stottert und ein Spätentwickler war.
"Er hat ja nicht aufgehört mit dem Spielen. Er hat ja mit 15 noch mit Ameisen und Playmobil gespielt, als andere schon Mädchen geküsst haben."
Lotz schaltet das Radio aus, entfernt die Batterien, die Mutter tönt aus einem anderen Lautsprecher. Er kriegt sie nicht aus dem Kopf. Das Publikum sitzt in Katharina Kreuzhages präziser, 50 Minuten kurzer Inszenierung in einem Raum mit den Schauspielern, einem Wohnzimmer aus Sesseln und Lämpchen. Max Rohland als Moshammer und Anne Bontemps als somalischer Pirat spielen wunderbar vielschichtig. In diesem kleinen, konzentrierten Abend stecken viele zentrale Gedanken. Dass Wirklichkeit immer nur eine Annäherung ist, und dass im scheinbar Lächerlichen oft eine Andeutung von Wahrheit zu finden ist.
Die nächsten Aufführungen: 12., 21., 29. November, 11. Dezember